Editorial

Buchbesprechung

Hubert Rehm




Reinhard Renneberg (mit Viola Berkling und Darja Süßbier): Biotechnologie für Einsteiger

Gebundene Ausgabe: 436 Seiten
Verlag: Spektrum Akademischer Verlag; Auflage: 4., erweiterte und aktualisierte Aufl. 2012 (19. Oktober 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 382743047X
ISBN-13: 978-3827430472
Preis: 39,95 EUR



Geschichten-Erzähler: Biotechnologie für Einsteiger

Nach drei begeisternden Auflagen seines Biotechnologie-Klassikers lässt Reinhard Renneberg in diesem Oktober die bereits vierte folgen. Kann der Prof aus Singapur die hohen Erwartungen erfüllen?

Auch in der 4. Auflage seiner Biotechnologie für Einsteiger halten der Wahlchinese Reinhard Renneberg (RR) und die Grafikerin Darja Süßbier ihr Erfolgsrezept durch: Nutze alle Mittel der Wissensvermittlung, vermeide Langeweile! Das erreichen die beiden mit vielen Bildern, leicht lesbarem Text, Boxen, Karikaturen, Zeichnungen, Fotos und Comics. Kurzum: Abwechslung, Abwechslung, Abwechslung. Das Buch gibt eine Übersicht über die gesamte Biotechnologie, ihre Geschichte, ihre Verwendung, ihre Risiken, ihre industriellen Produktionsprozesse. Es schlägt den Bogen von analytischer Biochemie über Biosensoren, Bierbrauen, Cocktails und Gentherapie bis zu Vaterschaftstests und Zytostatika. Man erfährt, dass die Amerikaner doch Brot backen können, wenn auch nur am Yukon in Alaska; dass man Oliven mit schwacher Natronlauge behandelt, um die Bitterstoffe loszuwerden; und dass es in Stuttgart schon vor dem Krieg Furzelinos gab.

Was verbindet Furzelinos mit Biogas?

Was ein Furzelino ist? Auch das erklärt Renneberg: Es hat mit Biogasanlagen zu tun.

Das Verständnis biotechnologischer Methoden erfordert Kenntnisse der Biologie und Biochemie. Daher führt Renneberg in Molekularbiologie, Genetik, Immunologie, Proteinbiochemie, Endokrinologie, Zellbiologie, Lipidchemie und Zuckerstoffwechsel ein. Alles knapp, meistens klar, oft wunderbar bebildert. Überhaupt: die Bilder! Allein die Titanenleistung, für jede der unzähligen Abbildungen Benutzungsrechte und Reproduktionserlaubnis erhalten zu haben, nötigt dem Rezensenten Bewunderung ab. Denn Renneberg ist ein Augenmensch, aber auch ein Erzähler. Kein Märchenerzähler, aber ein Geschichtenerzähler. Er erzählt die Geschichte seiner Vorfahren, Geschichten aus der ostdeutschen Biotechnologie, die Geschichte von James Watson, von Insulin, der Taxol-Synthese, und und und.

Die Zelle
Zwei typische Illustrationen aus Reinhard Rennebergs neu aufgelegter Biotechnologie. (Abbildungen: Ming Fai Chow (Cartoon); Darja Süßbier)

Ein „Who-is-Who“ der Biotechnologie

Ganz besonders haben es Renneberg die Geschichten des Kulturkatastrophentheoretikers Jared Diamond angetan. Diamond will die unterschiedliche Entwicklung menschlicher Kulturen mittels geographischer Determinanten erklären. Warum beispielsweise die Indianer dem Ansturm der Spanier erlegen sind, warum sie kein Rad entwickelt haben, warum sie eine so geringe Widerstandfähigkeit gegen europäische Seuchen aufwiesen, warum die Europäer nur geringen Erfolg in der Besiedelung Afrikas hatten und so weiter.

Ob Diamonds Erklärungsversuche stimmen, ist fraglich; auch haben sie nur indirekt mit Biotechnologie zu tun. Jedoch: Rennebergs Wiedergabe von Diamond läßt sich lesen und macht dem Leser die Bedeutung der Biotechnologie für die menschliche Kultur klar.

Nicht immer erzählt Renneberg. Wenn es möglich ist, läßt er die führenden Experten erzählen, denn einer allein kann gar nicht so viel wissen, wie in dem Buch steht. Und Renneberg kennt Gott und die Welt und spannt die Götter für sich ein. Biotechnologie für Einsteiger ist denn auch ein „Who is Who“ der Biotechnologie: Jürgen Tautz, Gary Strobel, Ananda Chakrabarty, Stefan Dübel, James Larrick, Werner Arber, David Clark, Erhard Geissler, Oliver Kayser – sie alle und noch viele mehr lachen einem auf Hochglanzpapier entgegen. Wer kennt die Namen all der Herrschaften, die in Reinhards Rahmen kamen? Der Rezensent kannte nicht alle; er hat aber den Eindruck, daß Biotechnologie gute Laune macht.

Renneberg kennt nicht nur jeden, er weiß auch alles. Er weiß sogar von dem geheimnisvollen Wissenschaftskrimi, der zur Zeit als Samisdat unter Eingeweihten und Verschworenen kursiert. Um Gottes Klon heißt das Werk, das sich bisher kein Verlag zu drucken wagte. Es wird seine Gründe haben. Renneberg jedoch bringt einen Auszug. Ganz schön mutig, lieber Reinhard!

Verwandt mit den Bonapartes

Kein Wunder also, dass Biotechnologie für Einsteiger die Konkurrenten hinweggefegt hat. Reinhard Renneberg ist der Napoleon des Biotech-Buchmarkts! Er will auch tatsächlich mit den Bonapartes verwandt sein. Kein Größenwahn, sondern Ergebnis eines Gentests: Renneberg trägt die Y-Haplo­gruppe E3b (M35) und Napoleon besaß E1b1b1c1.

Freilich, auch Napoleon hatte gelegentlich Ärger. So brachten ihn die Guerillataktiken der spanischen Räuber- und Schmugglerbanden in Verlegenheit. Bei Renneberg sind es chinesische Raubkopierer. Schon vor der Veröffentlichung der 4. Auflage von Biotechnologie für Einsteiger sei der asiatische Markt mit Raubkopien geflutet worden, klagte Renneberg dem Rezensenten. „Gab es eine Schwachstelle beim Verlag? Wurde mein Rechner gehackt?“, fragte sich der Autor.

Der Rezensent tröstete Renneberg: Die Chinesen hätten ihm eh nur minimale Lizenzgebühren bezahlt. Er solle den Klau als Kompliment auffassen, das Biotechnologie für Einsteiger in der Tat verdient hat.




Letzte Änderungen: 07.10.2012