Exzellenzsuppenküche

Axel Brennicke


Editorial

(07.03.2016) Folge 100: Zum Jubiläum eine Polemik der etwas anderen Art.

Neulich in einem der vielen exzellenten Restaurants dieses Landes:

Ober: Wie hat Ihnen die Suppe geschmeckt?

Gast: Exzellent.

O: Das wundert mich nicht. Unser Koch macht bei der Exzellenzinitiative mit. Hat schon die dritte Exzellenzmütze für seine Exzellenzsuppe bekommen.

G: Exzellenzmützen?

O: Für die exzellente Suppe. Der Koch nennt die auch Exzellenzeinheitsbrei. Nein, nicht wegen der deutschen Einheit, sondern weil alle Exzellenzköche die Fertigsuppenpäckchen „Exzellenz“ der Firma „Exzellenzsuppe“ nehmen – die funktionieren immer.

G: Und woher kommen die Exzellenzmützen? Wer vergibt die?

Editorial

O: Die lobt die Firma „Exzellenzsuppe“ aus. Sie finanziert die Preise, bezahlt die Exzellenzmützen und verteilt sie. Ganz wie unsere Ministerin T. B. im Land neulich betont hat: „…sollte die Leistungspyramide über einen exzellenzbonus …abgebildet werden“.

G: Verteilt die Exzellenzmützen? Gibt es denn noch andere Exzellenzköche hier in der Stadt?

O: Ja, natürlich, die Exzellenzmützeninitiative hat längst umgesetzt, was unsere Ministerin in einem Zitat des Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz, kurz HRK, findet: „Die starke Limitierung der z ahl von Spitzenzentren wird der verteilten exzellenz, wie sie durch die bisherige exzellenzinitiativ e an vielen Standorten in Deutschland gefördert wurde, keinesfalls gerecht“. Aber nicht alle Exzellenzköche haben so viele Exzellenzmützen wie unser Koch. Der ist schon was Besonderes. Deshalb hat er auch den Titel „Exzellenzangestellter“ verliehen bekommen.

G: Vom Restaurant? Von der Stadt?

O: Von der Firma „Exzellenzsuppe“. Die hält sich eben ganz exzellent opportun an die Ideen unserer Ministerin: „… ganz vorne mit dabei im Shanghai-Ranking. Viel exzellenz, aber vor allem viel Masse an möglichst wenigen Spitzenstandorten, damit die Sichtbarkeit international steigt: Wer das will, muss seine Fördermittel konzentrieren.“ Deshalb auf die Exzellenzmützen noch den „Exzellenzangestellten“. Eine ganz große Ehre. Diese Auszeichnung vergeben die ganz selten. Kam groß in der Zeitung und den Fernsehnachrichten. Da sagte die Ministerin wörtlich: „… so viel exzellenz …hier in einem Raum – ich kann mich nicht erinnern, dass es das schon mal gab …“. Wollen Sie den Clip mal sehen?

G: Ja, gern, aber lieber später. Sagen Sie mal, nehmen die Köche aus anderen Städten auch teil? Bekommen die auch solche Exzellenzmützen verliehen?

O: Natürlich kann jeder sich bewerben. Unsere Ausschreibungen und Ausscheidungen sind weltweit offen. Ist ja eine internationale Anerkennung und überall begehrt.

G: Dann gibt es sicher schon viele Exzellenzmützen außerhalb der Stadt.

O: Eigentlich nicht.

G: Eigentlich nicht? Heißt das keine?

O (kein bisschen verlegen): Sie müssen die Exzellenzmützen in der historischen Perspektive sehen. Wie sie entstanden und gewachsen sind. Viele Köche außerhalb unserer hübschen Stadt haben ihre eigenen Auszeichnungen, und damit auch deren Restaurants. Da wimmelt es nur so von Sternen mit und ohne Leuchten. Die haben Türme, Lagerfeuer und Feuerquallen als Anstecknadel. Aber die taugen alle nichts. Der „Goldige Knoblauch“ wird zum B(r)eispiel von der Knobi GmuH für jedes Gericht auf der Speisenkarte verliehen, das nach Knoblauch riecht. Ein „Blumiger Blumenkohl“ wird von der Gruppe Cauliflower Inc. für je ein Kohlgericht vergeben, begründet mit „lokale Produkte“; und ein „Rosenkohl am Lorbeerblatt“ wird zwei Städte weiter von der Genossenschaft „BB Brassicabauern“ gesponsert. Exzellenz-Leuchttür me als Aufkleber verteilt Hochdorf, weil die oben auf dem Berg wohnen und einen Funkmast mit Blinklicht auf dem Marktplatz haben. Aber das ist alles nichts. Nur wir haben die Kochmützen als Exzellenzmützen, nur bei uns gibt es also richtige Exzellenz bei Koch und Restaurant. Was hat denn ein Leuchtturm mit dem Hund in der Küche zu tun? Da findet die Katze auch nicht den frühen Vogel in der Pfanne. Wie unsere Ministerin sagt: „ein solches Prinzip würde vermeiden, dass nach der Aschenputtel-Methode verfahren wird und Schwarz-Weiß-e ntscheidungen gefällt werden mit all ihren Auffälligkeiten und ihrer Anfälligkeit für Fehler und z ementierung der Gegenwart: vier oder fünf Gute ins töpfc hen des Spitzenstandortes, und zehn oder elf Bessere ins Kröpfchen als zweitligisten!

G: Ach so, na ja. Herr O, geben Sie mir doch bitte noch einmal die Karte für das Hauptgericht.

O (blickt auf sein klingelndes Smartphone. Ein glückliches Lächeln breitet sich auf ihm aus. O streckt die Brust heraus und belehrt den Gast mit vor Stolz vibrierender Stimme): Das dauert jetzt einen kleinen Moment, die Karte muss geupdatet werden.

G: Wie, ist alles teurer geworden seit eben?

O: Nein, nein – machen Sie sich keine Sorgen. Im Gegenteil. Sie bekommen jetzt viel feineres Essen als vorhin – der Koch hat nämlich eben noch eine Exzellenzmütze drauf bekommen. Die vierte.

O (zieht eine Schublade am Tresen auf): Hier ist die Banderole mit den Exzellenzmützen- Stickern. Jetzt muss ich zuerst für jedes Gericht eine weitere Exzellenzmütze zum Preis kleben.

G: Dann wäre also auch die Suppe jetzt noch exzellenter als eben?

O: Aber sicher. Eine Exzellenzmütze mehr, da ist mindestens das Sahnehäubchen größer.

G: Ach so, das Sahnehäubchen.

O: Genau das. Das ist eben das Besondere – das, was übrig bleibt, was man woanders weg entsorgt. Wenn Magermilch gemacht wird. Aus Abfall ein Sahnehäubchen. Und ein Exzellenzhäubchen mehr. Was unser Exzellenzmützenkoch daraus macht, kann ich nicht sagen – schließlich bekommt der Koch die Exzellenzmütze, nicht ich.

G: Aber doch auch das Restaurant, und damit auch Sie. Wenn ich es richtig sehe, tragen Sie am Jackett drei Exzellenzmützen- Anstecker. Jetzt kommt noch einer dazu, nicht wahr? Da fällt mir wieder ein: Draußen vor der Tür habe ich auch eine Reihe Exzellenzmützen-Aufkleber gesehen, neben dem Schild „Betriebsrestaurant“.

O (streckt die Brust heraus): Wir sind eines der akkreditierten Betriebsrestaurants des größten Unternehmens der Stadt – der Firma „Exzellenzsuppe“. Wir sind zertifiziert und fast positiv akkreditiert vom „Euroexzellenzdönergrillverband e.V.“ und dem „Hamburgerexzellentschnittchenschmierer ®BVB“. Jetzt reichen wir beim Wissenschaftsrat unsere Meldung zum „Verfahren der Institutionellen Akkreditierung und Reakkreditierung“ ein.

G: Exzellent. Kann ich jetzt bitte den Hauptgang bestellen?

O: Aber sicher. Ich kann Ihnen heute besonders unser SchniPoSa empfehlen. Das ist freitags besonders gut durch und durchgezogen. Jeden Tag frisch aufgewärmt, mindestens seit Montag. Auf diese Weise kommen die einzelnen Komponenten ganz sanft und mit feinen geschmacklichen Nuancen exzellent zart zum Vorschein. So regt als besonders exzellentes Alleinstellungsmerkmal die individuell exzellente Textur von Hauptteil und Beilage die Geschmacksknospen in ganz besonderem Maße an.

G: Und was bietet der Koch heute noch an? Döner? Hamburger?

O: Selbstverständlich. Hammelschnipsel kann er Ihnen in nullkommanix in der Pfanne auftauen und die exzellenten Patties, natürlich ausschließlich von der Markenfirma „Exzellenzsuppe“, munden auf die Zehntelsekunde exakt aus der Mikrowelle aufgetaut frischer als vor dem Einfrieren. Sehr zu empfehlen – besonders, wenn Sie sich damit weiterqualifizieren wollen. Sie sehen an der neuen Exzellenzmütze, dass unser Koch sich in der Exzellenzmützenevaluation hervorragend profiliert hat. Ganz im Vertrauen: Unser Chef meint, er soll die Exzellenzmützen clustern und sich den großen grünen Exzellenzcluster-Stern draufsetzen. Zur höheren Profilbildung. Nicht zuletzt ist etwa im Schnitzel die Profiltiefe entscheidend. Das wird sein Leuchtturm.

G: Dann bringen Sie mir doch bitte das Schnitzel. Und ein Helles.

O: Sehr gern.

O (geht hinter den Tresen, öffnet die Tür zur Küche und ruft): Ein Essen!

O (lehnt sich weiter hinein und sagt etwas, aber nur etwas leiser): Olga, schmeiß den Köter raus und mach ein Essen warm.

O (kommt mit einem Glas voll gelber Flüssigkeit ohne Raumverschwendung durch Schaumverwendung zurück): So, bitteschön. Übrigens melken alle großen Politiker bei unserer Exzellenzmützen- Verclusterung ab. Haben Sie neulich die Pressemitteilung unserer eigenen Landesministerin zu ihrer Profilierung auf allen Bühnen gelesen: „Überlegungen zu einer Art modifizierten Fortführung der Exzellenzcluster hält sie für sinnvoll. Zudem schlägt sie die Einführung eines Exzellenzbonus vor, zusätzliche Mittel für die Spitzenliga aufgrund nachgewiesener Erfolge, etwa durch die erfolgreiche Teilnahme an neuen Formaten der ‚Exzellenzinitiative 2017plus’.“ Darauf muss man erst mal kommen: „Exzellenzinitiative 2017plus“. Das ist exzellent, nicht wahr?

G (murmelt mit Zunge und Gaumen genießend): Exzellenzinitiative 2017plus. Exzellent. Verdient eine Exzellenzmütze.

O: Wir haben selbstverständlich schon durchgestartet. Wir, das heißt unsere Firma „Exzellenzsuppe“. Und eben wir Mitglieder im Exzellenzbeirat.

G: Wir Mitglieder? Sie auch?

O: Da staunen Sie, nicht wahr. Ja, ich bin dabei. Schließlich ist fachkundiger Rat in einem Beirat das A und O.

G: Und ihr Alleinstellungsmerkmal in der Exzellenzinitiative 2017plus? Dürfen Sie das schon verraten?

O: Wir starten gerade die „Exzellenzmützeninitiative2017ultraplus“ – da sind wir ganz, ganz vorn. In Pichelstein drüben die sind erst bei „plusplus“, lächerlich. Wir exzellentieren alles: Suppenpulver, Formschnitzel, Puddingbecher,... Der Clou: Jeder Koch bekommt mit der nächsten Exzellenzmütze ein Exzellenzhemd. Da steht ganz groß „Exzellenzmützeninitiative2017ultraplus“ drauf. Und etwas kleiner „08/15“. Das flutscht wie ein Hering auf dem Teller.

G: Aha.

O: Die philosophische Exzellenz haben wir von der exzellenten Firma CHE eingekauft. Die sind ein bisschen teurer, aber dafür liefern sie auch exzellente Sprüchecluster. Diesen hier haben wir für unser Motto erworben: „Die Vielfalt möglicher Profilierungsrichtungen lässt sich (in Anlehnung an die Kategorien der internationalen, vergleichenden Indikatorensysteme U-Multirank und U-Map 1) im Zusammenspiel von fünf Dimensionen abbilden, die sehr gut das Spektrum möglicher Orientierungen von Hochschulen widerspiegeln: den Erwartungen und Bedürfnissen des spezifischen Umfelds – eine strategische Positionsbestimmung vornehmen und die prioritären Leistungsdimensionen bestimmen, die im Vordergrund stehen sollen. Letztlich sollte durch eine transparente Aufgabenteilung in der Summe über alle Hochschulen hinweg die Gesamtheit aller gesellschaftlichen Bedarfe abgedeckt werden.“ Statt „Hochschulen“ schreiben wir einfach „Restaurants“ oder „Kneipen“ rein.

G (sichtbar beeindruckt): CHE . Chanz exzellent.

O (sich nahezu überschlagend): Jawohl. Die CHE. Die haben uns auch die Marschrichtung profiliert. Sie schreiben uns, die Exzellenzmützeninitiative2017ultraplus- Cluster „könnten sich strategisch weiterentwickeln“. Da wären wir nie drauf gekommen. Und von höchster Stelle haben wir exzellente Anerkennung für unseren frischen Weg durch den Dschungel der Zukunft zertifiziert bekommen. So sagt eine Mitteilung, der DFBG-Präsident Professor Doktor P.S. „unterstützt dies, schränkt hinsichtlich der Zukunftskonzepte aber ein, dass hier die Lage sehr undurchschaubar sei“.

G: Alle Achtung. Das hätte ich nie gedacht.

O: Ja, das macht erst den Impact bei dem Wettbewerb um die Exzellenzmützen. Hier Ihre Rechnung, mein Herr.

G: Vielen Dank. Stimmt so.

O (reißt das oberste Blatt von einem dicken Block): Hier speziell für Sie: Ihr Zertifikat als „Exzellenzgast“. Mit ein bisschen mehr Trinkgeld können Sie sich auch als „Exzellenter Exzellenzgast“ von mir akkreditieren lassen. Damit erhalten Sie vergünstigten Eintritt zu Exzellenzclustern und Zukunftskonzepten in den jeweils profilierten Exzellenzzentren unseres Exzellenzstädtchens...“