Novellette (Teil 1)

Axel Brennicke


Editorial

(05.05.2016) Ist diese Flickschusterei tatsächlich alles, was bei der Novellierung des Wissenschaftszeitvertraggesetzes heraus gekommen ist? Ein offener und konsternierter Brief an die Bundesministerin für Bildung und Forschung.

Wie die Änderungen im WissZeitVG tatsächlich in der Praxis unsere Welt verändern werden, dazu liefert uns ein in überstundenverdächtiger Fleißarbeit erstelltes Formular der Uni einen ersten Eindruck. Obwohl – das Formular ist für Normalos anscheinend nicht so leicht zu verstehen, schließlich kommt es aus der lebensfernen Welt der Bürokratie. Das sieht auch die Uniregierung so und lädt erst einmal in den Senatssaal „… zu einer information über die Änderungen des WissZeitVG und deren Umsetzung in die Praxis.“ Und als Highlight ist versprochen: „Der Präsident wird ihnen die Leitlinien ‚Gute Arbeit’ für den wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Ulm vorstellen.

Gute Arbeit“ für den wissenschaftlichen Nachwuchs? Mit Leitlinien? Zu den Neuerungen im WissZeitVG ist nicht mal der Leitfaden auf der Webseite der www. uni-kanzler.de aktualisiert. Der hat uns neulich schon zu verstehen gegeben, dass der Bachelor kein Hochschulabschluss ist (LJ 3/2016: 18-19). Und die dortigen Infos für die Unikanzler-Profis im Wiederkauderwelsch jedweder Verwaltungsbefristungsregeln nach dem WissZeitVG dienen nur dazu, den Rauswurf aller Wissenschaftler nach ihrem verflixten zwölften Jahr rechtlich sauber zu machen.

Editorial

Zum Glück haben fast alle Unis eine hauseigene Selbstbeweihräucherungspostille. Unser hiesiges UUintern etwa zitiert dazu gleich mal eine uralte Pressevorlage unserer aller Bundesforschungsministerin Johanna Wanka: „Mit der Gesetzesnovelle treten wir Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis entgegen und sorgen für mehr Planbarkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs. in den nächsten Jahren wird es darum gehen, diesen guten arbeitsrechtlichen Rahmen durch gute Praxis vor Ort auszufüllen.“ Zitat Ende. Unterschlagen wird die Fortsetzung der Ministerin: „Viele Hochschulen und For- schungseinrichtungen werden unser Gesetz zum Anlass nehmen, über ihre Personalent- wicklung strategisch nachzudenken. Genau das wollen wir. Wir geben einen Anstoß in die richtige Richtung, aber wir lassen den Wissenschaftseinrichtungen die Freiheit, die sie brauchen, um vernünftige Lösungen vor Ort zu finden.

Den „Anstoß in die richtige Richtung“ schauen wir uns nachher an; was „richtig“ ist, zeigt uns gleich die Umsetzung in den Alltag. Die unterschlagene „Freiheit“ ist in der Tat rar in jeder Verwaltung – an der Uni auch. Hat die Uni-Verwaltung nun diese „Freiheit“ genutzt? Ist die „Gute Arbeit“ die vernünftige, „richtige“ Lösung für den wissenschaftlichen Nachwuchs vor Ort?

Warum heißt es überhaupt so treu real- sozialistisch „Gute Arbeit“? Gute Arbeit leistet der Arbeitende – dem wissenschaft- lichen Nachwuchs hilft aber auch exzellente Arbeit nichts, er fliegt immer noch nach zwölf Jahren raus. Gesetzesnovelle hin oder her. Also hat vielleicht die Uni-Verwaltung gute Arbeit geleistet? Niemand von uns hat Vorurteile. Aber zum Tenor der Hauspostille würde eine solche Selbstbeweihräuche- rung der Administration exzellent passen. Diese erläutert: „Die Universität Ulm hat sich mit diesen Leitlinien zum Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen ihrer Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Forschung und Lehre zu verbessern sowie die Befristungsdauer von Arbeitsverhältnissen zu reduzieren.“ Ziel ist, die Befristungsdauer von Arbeitsverhältnissen zu reduzieren? Also noch kürzere Laufzeiten der Verträge? Sehen Sie, das ist die Gefahr bei der Formulierung von nichtssagenden inhaltsleeren Schwurbilitäten, die ultratolle Verbesserungen assoziieren, aber nichts Konkretes versprechen sollen – da läuft einem schon mal die Logik aus dem Ruder und geht nach hinten los.

Unsere Ministerin des Bundes ist dabei durchaus Vorbild, wenn sie behauptet: „Mit der Gesetzesnovelle treten wir Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis entgegen und sorgen für mehr Planbarkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs.“ Wie das? Kleinteilige Marginalien, beziehungsweise Formalien, ändern sich, und ganz großartig wird proklamiert, die Befristungen müssten ab jetzt den Zielen der wissenschaftlichen Qualifizierung oder der Laufzeit von Drittmitteln folgen. Ändert dies die Fehlentwicklungen?

In unserer Postille heißt es dazu: „Nach der Gesetzesänderung ist eine Befristung nur noch zulässig, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt.“ Nach dem „wenn“ ist direkt aus dem neuen Gesetz zitiert. Der Tenor ist wieder völlig daneben: Das klingt, als ob der Normalfall „unbefristet“ ist – und die befristete Stelle die absolute Ausnahme. Und jetzt nur noch unter sehr schwierigen Auflagen möglich. Mit der Realität hat das nichts zu tun: Wann haben Sie die letzte unbefristete Stelle für einen WiMi an einer Uni gesehen? Wird schon ein paar Jahrzehnte her sein…

Weiter zur Umsetzung und der vernünftigen Lösung vor Ort – also zu der „Guten Arbeit“. Wie nicht anders zu erwarten (seufz), bringt eine gute Arbeit aus der Verwaltung nichts weiter als mehr schlechte Arbeit für die Wissenschaftler. Glauben Sie nicht? Beleg dafür sind die beiden neuen Formulare: zwei Seiten für die „Qualifizierungsbefristung“ und eine für die „Drittmittelbefristung“. Zusätzlich! Die alten Formulare bleiben natürlich.

Schauen wir zuerst in das kürzere. Dieses Formular soll dafür sorgen, dass ein Arbeitsvertrag nicht länger läuft, als die DFG Geld gibt. Und dass Doktoranden und WiMis als langfristige Perspektive sofort Verträge bis zum endgültigen Ende der Restmittel in drei Monaten erhalten. Auf dieser einen Seite Fragebogen fragt die Univerwaltung Daten über Drittmittel ab, die sie längst hat: „Name des Projektes“ – der ist durch die eigene Kontonummer des Projekts sowieso bekannt, die hat uns die Verwaltung selbst zugeteilt, alle Daten selbst gespeichert. Die interne Kontonummer mussten wir schon immer angeben. „Details zum Antrag“, also Deckblatt, Projektzeitraum, Personenmonate, Bewilligungsschreiben,... – hat die Verwaltung auch alles schon längst. Dann kommen Merkwürdigkeiten, zu denen man nur den Kopf schütteln kann: „Eine pauschale Bewilligung von Mitteln ohne konkrete und nachvollziehbare Zweckbindung reicht nicht aus.“ Haben Sie schon mal von DFG oder woanders einen Glückwunschbrief bekomme, nach dem Motto: „Wir geben Ihnen 100.000 Euro – machen Sie damit, was Sie wollen“? Dann kommt Punkt drei im Formular: „Der/die Mitarbeiter/in wird überwiegend der Zweckbestimmung der Drittmittel entsprechend beschäftigt“ Wie sonst? Das Projekt muss gemacht werden. Für diesen Zweck hat die DFG, respektive der Steuerzahler das Geld gegeben.

Warum also dieser Fragebogen? Jede Wette: Wenn wir den nicht ordentlich ausgefüllt abliefern, erpresst uns die Verwaltung – und stellt die Doktorandin nicht ein. Also schlechte Arbeit für uns. Was sollen diese Fragen? Ist die Verwaltung zu faul, die Daten selbst online anzusehen? Oder in der Nachbarabteilung statt bei uns zu erfragen? Ist die Organisation der Verwal- tung zu kompliziert? Finden die nichts mehr? Dann ist die Verwaltung schlecht organisiert – und wir sind offensichtlich besser strukturiert, finden alles leichter. Ist die Verwaltung zu groß? Zu viele Leute dort, die nichts mehr finden? Oder misstrauen die sich untereinander? Ist es das: Einer liefert Daten, und der andere glaubt ihm die erst mal nicht? Uns misstraut die Verwaltung sowieso und verlangt unter Punkt 4 die Begründung für eine kürzere Laufzeit als die drei Jahre DFG-Zeit, zudem die Projektabschnitte zu beweisen und „… entsprechende Auszüge aus dem Projektantrag beizufügen.“ Solches Misstrauen nennt die Verwaltung dann „Corporate Identity“. Und schafft dazu eigene Stabsstellen.

Oder ist es für die Verwaltung „Gute Arbeit“, wenn sie möglichst viel davon an andere abschiebt? An uns, die wir meinen, uns nicht wehren zu dürfen, weil die Verwaltung uns sonst erpresst und sagt, dann geben wir euch euer eigenes Geld nicht mehr. Der WiMi bekommt dann eben gar keinen Vertrag mehr. Und das lassen wir uns gefallen?

Das andere Formular geht gerade so weiter. Unter den sieben der Verwaltung vorstellbaren Qualifizierungen als Muss-Grund für eine der seltenen Befristungen ist eine auszuwählen, anzukreuzen und zu begründen. Ausführlich natürlich. Ist das anders als vorher? Ja, da hatten wir keine solche Liste, sondern nur eine Zeile für das Qualifizierungsziel. Ohne Begründung. Und ohne den Hauptpunkt 2 „Angemessene Vertragsdauer (maximal bis zum Ende nach §2 Abs.1 WissZeitVG), Begründung zur Angemessenheit der geplanten Vertragsdauer in Bezug auf die angestrebte Qualifizierung“. Solch sinnlosen Quatsch, um unsere Arbeit schlechter zu machen, können sich nur durchgehend erstarrte Bürokraten ausdenken. In der glorreichen Leitlinie „Gute Arbeit“ steht die gesamte Begründung doch schon drin. So auch, dass der Vertrag zur Promotion mindestens zwei bis drei Jahre laufen soll. Ein Glückspilz, wer tatsächlich eine so lange laufende Drittmittelquelle hat.

Überhaupt, der Effekt der genial novellierten Muss-Bestimmung ist natürlich, dass die Einstellung abgelehnt wird, wenn die von uns lieferbaren Daten nicht passen. Neu sind also in dieser Gesetzverfeinerung ein saubereres Erpressungsmuster und deutlich mehr schlechte Arbeit für die Wissenschaftler als Stellenheranschaffer und -vergeber.

Wird denn wenigstens irgendetwas besser für die Stellennehmer? Bessere Verträge für die Doktoranden, Postdocs und AG-Leiter? Natürlich nicht. Wo ist die Verwaltung, die einen Vertrag für einen Postdoc auf drei Jahre macht, wenn nur für drei Monate Geld da ist.

Aber jetzt möchte ich Ihnen die einzige gute Nachricht natürlich nicht verhehlen: Es ändert sich nichts durch das Gesetzesnovelettchen. Das Schlupfloch steckt in Punkt 7. Die dort dargelegte „Qualifizierung für die angewandte Praxis oder anderweitige Qualifizierung, die für eine Karriere innerhalb der Wissenschaft befähigt“ erlaubt weiterhin jegliche Befristungslänge. Damit wird wie bisher ein frisch promovierter Ex-Doktorand ein paar Monate lang für die Jobsuche und die Vorbereitung auf den Übergang zu Hartz IV beschäftigt. Da wir alle in der Forschung ständig neue Methoden anwenden, sind die Begründungen zwangsläufig stimmig und richtig. Wir müssen es jetzt nur langwierig aufschreiben – eben mehr schlechte Arbeit für uns. Das ist alles.

Dazu sagt das BMBF: „Sachgrundlose Befristung wird es künftig nur geben, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künst- lerischen Qualifizierung erfolgt.“ Ach so, es gibt also auch weiterhin sachgrundlose Befristung, wenn auch nur für die eigene Qualifizierung. Sachgrundlos? Die eigene wissenschaftliche Qualifizierung ist anscheinend kein Sachgrund. Eher ein menschlicher Grund?

Das wäre mal wirklich ein „Anstoß in die richtige Richtung“.