Editorial

Pheromonrezeptoren

von Michaela Petter (Laborjournal-Ausgabe 11, 2002)


"Attraktiv, erotisch und erfolgreich mit den Lockstoffen der Liebe" - das verspricht die Anzeige für ein neues Parfum im Internet. Der Trick des aphrodisierenden Duftes? Das Zaubermittelchen enthält Pheromone, laut wissenschaftlicher Definition "chemische Stoffe, die von einem Individuum in die Luft abgegeben werden und das Verhalten, die Physiologie oder die emotionale Stimmung eines anderen Individuums der selben Art verändern." Unwillkürlich fällt einem Patrick Süskinds Romanheld Grenouille ein, der einst aus den destillierten Körpergerüchen von 25 schönen Mädchen ein betörendes Parfum kreierte. Angeklagt des Mordes rettet ihn die Essenz vor dem Galgen, da die tobende Menge in ihm plötzlich das "schönste, attraktivste und vollkommenste Wesen" sieht. Verführt durch Pheromone?

Der Begriff "Pheromon" setzt sich aus den griechischen Worten "pherein" für tragen und "hormaein", anregen, zusammen und wurde 1959 von Peter Karlson und Martin Lüscher geprägt. Die beiden Wissenschaftler wollten die sezernierten Substanzen, die zur Kommunikation zwischen zwei Individuen beitragen, von den Hormonen abgrenzen, welche analog innerhalb eines Organismus Informationen von einem Gewebe an ein anderes übermitteln.

Das erste Pheromon, das chemisch isoliert wurde, war der Sexuallockstoff des Seidenspinnerweibchens, Bombykol (E,Z 10,12-Hexadecadienol). Inzwischen sind vom Schimmelpilz bis zum Vertebraten zahlreiche dieser Kommunikationsstoffe charakterisiert worden. Chemisch umfassen sie zum Beispiel Alkohole, Peptide, Steroide oder Terpenoide. Funktionell gelten Pheromone als Vorläufer der Hormone, oftmals jedoch entstehen beide parallel im gleichen Biosyntheseweg.


Pheromonfalle der Gefühle

Der Mensch macht sich die Wirkung der bewusst und unbewusst wirkenden Substanzen in vielfältiger Weise zu Nutze: beispielsweise bei der Bekämpfung von Borkenkäfern, die, durch weibliche Pheromone angelockt, in Flugfallen gefangen werden. Oder in der Schweinezucht, wo männliche Pheromone dazu genutzt werden, die Trächtigkeitsrate bei Säuen zu erhöhen (der sogenannte "Dosen-Eber"). Ob Pheromone beim Verhalten des Menschen selbst eine Rolle spielen, ist bislang umstritten. Hinweise für ihre Wirkung finden sich zum Beispiel in der Synchronisierung der Menstruationszyklen von Frauen, die in Wohngemeinschaften zusammenleben. Übrigens zeigte eine Studie, dass Männer auf Photographien dargestellte Frauen unter dem Einfluss von weiblichen Pheromonen wesentlich anziehender beurteilten, als wenn sie nicht dem "Duft der Frauer" ausgesetzt waren. Aber Attraktivität aus der Spraydose hin oder her, wie nimmt der Organismus die subtilen Verführer eigentlich wahr?

Während Insekten Pheromonsignale über feine Sinneshaare auf ihren Antennen wahrnehmen, übernimmt bei Mäusen das Vomeronasale Organ (VNO), das an der Basis des Nasenseptums in der vorderen Nasenhöhle liegt, diese Aufgabe. Entfernt man das VNO operativ, so treten Abnormalitäten im Sexualverhalten und im Aggressionsmuster auf. Pheromone aktivieren spezifische Rezeptoren in den sensotischen Neuronen des VNO. Zwei Superfamilien von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren mit sieben Transmembran-Domänen, V1r und V2r, wurden bislang charakterisiert, die wegen ihrer Lokalisation in den Nervenzellen des VNO als heiße Kandidaten für Pheromonrezeptoren gelten. Die einzelnen Mitglieder der Rezeptor-Familien werden jeweils nur in einigen wenigen VNO-Neuronen exprimiert. Wie allerdings die Information von diesen Rezeptoren über die sensorischen Neuronen des VN0 an den Hypothalamus weitergeleitet wird, wo das Sexual- und Aggressionsverhalten gesteuert wird, ist noch umstritten.


Liebe geht durch die Nase

Bis vor kurzem fehlte sogar der funktionelle Nachweis dafür, dass die in der Literatur oft selbstbewusst als Pheromonrezeptoren bezeichneten Proteine überhaupt solche sind. Den Beweis tischte unlängst Karina del Punta auf, die am Rockefeller Institute in New York zusammen mit Peter Mombaerts die Mechanismen der olfaktorischen Wahrnehmung in Vertebraten untersucht. Sie deletierte in Mäusen mit der "chromosome engineering technology" 16 Gene, die für potenzielle Pheromonrezeptoren aus der V1r-Superfamilie kodieren (Nature 419, S.70-73). Obwohl die Knockout-Mäuse auf den ersten Blick nicht von ihren Wildtyp-Artgenossen zu unterscheiden waren, wiesen sie in verschiedenen Verhaltensstudien Defizite auf, die an jene erinnern, die durch die operative Entfernung des VNO ausgelöst werden. Säugende Knockout-Mausweibchen zeigten zum Beispiel eine viel höhere Toleranz gegenüber Eindringlingen in ihr Nest als Wildtyp-Weibchen und waren wesentlich weniger aggressiv. Bei mutierten Männchen war hingegen das Aggressionsverhalten normal, obwohl bei Entfernung des VNO durchaus Veränderungen zu beobachten waren. Allerdings hatten sie, wie die operierten Tiere, keine Lust auf Sex - und das weder mit ihren weiblichen Artgenossen, noch mit gleichgeschlechtlichen Partnern, wie es häufig bei jungen, sexuell unerfahrenen Mäusemännchen zu beobachten ist.

Dass diese Verhaltensmuster auf die fehlenden Pheromonrezeptoren zurückzuführen sind, konnten die Wissenschaftler durch das sogenannte Elektro-Vomeronasogramm beweisen, eine Methode, bei der lokale Feldpotenziale von der Oberfläche des sensorischen Epithels von VNO-Präparationen abgeleitet werden. Bestimmte Pheromon-Stimuli erzeugen in den Neuronen des VNO typische Profile, wodurch das Gehirn (und der Wissenschaftler) zwischen den Pheromonen unterscheiden kann. Die elektrophysiologische Reaktion blieb in den Knockout-Mäusen bei drei von acht getesteten Pheromonen aus, ein Phänomen, dem die Forscher gleich einen Namen gaben: "spezifische Avnosomie" (in Anlehnung an die Anosomie, die bei den Betroffenen bestimmte Geruchseindrücke unmöglich macht). Sie verhindert die Wahrnehmung spezifischer chemischer Signale, wenn ein bestimmter Pheromonrezeptor ausgefallen ist.


Paarung statt Kampf

In Ergänzung zu del Puntas Ergebnissen konnten zwei andere Arbeitsgruppen die molekularen Grundlagen identifizieren, die das Aggressionsverhalten von männlichen Mäusen steuern. Die Teams um Catherine Dulac vom Howard Hughes Medical Institute in Harvard und um Frank Zufall von der University of Maryland züchteten Mäuse, denen ein ganz anderes Gen fehlte: Das Gen für das Protein TRP2. Diese Protein kodiert wahrscheinlich für einen Ionenkanal, der ausschließlich in den Neuronen des VNO exprimiert wird (Science 295, S. 1493-1500; PNAS 99(9), S. 6376-6381).

Männliche TRP2 Knockout-Mäuse nehmen fremde Männchen nicht als Eindringlinge in ihr Revier wahr, sondern als potenzielle Sexualpartner - anstatt sie zu vertreiben, versuchen sie sich mit ihnen zu paaren. Im Gegensatz zu den V1r-Knockout Mäusen tun sie das mit normaler Frequenz. Offensichtlich können sie nur nicht unterscheiden, ob ihr Gegenüber männlich oder weiblich ist, und entscheiden sich im Zweifelsfall für "peace and love" statt für Krieg. Der lonenkanal TRP2 repräsentiert also möglicherweise auch einen Rezeptor, der männlichen Pheromone erkennt, die das Aggressionsverhalten gegenüber männlichen Eindringlingen auslösen. Wie genau der Mechanismus dieses Proteins funktioniert und wie die Wahrnehmung von Pheromon-Gemischen im Zusammenspiel mit den anderen Rezeptoren das Verhalten reguliert, bleibt offen.

Übrigens: das VNO fehlt dem Menschen. Zwar entstehen die Anlagen während der Embryonalentwicklung, es wird aber kein funktionsfähiges Organ ausgebildet. Wie also "riecht" ein Mensch die chemischen Signale seiner Mitmenschen? Oder hat er gar im Laufe der Evolution die pheromonalen Einflüsse gänzlich überwunden?

Wahrscheinlich übernimmt beim Menschen die Nasenschleimhaut die Aufgabe des rudimentären VNO. Zumindest konnte Mombaerts Gruppe dort die Expression immerhin eines genetischen Homologes zu den Mäuse Pheromonrezeptoren nachweisen. Auf die funktionelle Bestätigung allerdings müssen wir in diesem Fall noch warten!



Letzte Änderungen: 20.10.2004