Kann ich, was die wollen?

Axel Brennicke


Editorial

(28.01.2016) Die Biotope akademischer Stellenbeschreibungen sind inzwischen selektiver, als es sich Evolutionsbiologen überhaupt vorstellen können.

Schade, dass ich im Moment keinen Job suche. Da gab es zuletzt tolle Angebote.

Zum Beispiel das hier bei der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), wo man ja sonst auf eigene Bewerbung kaum unterkommt: „Redenschreiber/-in“. Zum Glück schreibt man ja Reden statt sie einfach zu reden. Immerhin werden sie dann wohl vorgelesen, auch wenn es nicht die eigenen Wörter und Worte sind.

Als Mitglied des Teams des Präsidialbüros entwerfen und redigieren Sie Texte und Präsentationen für den Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft auf Deutsch und Englisch. Im zusammenspiel mit dem Team und den entsprechenden Fachabteilungen der Generalverwaltung recherchieren Sie wissenschaftliche, politische und weitere fachspezifische Themen und bereiten diese auf.“ Weitere fachspezifische Themen? Welche denn? Etwa unwissenschaftliche und unpolitische?

Auf den Webseiten der MPG finden sich jede Menge andere Jobs, allerdings meist in der Verwaltung, fast keine in der Wissenschaft. Sieht so aus, als ob sogar die MPG ihr Schiff mit Volldampf auf Uni-Verhältnisse zusteuert.

Editorial

Das i-Tüpfelchen aber sind wie immer explodierende Marketing-Abteilungen. In diese Richtung, dem garantiert erfolglosen Anpreisen von unverkaufbaren Erkenntnissen, gibt es weithin jede Menge Stellen. Ein Beispiel:

„Das Präsidium der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel sucht […] für den Bereich ‚Technologietransfer und Beteiligungsmanagement‘ im Servicezentrum Forschung, IT und strategische Innovation zwei Scouts für innovative Projekte (InnovationScout). Der Technologietransfer der CAU wird reorganisiert. In einem ersten Schritt werden interne Kompetenzen im Bereich ‚Intellectual Property Rights‘ ausgebaut und mit einem Projektmanagement für wirtschaftsnahe Projekte verbunden. […]

Aufgaben: Erschließung des Erfindungs-/Verwertungs-/Projektpotentials der CAU inkl. detaillierte Recherche in einzelnen Forschungsgruppen; […] Bearbeitung und Verhandlung von Verträgen inkl. Drittmittel-/F+E-/Verwertungs-Verträgen; Recherche, Ana lyse, Bewertung und Erarbeitung von Erfindungen und Ideen gemeinsam mit Erfindern/-innen und Urhebern/-innen; […] Einreichung der Patentanmeldung, Verfahrensbegleitung, Betreuung weiterführender Schutzrechts-/Verletzungs-/Klageverfahren; Portfolioverwaltung von Schutzrechten und Verwertungsvereinbarungen; Ausrichtung von Weiterbildungsveranstaltungen; Networking (Institutionen, Verbände, Firmen, Messen etc.) und Marketing.

Explizit das Zauberwort: Marketing. Wär’ doch was, hört sich ziemlich gemütlich und geschwätzig an so eine Portfolioverwaltung, obwohl die Anforderungen knallhart sind: „Reisebereitschaft ist zwingend erforderlich.“ Schreibt das jemand auch bei einem Wissenschaftlerjob rein? Da wird das einfach unterstellt. Ganz schön Weicheimäßig, diese Marketing-Kreise. Auch wenn weitere radikale Anforderungen gestellt werden: „[…]abgeschlossenes Universitätsstudium aus dem natur-/ingenieurwissenschaftlichen oder medizinisch/pharmazeutischen Bereich; einschlägige Erfahrungen im Bereich IP- und Verwertung; gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift; sehr gute Deutschkenntnisse“. Bei letzteren bleibt offen: Wort oder Schrift? Und was soll das mit dem IP-Bereich? Internet-Protokoll? IP-Adresse? Die kann sogar ich rausfinden – sind das einschlägige Kenntnisse? Und es soll kein Jurist sein? Gut, was bleibt dem zeitvertragsgeschädigten Biologen übrig – lernt er eben noch Juristen-Deutsch nebenbei. Da war übrigens noch mehr Blabla in der Anzeige – den Unfug habe ich nicht mitzitiert, sonst hätten Sie da schon aufgehört zu lesen.

An den Unis werden trotz dieser Stellenverschwendung jede Menge neue Professoren gesucht. Ich verstehe gar nicht, dass es von diesen zu wenig geben soll. Allerdings müssen es schon spezielle Typen sein: „Professur Biofunktionalität und Sicherheit von Lebensmitteln“ sowie „Professur Lebensmittelsensorik und Produktinnovation“ an der Hochschule Niederrhein. Was mag wohl das Fach „Biofunktionalität von Lebensmitteln“ erforschen und lehren? Gibt es Lebensmittel, die nicht biologisch funktionieren? Lebensmittelsensorik – hat das was mit der Oberflächenhaptik von Ananas gegenüber Blumenkohl zu tun? Am Universitätsklinikum Jena gibt es weiterhin eine „W3-Professur für Transdifferenzierung“. Geht es vielleicht um Folge vier des „Transporter“?

Die Universität Freiburg schreibt eine „[…] interdisziplinär ausgerichtete W2-Professur in Gender Studies in MINT-Fächern (‚Technology, Gender and Science’)“ aus. Interdisziplinär ausgerichtet? Was denn für Disziplinen? Männlich und weiblich? MINT-Disziplinen? Was sollen die drei ausländischen Marketingwörter? Science in MINT-Fächern, das wär doch mal ein echt neues Alleinstellungsmerkmal. Hat sonst niemand.

Die Universität Göttingen bietet eine „Professur für Forest Operations“. Wird bestimmt ein Baum-Chirurg mit OP-Erfahrung gesucht. Ulkiges Denglish-Mishmash. An der Uni Ulm gibt es die Professoren-Arbeitsbeschreibung „Neurobiologie von Laborsäugern“. Laborsäuger? Da erforscht einer sicher Laborheinis und Laborhengste.

Wenn jemand an das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), immerhin eine „selbstständige Körperschaft des öffentlichen Rechts“, will – warum nicht auf die „W3-Professur für Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien“ bewerben. Was muss man können? „Wir suchen eine Persönlichkeit, die sich in diesen Kontext einfügt und über einen interdisziplinären Hintergrund und ein eigenes Profil im Forschungsfeld ‚Wissenschaftskommunikation‘ mit Fokus auf digitalen Medien verfügt.“ Das muss schon gesagt werden, dass der neue Professor sich einfügt und nicht sein eigenes Süppchen kocht. Womöglich will er gar ein eigenes Profil bilden... Ach nein, darüber soll er ja schon frei verfügen, bevor er ans KIT kommt.

Erwartet wird eine herausragende einschlägige Forschungs- und Publikationsbilanz sowie internationale Vernetzung. Ein relevantes Kriterium sind ferner herausragende Leistungen in der Praxis der Wissenschaftskommunikation.Laborjournal-Redakteure willkommen! Zu der einschlägigen Publikationsbilanz zählt auch der LJ-Blog, der ist nämlich ein digitales Medium – glaube ich zumindest.

Das wiederum müsste der Kandidat für den folgenden Job erklären können: „TH Köln Professur für Sprach- und Übersetzungstechnologie“. Sollte passen. „[…] Mit den Schwerpunkten ‚Fachübersetzen IT/Technik Englisch-Deutsch‘ und ‚anwendungsbezogene Sprachtechnologie‘[…] Dies umfasst u. a. die Fächer ‚Fachtextübersetzen IT/Technik Englisch-Deutsch‘, ‚Übersetzungstechnologie (Theorie und Werkzeuge)‘, ‚Lokalisierungstechnologie‘ sowie Seminare und Projektveranstaltungen zu diesen Themenbereichen.

Endlich ein Prof, der mir die Anleitung für den Küchenmixer ins verständliche Deutsch übersetzt! Die Maschine ist nämlich ein Stück Technik und interdisziplinär mit IT ausgestattet; die dazugehörige App sorgt dafür, dass ein rotes Licht blinkt und Rauch aufsteigt – irgendwo aus dem Mixer. Das Phone fragt dafür nach meiner Kontonummer und lässt sich nicht mehr ausschalten. Zur Not muss ich mich an den Neuen auf der „Professur für Translationswissenschaft“ der Uni Graz wenden, oder an denjenigen auf der „Professur für Öffentliches Recht“. Die Stelle für unöffentliches Recht ist wohl noch nicht freigegeben.

Wer wird hingegen an der Hochschule Magdeburg-Stendal wohl diese Professur besetzen: „Psychosoziale Gesundheit und psychosoziale Versorgung im Lebenslauf“? Mein Lebenslauf gehört auch einmal psychosozial versorgt. Weniger in Frage kommt wohl an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg die Professur: „Professur Frauen- und Geschlechterfragen in der Sozialen Arbeit (100%)“. Schade, 100% wäre OK, aber als Mann hat man einfach schlechte Karten in den Geschlechterfragen.

Auch diese beiden Förderschwerpunkte an der Universität Potsdam sind wohl nichts für mich: „Professur für Inklusionspädagogik/ Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung“ oder „Professur für Inklusionspädagogik/ Förderschwerpunkt Sprache“. Einschließen will ich mich dort aber doch nicht, auch wenn Potsdam inklusive Schloss rein emotional ganz nett ist. Also doch lieber an die Uni Bonn auf die „Professorship in Perceiving Systems“?

Nee, bleiben wir lieber bei den „Einschlüssen“. Davon gibt es mittlerweile so viele in Deutschland – wie auch bei der „Professur für Psychologische Intervention in inklusiven Kontexten“ oder „[…] im Rahmen der inklusionsorientierten Profilbildung der Universität Bielefeld“ –, dass Inklusivität schon ein derart abgefahrenes Profil hat, das selbst ein wohlwollender TÜV es nicht mehr durchlässt.

Wenn ich ein Haustier hätte, ginge vielleicht die “Professur Tierphysiologie mit dem Schwerpunkt zelluläre Verhaltensphysiologie“ an der Universität Leipzig. Nur was ist zelluläre Verhaltensphysiologie? Wie verhält sich eine Zelle physiologisch? Oder was geht ab im Rudelverhalten zwischen Ribosomen und Golgi? Schwer zu sagen.

Offensichtlich bin ich reichlich ungebildet, sonst könnte ich mir unter „Fachhochschule Südwestfalen – Standort Soest – […] eine Professurenvertretung Frühpädagogik Schwerpunkt Management“ mehr vorstellen als im Kindergarten die Zwerge zu managen. Vielleicht erklärt mir die Professurenvertretung, wie ich die Kinderkrippe zu managen habe.

Nun, dann eben dies: „Fachbereich Technik der Hochschule Mainz, Fachrichtung Geoinformatik und Vermessung, sucht in Kooperation mit der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz eine/n Professor/in für Digital Humanities“. Digitale Geisteswissenschaften in der Geoinformatik und Vermessung sind doch eine coole Sache. Andererseits ist dies nur eine „halbe Akademieprofessur, Besoldungsgruppe W 2 LBesG, befristet für 5 Jahre“. Nee, halbtags bezahlt werden und nach fünf Jahren wieder nach Hause – das ist doch nichts.

Unsere kleine nicht-repräsentative Sichtung zeigt: Es gibt keine Stellen für ganz normale Chemiker, Biologen, Ökotropho- und andere -logen. Denken sich Landes- und Unipolitiker, dass sie so die Besten finden werden? Die Exzellenzen? Auf solche Ausschreibungen bewirbt sich nur die eine Person, die genau passt – und dann noch ein paar der vielen Verzweifelten, die denken, eine E-Mail ist billiger als ein Lottoschein.

Den letzten Knüller der kurzen klaren und ganz offenen Beschreibung bringt die Technische Hochschule Mittelhessen, Campus Friedberg, zu einer W2-Professur: „Wir suchen eine Persönlichkeit für das Fachgebiet: Simulationssysteme unter Einbeziehung von Video- und Animationstechnik, vorzugsweise in den Studiengängen Physikalische Technik, Bahningenieurwesen und Medieninformatik“.

Schelm, wer Böses dabei denkt …