Prionen II
von Karin Hollricher (Laborjournal-Ausgabe 4, 2012)
Prionen können zwei verschiedene Konformationen einnehmen, wobei die eine sich Amyloid-ähnlich selbsterhaltend und dominant über die andere verhält. Die Amyloid-ähnlich gefalteten Proteine veranlassen Proteine der gleichen Sorte, sich ebenfalls in diese Konformation umzulagern und gemeinsam Aggregate mit einem hohen Anteil an β-Faltblättern zu bilden. Die meisten Amyloid-bildenden Proteine sind aber keine Prionen – sie haben nicht den infektiösen oder katalytischen Einfluss auf andere Moleküle. Warum und wieso hat bisher niemand verstanden.
Pathogene Prionen können Krankheiten auslösen – BSE bei Rindern, Scrapie bei Schafen, Creutzfeldt-Jakob und Kuru beim Menschen. Auch in den Gehirnen von Patienten mit Alzheimer oder Parkinson findet man die faserartigen Ablagerungen. Andererseits übernehmen Prionen anscheinend auch nützliche Aufgaben, indem sie die Variabilität steigern und so eine leichtere Anpassung an neue Umweltbedingungen ermöglichen. Auf diese Weise können Prionen den Phänotyp eines Organismus ändern, ohne dass dazu eine Mutation in der DNA nötig ist –
per definitionem sind Prionen also epigenetisch wirksame Proteine. Davon jedenfalls ist Susan Lindquist vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Boston, USA, felsenfest überzeugt (
Nature 2012, 482:363-8).
Völlig absurd, meinten viele Wissenschaftler, als Lindquist diese Idee in den 1990er Jahren erstmals formulierte. Viele vermuteten, Hefeprionen seien Artefakte von Laborstämmen. Die Forscherin indes nahm an, sie seien natürlich und weit verbreitet. Damals arbeitete Lindquist an Heat-Shock-Proteinen. Hsp104 entpuppte sich als eine Protein-Disaggregase – es kann denaturierten Proteinen helfen, wieder ihre für die Funktion nötige dreidimensionale Struktur einzunehmen (
Nature 1994, 372:475-8). Es kann aber auch andere Proteine veranlassen, sich in selbst-vervielfältigende Formen umzulagern und amyloide Polymere auszubilden. Eines der von Hsp104 kontrollierten Hefeprionen ist Sup35, ein Translationsterminationsfaktor, der die Translation an nonsense-Codons unterbricht. Sup35 kann zwei Konformationen einnehmen, wobei der Suppressor-Phänotyp [PSI
+] alle Kriterien eines Prions erfüllt: er verhält sich selbst-erhaltend und bildet große, nicht mehr funktionelle Aggregate.
[PSI
+] wurde von dem Genetiker Brian Cox beschrieben (
Heredity 1965, 20:505). Er entdeckte, dass bei Kreuzung von Hefezellen, die entweder rotbraune ([PSI
+]) oder weiße Kolonien ([psi
-]) bilden, nur weiße Tochterzellen auftauchen, und nicht beide Phänotypen. Die Erklärung für dieses seltsame Phänomen fanden Lindquist und Yury Chernoff 1995 (
Science, 268:880). Hsp104 kontrolliert den Phänotyp, indem es Sup35-Proteinaggregate zerschneidet. Die dabei entstehenden kurzen Sup35-Fasern werden auf Tochter- und Mutterzellen verteilt und agieren dort als Vorlage für neue Fasern. Inzwischen hat man die Regulation durch Hsp104 genauer studiert. Bei einem niedrigen Hsp104-Spiegel sind die meisten Sup35 in ihrer löslichen Form, Hsp104 katalysiert dann die Bildung von Prionenfasern. Ist dagegen viel Hsp104 in der Zelle und somit die Konzentration an löslichem Protein gering, wird die Sup35-Prionenbildung unterdrückt (
Science 2004, 304:1793).