Bachelor sucht Hochschulabschluss

Axel Brennicke


Editorial

(05.04.2016) Der Bachelor ist ein gültiger Hochschulabschluss, so schallte es einst aus der Politik. An den Universitäten und im öffentlichen Dienst hat sich das offenbar bis heute noch nicht ganz rumgesprochen.

Wissen wir, wovon wir reden, wenn wir jemanden mit „Guten Morgen, Herr Bachelor Meier“ grüßen? Natürlich ist an dieser Stelle klar, dass wir damit jetzt nicht dem allein lebenden Herrn unsere Aufmerksamkeit schenken, der vor unzähligen TV-Zuschauern seine Freiheit durch eine fernsehgetrübte Fernsicht auf geschwellte Kandidatinnen aufgeben möchte. Natürlich verneigen wir uns vielmehr vor dem akademischen Titel – und zwar mit Ehrfurcht. Schließlich sei so ein BA oder BSc ein gültiger Hochschulabsch(l)uss, schallt es aus dem politischen Lager. Darum hat man ihn ja wider alle Vernunft eingeführt. Der andere dumme Spruch mit der „Internationalität” und der „Vergleichbarkeit“ mit den bürokratisierenden ECTS ist der Treppenwitz geblieben, der er schon immer war – treppab natürlich. „European Credit Transfer and Accumulation System“ können nur Schreibtischtäter ernst nehmen.

Wie aber ist es nun dem Bachelor ergangen mit seinem glorreichen Studienabschluss? Schauen wir einmal in die Ecken, die uns der offiziellen Politik am nächsten erscheinen: in den öffentlichen Dienst unserer Bundesrepublik. Da gibt es normale, mittlere und gehobenere Laufbahnen – auf Beton, Asche und Gras vermutlich. Für die normalen Rennstrecken reicht die Hauptschule, für die mittleren braucht die Kandidatin mindestens die Reife für eine (Fach) Hochschule und für die (ab)gehobeneren braucht man einen Hochschulabschluss. Aber: Bachelor reicht nicht! Es muss eine Masterin sein. Oder ein Diplom, wenn die Kandidatin etwas älter ist. Im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland kommt ein Bachelor nicht vor. Und auch eine Bachelorin ist nichts wert. Berechtigt zu gar nichts, kann man sich also völlig sparen. Nur der Meister-Master ist mehr als das Abitur.

Editorial

Suchen wir weiter. Irgendjemand außer uns muss doch von diesem akademischen Titel Bachelorin beeindruckt sein, so hat es die Politik den jungen Menschen doch versprochen. Und die rackern sich jetzt tatsächlich ab, um mit möglichst guten Noten als Bachelor in die Welt zu schwärmen. Die Unis vergeben den Titel, drucken bornierte Wasserzeichen und Reliefs und versuchen verzweifelt, Massenabschlussveranstaltungen als Sommerschlussverkauf mit Talar und Tralala ins Leben zu rufen – in Amerika ist alles besser! Bloß kommt keiner zum Sale.

Nehmen wenigstens die Unis die Bachelorin ernst? Wenn ich so frage, ist die Antwort klar. Ich denke mir das ja nicht aus, den Beweis liefert Ihnen zum Beispiel die Abstufung in der Bezahlung der HiWis. An der Universität, die die Bachelors austeilt. Und in der Politik, die die Bachelorelei so toll findet:

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) des Landes Baden-Württemberg weist seine Unis und sonstigen Ramschläden an, wie die „Vergütung der wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräfte ab dem Wintersemester 2015 und Sommersemester 2016“ in diesen beiden Kasten von Menschen auszusehen hat. Zuerst „Wissenschaftliche Hilfskräfte an den Hochschulen des Landes Baden-Württemberg, die nach § 1 Absatz 3 Buchst. b TV-L vom Geltungsbereich des TV-L ausgenommen sind“. Ach ja, wer ist da ausgenommen? Den TV-L (hat nichts mit Fern- oder Nahsehen zu tun) habe ich gefunden, steht für „Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder“ – verstehend lesen kann man den aber nicht.

Wie auch immer, die Top-Liga der wissenschaftlichen Hilfskräfte bekommt jetzt „15,14 € Höchstvergütung je Stunde der arbeitsvertraglich vereinbarten Inanspruchnahme (aktuell)“. Wohlgemerkt Höchstvergütung. Da kann jede Uni noch was einsparen. Und was „arbeitsvertraglich vereinbarte Inanspruchnahme (aktuell)“ sein soll, wissen Sie sicherlich besser als ich. Ein solcher Mensch hat den richtigen „Abschluss/Befähigung“ zur wissenschaftlichen Hilfskraft: „aa) mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Entgeltordnung zum TV-L oder bb) mit einem Master-Abschluss in einem Fachhochschulstudiengang, der akkreditiert ist.

Was mag das wohl sein, „mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Entgeltordnung zum TV-L“? Also suche ich diese Protokollnotiz Nr. 1 zu Teil I der Entgeltordnung zum TV-L. Hoffnungsvoll – aber bald hoffnungslos: Allein die „Entgeltordnung zum TV-L“ hat 333 Seiten und geht über alles – von der Hebamme bis zum Straßenfeger. Die will ich nicht lesen, HiWisfinde ich nicht – eine Protokollnotiz Nr. 1 schon gar nicht.

Dann ist noch eine zweite Klasse von wissenschaftlichen Hilfskräften zu haben – unter b) für 11,15 € die Stunde. Das sind solche „aa) mit Fachhochschulabschluss oder bb) mit Bachelor-Abschluss oder cc) mit einem Master-Abschluss in einem Fachhochschulstudiengang, der nicht akkreditiert ist“. Und die allerletzte, die dritte Klasse, ist die studentische Hilfskraft „ohne abgeschlossene Hochschulausbildung im Sinne der Buchstaben a) und b)“. Die gibt es schon für 9,58 € pro Stunde. Jedenfalls ab Sommersemester 2016 – bis dahin reichen für solche Unabgeschlossenen 9,37 € in der Stunde.

Wer nun mit der Uni für das Sommersemester 2016 einen Vertrag über die Betreuung eines Praktikums abschließt und so dumm verantwortungsvoll ist, den Praktikumsversuch im Vorfeld vorzubereiten, hat dann beispielsweise einen Vertrag vom 16.3. bis zum 30.6.2016. Am 16.3.2016 ist aber leider noch Wintersemester – und unsere Studentin bekommt prompt für die ganze Laufzeit einen Vertrag über 9,37 € pro Stunde. Pech! Verwaltung und Geldberechner der Uni jedoch frohlocken, haben sie doch Unsummen bei den Richtigen eingespart.

Studenten müssen sich früh an diese Verhältnisse gewöhnen. Wissenschaftler und angehende Forscher arbeiten schließlich sowieso. Auch für weniger Geld. Das ganze Leben über und am Ende auch als Profs, egal ob die H-Bezahlung auf C-Tarife und diese wiederum auf W-Subprime Raten abgesenkt wurden.

Komisch ist nur, dass unsere studentische Hilfskraft schon einen Bachelor-Abschluss in der Tasche hat. Nach der offiziellen Vorgabe des Bundeslandes Baden-Württemberg rückt sie damit von der dritten in die zweite Klasse auf, in diejenige der wissenschaftlichen Hilfskräfte Subklasse b), Subsubkaste „bb) mit Bachelor-Abschluss“. Dies sagt die Landesregierung. Aber was das Land oder gar der Bund an Regeln erlassen, interessiert eine gute Uni-Regierung ja nur marginal. Statt eine wissenschaftliche Bachelorin mit 11,15 € pro Stunde zu be- und entlohnen, bleibt die Uni beim Status der studentischen Hilfskraft, für die sie nur 9,58 € pro Stunde abdrücken muss. Wieder großer Jubel in der Geldverwaltung, enorme Summen eingespart – und wieder bei den Richtigen.

Eine Marginalie, dass die Uni damit ihren eigenen Abschluss nicht anerkennt. Alles, was Studenten, Lehrer, Forscher und so da an der Uni treiben, ist für die Universität als solche irrelevant. Das braucht eine richtige Uni gar nicht. Eine Uni braucht nur eine Verwaltung, die ordentlich kleinteilig denkt und sich damit brüsten kann, Geld einzusparen.

Oder sehe ich das allzu kleinlich und die Uni-Regierung denkt viel weiter jenseits vom Horizont, als ich mir das jemals vorstellen kann? Am einfachsten und sichersten schaut man erst mal in den kompliziertesten Schwachsinn an Verwaltungsvorschriften. Kennen Sie schon das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG)? Bestimmt – kommt ja gerade wieder ganz toll raus, weil seit 1.3.2016 das superklare Wörtchen „angemessen“ in die Befristungen eingeführt wird. Der ganze andere unmenschliche Unsinn bleibt – und bleibt unverständlich. Relevantes für unsere Bacheloristin lässt sich am einfachsten im entsprechenden Leitfaden auf der Webseite www.uni-kanzler. de verstehen, wo es um die Befristungen nach eben dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz geht. Dieser kodiert weitere Anleitungen zum Sparen bei denen, die an der Uni sowieso überflüssig sind und keine Dauerstellen brauchen. Um dieses irre Gesetz überhaupt anwenden zu können, brauchen offenbar sogar Uni-Kanzler, die eigentlich Profis in der Verwaltung sein sollten, schlichte Beispiele, mit denen sie sich gegenseitig die Frage erklären, welche Art von Job für die Zählung bis zur Obergrenze von zwölf Jahren zählt und welche nicht.

Für die Kanzler gibt es nur zwei Klassen, studentische oder wissenschaftliche Hilfskraft. Die studentische Hilfskraft zählt nie, bei der wissenschaftlichen wird es richtig kompliziert. Hat die wissenschaftliche Hilfskraft bereits ihren Bachelor in Physik und studiert weiter auf Master, so gilt laut Kanzler: „Eine Anrechnung erfolgt nicht, da die Beschäftigungszeiten vor Abschluss des Studiums liegen.“ Studiert aber die Physik- Bachelorin jetzt auf Bachelor in Mechatronik, so gilt: „Die Beschäftigungszeiten sind anzurechnen, da die Beschäftigung nach Abschluss des Studiums (Bachelor Physik) liegen.“ Beginnt sie ohne MSc nach dem Bachelor mit der Promotion, so gilt die Zeit, denn: „Das Promotionsstudium ist nicht berufsqualifizierend und ist damit nicht als Studium im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 3 Wiss- ZeitVG anzusehen.“ ABER: schreibt sie sich parallel zur Promotion in den Masterstudiengang Physik ein, so sagen die deutschen Kanzler: „Die Beschäftigungszeiten liegen vor dem Abschluss des Studiums und sind daher nicht anzurechnen.

Mit anderen Worten, ein Bachelor ist selbst an der eigenen Universität manchmal ein Hochschulabschluss, manchmal nicht. Und da praktisch kein MSc-Studiengang mehr den gleichen Namen trägt wie ein entsprechender BSc-Studiengang, wird wohl immer mehr angerechnet. Oder die Kanzlerin entscheidet nach Laune und Gesicht, ob der Masterstudiengang „Biotechnologie“ oder „Biochemie“ eine Fortsetzung des Studiums mit BSc in „Biologie“ ist.

Wollen Sie wirklich noch einen Bachelor machen?