Editorial

dUTPasen („Duts“)

von Mario Rembold (Laborjournal-Ausgabe 12, 2014)


Stichwort

Struktur der viralen dUTPase des Felinen Immundefizienz-Virus (FIV). Illustr.: Laguna Design

Im Schulunterricht lernt man, dass vier Basen für das Speichern genetischer Information in DNA-Molekülen von Zellen und Viren notwendig sind. Und dass es bei der RNA einen kleinen Unterschied gibt: Wo in der DNA Thymin kommt, bevorzugt diese Uracil. Warum die Natur es sich mit dieser einen Base so schwer macht, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls können sich sowohl Uracil als auch Thymin mit Adenin paaren. Doch woher weiß Uracil, dass es nicht in die DNA gehört? Chemisch spricht nämlich nichts dagegen.

Tatsächlich sind Beispiele bekannt, in denen Uracil natürlicherweise in der DNA platziert wird. So enthält die aus dem HIV-Erbgut revers transkribierte DNA einige dieser RNA-Basen. Außerdem gibt es Hinweise, dass Uracil-haltige DNA während der Drosophila-Metamorphose eine Rolle spielen könnte. In den meisten Fällen aber gilt: Uracil hat in der DNA nichts verloren und würde dort die molekulare Maschinerie durcheinander bringen. Die Folge wären fragmentierte DNA-Stücke, und die tun der Zelle gar nicht gut.

Immunmodulatoren...

Dumm nur, dass die meisten DNA-Polymerasen zwischen Uracil und Thymin nicht unterscheiden. Weswegen spezielle Enzyme über die DNA-Synthese wachen. Dort, wo die Desoxy-Variante der Nukleinsäuren produziert wird, kommen dUTP-Pyrophosphatasen oder dUTPasen vor, gern auch kurz und knackig als „Duts“ bezeichnet. Duts entfernen Phosphate aus dUTP-Molekülen und bauen sie so zu einem Monophosphat um. Das entstandene dUMP kann die Zelle dann als Rohstoff für die Herstellung von dTTP verwenden. Duts verschieben also das Verhältnis zwischen dUTP und dTTP in Richtung des DNA-tauglichen Nukleosidtriphosphats.

Wegen der universellen Bedeutung von Thymin als DNA-Baustein geht man davon aus, dass alle zellulären Organismen Duts benötigen. Sogar in den Sequenzen einiger Viren wurden diese Enzyme entdeckt. Drei Familien sind bekannt, von denen die homotrimeren Duts am häufigsten sind. Sie kommen in Prokaryoten, Eukaryoten und Viren vor. Eine zweite Familie bilden die homodimeren Duts; man findet sie bei einigen Protozoen und Bakterien. Funktioniell gibt es Ähnlichkeiten zu den homotrimeren Varianten; so wird das aktive Zentrum beider Dut-Familien von fünf Motiven im Protein gebildet. Anscheinend wurde das Rad hier aber zweimal erfunden, denn Homologien auf Sequenzebene sucht man vergebens. Schließlich sind als dritte Familie noch die monomeren Duts zu nennen. Sie weisen Sequenzhomologien zu den homotrimeren Vertretern auf. Man vermutet, dass letztere die evolutionsgeschichtlich ältere Varianten sind und die monomeren Duts aus der Dreier-Version hervorgingen. Monomere Duts kennt man bislang ausschließlich aus Herpesviren (Curr. Opin. Microbiol. 16(2):163-70).

Wozu aber benötigen Viren ein Enzym, das bereits in den Wirtszellen vorkommt? Von einigen Viren kennt man sowohl Stämme mit, als auch solche ohne Dut-Sequenz; offenbar müssten sie also nicht zwangsläufig ihr eigenes Tool zur Vermeidung des Uracil-Einbaus mitbringen. Anscheinend haben die Duts also noch andere Funktionen. So bindet etwa das monomere Dut des Eppstein-Barr-Virus an den Toll-like receptor 2 der Wirtszelle. Dadurch wird eine Kaskade in Gang gesetzt, die letztlich die Expression von Interleukin 6 auslöst.

US-Virologen wollten nun wissen, ob auch andere Herpesviren Duts nutzen, um immunregulatorische Prozesse ihres Wirts zu manipulieren (Front. Microbiol. 2014; 5: 504). Vier verschiedene Herpesviren hatte sich das Team vorgenommen, und die jeweilige dUTPase isoliert und aufgereinigt. Gaben man eine solche virale Dut in Zellkulturen aus dendritischen Zellen oder peripheren mononukleären Blutzellen, so fuhren diese die Expression zahlreicher proinflammatorischer Zytokine hoch. Dass dieses Signal wirklich über Toll-like-Rezeptoren vermittelt wird, zeigten die Forscher, indem sie diese durch Antikörper blockierten. Danach hatten die viralen Duts keinen Einfluss mehr auf die Zytokinproduktion.

Inwiefern genau die Herpesviren davon profitieren, dass Zytokine hochgefahren werden und das Immunsystem offenbar in Alarmbereitschaft versetzt wird, geht aus den Ergebnissen nicht hervor. Da diese immunmodulatorischen Funktionen aber innerhalb der Herpesfamilie weit verbreitet sind, ist davon auszugehen, dass die Viren ihre Duts zu ihrem Vorteil einsetzen, sich diese Strategie also evolutionsgeschichtlich bewährt hat. Die Autoren erwähnen in diesem Zusammenhang Befunde anderer Kollegen zu einem Herpesvirus der Maus (PLoS Pathog. 7(10):e1002292). Dort halten die Viren mit ihrem Dut ein Interferon in Schach und können sich nur mit diesem Werkzeug effizient in den Lungen der Wirtstiere vermehren.

... und Genregulatoren

Dass dUTPasen nicht bloß von Viren, sondern auch von Eukaryoten für genregulatorische Zwecke herangezogen werden, zeigten Ruiyin Chu et al. bereits 1996 (J. Biol. Chem. 271(44):27670-6). In Leberzellen der Ratte interagiert eine Dut nämlich mit dem Protein PPAR. Dieses wiederum reguliert als Repressor die Expression von Genen, die die Vermehrung von Peroxisomen beeinflussen. Auch beim Menschen gibt es Hinweise auf genregulatorische Aufgaben bestimmter Duts. Eine Variante ist im Zellkern lokalisiert und wird nur dann hergestellt, wenn DNA-Replikation stattfindet. Die andere Isoform kommt in Mitochondrien vor und ist dort permanent vorhanden, unabhängig vom Vermehrungszyklus der Organellen (J. Biol. Chem. 272(30):19072-80).

Auch hier liegt also der Schluss nahe, dass Duts nicht nur für die Degradierung von dUTP benötigt werden.



Letzte Änderungen: 09.12.2014