Editorial

Apomixis

von Petra Stöcker (Laborjournal-Ausgabe 4, 2008)


Apomixis
Hans Karl Albert Winkler war ein deutscher Botaniker (1847-1945) und Professor für Botanik an der Universität Hamburg. Nichts Außergewöhnliches soweit. Er schien jedoch darüber hinaus auch eine lyrische Ader zu besitzen.

Ihm hat der biologische Wortschatz den Begriff "Genom" als Neuschöpfung aus Gen und Chromosom zu verdanken. Und mit "Apomixis" (aus dem griechischen "apo" für "hinweg" und "mixis" für "Durchmischung") beschrieb er im Jahre 1908 als einer der ersten die Produktion von Samen ohne Befruchtung mit Pollen (Prog. Rei. Bot. 4; S. 293-454).


Drei Möglichkeiten zur Wahl

Drei Möglichkeiten der Apomixis sind bislang bekannt. Zum ersten die Diplosporie (auch "Apomeiose" genannt). Hier wird die Meiose umgangen und die diploide Embryosackmutterzelle entwickelt sich in einer Art Jungfernzeugung (Parthenogenese) direkt zum Embryo. Bei, zweitens, der Aposporie entsteht der Embryo aus somatischen Zellen aus der Umgebung der Embryosackmutterzelle. In beiden Fällen entstehen Gametophyten, also die geschlechtszellenbildende Generation, lediglich die Reduktionsteilung unterbleibt. Man spricht daher auch von gametophytischer Apomixis.

Bei der dritten Form dagegen, der adventiven Embryonie, wird der Gametophyt nicht gebildet. Der Embryo entsteht direkt aus Zellen des diploiden Sporophyten, so aus Zellen der Hüllschichten der Samenanlage, dem Integument.

Durch diese Formen der ungeschlechtlichen Fortpflanzung entstehen mit der Mutterpflanze genetisch identische Tochterorganismen. Es handelt sich um einen natürlichen Klonierungsprozess. Das mütterliche und väterliche Erbgut wird nicht neu verteilt und die genetische Vielfalt einer Art bleibt gleich.

Das ist für die Pflanzenzucht interessant, da man sich komplizierte Kreuzungen zur Erhaltung von Zuchtlinien spart. Kreuzungen liefern außerdem häufig unfruchtbare Hybriden. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung sichert die Existenz dieser Hybriden und das Sterilitätsproblem entfällt.

Apomixis ist bei wild vorkommenden Pflanzen wie diversen Gräsern, dem Löwenzahn und der Brombeere verbreitet. Männliche Apomixis treibt die Sahara-Zypresse. Hier tragen die Samen die Erbinformation des Pollens, die Eizelle liefert nur Nährstoffe.


Lange bekannt und doch noch nicht verstanden

Das klingt, als ob man viel wüsste über "asexuelle Reproduktion", doch der Schein trügt. Die molekularen Mechanismen sind größtenteils unbekannt. Nach wie vor sind Biologen beispielsweise eifrig damit beschäftigt, Gene der Apomixis-Regulation zu charakterisieren und zu isolieren. So die Gruppe von Maruthachalam Ravi vom Centre for Cellular and Molecular Biology in Hyderabad, Indien.

Zusammen mit seinen Kollegen Marimuthu und Siddiqi nahm er sich die Ackerschmalwand vor und untersuchte das DYAD/SWITCH1 (SWI1)-Gen, das die Anordnung der Chromosomen während der Meiose reguliert. Die Inder fanden heraus, dass Mutationen des Gens eine bestimmte Form der Apomeiose auslösen können (Nature 451; S. 1121-1125).

Die Mehrzahl der von diesen "dyad"- Mutanten abstammenden Arabidopsis-Pflanzen brachten triploide Samen hervor, wobei eine Eizelle den nicht-reduzierten diploiden und der männliche Gamet den haploiden Chromosomensatz beisteuerten. In der Nachkommenschaft bleibt so - charakteristisch für die Apomeiose - die elterliche Mischerbigkeit (Heterozygotie) erhalten. SWI1 ist in der Meiose verantwortlich für den Zusammenhalt der Schwester-Chromatiden und die Ausbildung des Zentromers. Läuft in der Arabidopsis-Pflanze alles nach Plan, entwickelt sich der weibliche, Eizellen-enthaltende Gametophyt aus einer von vier haploiden so genannten Megasporen, die durch meiotische Zellteilung der diploiden Mutterzelle (Megasporozyt) entstanden sind.

Mit einem mutierten SWI1-Gen erfolgt nur eine einzige Zellteilung, wodurch aus dem vierzelligen Stadium zwei diploide Zellen statt vier haploide Megasporen entstehen. Ein mutiertes Allel des SWI2- Gens verursacht nur im weiblichen Gametophyten eine fehlerhafte Entwicklung, auf die Pollenentstehung hat dies keine Auswirkungen.


Treffen der Apomixer

Entsteht nun die triploide Arabidopsis-Nachkommenschaft tatsächlich aus der Vereinigung eines diploiden und eines haploiden Gameten oder durch Polyspermie?

Bei letzterer würden mehrere männliche Keimzellen auf eine einzelne Eizelle treffen. In zweistufigen Kreuzungsexperimenten mit einer weiblichen dyad-Mutante, der Markerzelllinie ET 60 mit einer Kopie eines Kanamycin-Resistenzgens, und Wildtyp-Pflanzen konnten die Wissenschaftler durch die Kanamycin-Resistenz der Nachkommenschaft belegen, dass nach dem ersten Kreuzungsvorgang ein triploider Gametophyt aus einem diploiden mütterlichen Gameten entstanden sein musste.

Apomixis-Forscher treffen sich auf Apomixis-Konferenzen. Die Dritte fand letzten Sommer in Wernigerode statt. Auf diesen Konferenzen wird über den aktuellen Forschungsstand diskutiert, und darüber nachgedacht, wie sich der Prozess der Apomixis auf landwirtschaftlich genutzte Kulturpflanzen wie Reis und Weizen übertragen lässt.





Letzte Änderungen: 02.05.2008