Editorial

Buchbesprechung

Julia Dietz




Timo Faltus:
Handbuch Stammzellenrecht – Ein Praxisleitfaden für Naturwissenschaftler, Ärzte und Juristen.

Taschenbuch: 282 Seiten
Verlag: Universitätsverlag Halle-Wittenberg; Auflage: 1 (1. März 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3869770252
ISBN-13: 978-3869770253
Preis: 65,00 EUR

Knifflige Rechtslage - Ratgeber zum Stammzellenrecht

Sie arbeiten mit Stammzellen oder planen dies? Woher wissen Sie, dass Sie nicht schon mit einem Fuß im Gefängnis stehen?

Die Stammzellforschung wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Umso verwunderlicher war es, dass es für Naturwissenschaftler und Ärzte lange keine allgemeinverständliche Darstellung zu den entsprechenden Rechtsfragen gab. Man war auf den für Juristen geschriebenen Kommentar zum Embryonenschutzgesetz von Hans-Ludwig Günther et al. aus dem Jahr 2008 angewiesen. Dieser enthält jedoch kaum Erläuterungen zum Stammzellgesetz. Erst 2011 erschien mit dem Handbuch Stammzellenrecht von Timo Faltus eine auch für Naturwissenschaftler nutzbare Lektüre. Faltus ist Jurist und Biologe. Sein Buch ist eine interdisziplinäre Zusammenstellung praxisrelevanter Fragen und Antworten zur Stammzellforschung sowie angrenzender Fachgebiete.

Unangenehm fällt zunächst auf, dass der Autor auf ein Stichwort- wie auch auf ein Literaturverzeichnis verzichtet hat. Dass Faltus sein Buch nicht wie einen juristischen Gesetzeskommentar aufgebaut hat, sondern sich an den praktischen Bedürfnissen seiner Leser orientiert, verdient dagegen Lob. Er erläutert die Rechtsfragen beim Umgang mit Stammzellen jeweils zell­typ- und tätigkeitsbezogen. Durch diese Gliederung erhält man hilfreiche Antworten, ob und inwieweit das eigene Forschungsvorhaben in Deutschland rechtlich zulässig ist und welche Voraussetzungen zur Forschungsaufnahme gegebenenfalls vorab zu erfüllen sind. Gut gemacht!

Der rechtliche Teil des Handbuchs deckt nicht nur die klassischen Methoden der Forschung an embryonalen und adulten Stammzellen ab, sondern erfasst die gesamte Bandbreite der Stammzellenforschung, die thematisch angrenzende Embryonenforschung und Fortpflanzungsmedizin und die Rechtsfragen der Zulassung von Arzneimitteln auf Basis von Stammzellen sowie der medizinischen Anwendung. Neben den heute in Deutschland rechtlich zulässigen Methoden der Stammzellforschung zeigt das Buch auch die hierzulande verbotenen, im Ausland aber teils zulässigen Methoden der Stammzellgewinnung und erläutert, warum diese in Deutschland verboten sind.

Faltus geht auch auf rechtliche Fragen hinsichtlich der Nutzung tierischer und sogar pflanzlicher Stammzellen ein. Zudem findet der Leser rechtliche Hinweise zur Verwendung weniger bekannter Methoden wie der tetraploiden Embryokomplementierung, der parthenogenetischen Stammzellgewinnung und der Chimären­erzeugung als auch neuerer Methoden wie der Stammzellreprogrammierung. Auch das Patentrecht erläutert er – und warnt, wo potentielle Erfinder und Patentan­melder derzeit vorsichtig sein sollten.


Abgebildet: Aus humanen embryonalen Stammzellen erzeugte retinale Vorläuferzellen. Foto: University of California, Irvine

Praxisnahe Beispiele

Denn schon kleine Änderungen am Versuchsaufbau können eine gegensätzliche Rechtseinschätzung zur Folge haben. So ist das Verwerfen von menschlichen Embryonen im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik (PID) zulässig, deren Nutzung für die Stammzellforschung jedoch verboten und mit Gefängnis- oder Geldstrafe bedroht.

Nicht minder aktuell ist die rechtlich unterschiedliche Beurteilung hinsichtlich des verbotenen Imports embryonaler Stammzellen, die nach dem Stichtag des deutschen Stammzellgesetzes im Ausland gewonnen wurden, und der nach Ansicht des Autors zulässigen Einfuhr von Zelllysaten aus solchen Zellen. Falls deren Import wirklich zulässig ist, könnten dadurch die Regelungen des Stammzellgesetzes zumindest teilweise unterlaufen werden.

Das Kapitel „Internationale Zusammenarbeit“ beschreibt die rechtlichen Voraussetzungen für länderübergreifende Koopera­tionen. Den wenigsten Lesern wird es geläufig sein, dass gerade für an Universitäten angestellte Wissenschaftler Strafen drohen, wenn sie im Ausland an embryonalen Stammzellprojekten arbeiten. Für einen in Deutschland arbeitenden Wissenschaftler kann es sogar strafbar sein, wenn er einen ausländischen Kollegen telefonisch dazu auffordert, im Ausland aus menschlichen Embryonen Stammzellen zu gewinnen!

Aufgrund der Aktualität hätte man ausführlicher auf die Verfahren zur Erzeugung induzierter pluripotenter Stammzellen (iPSC) eingehen können. Andererseits betont der Autor im rechtlichen Teil seines Buches, dass die Rechtsfragen im Bereich der Stammzellreprogrammierung weniger kritisch als im Bereich der embryonalen Stammzellen sind. Insofern ist‘s okay. Gut auch, dass Faltus in seinem betont praxisbezogenen Werk auf die bisweilen notwendigen behördlichen Genehmigungen eingeht. Zudem finden sich spezielle Hinweise für forschende Mediziner, die vor Beginn ihrer Tätigkeit oftmals das Votum einer Ethikkommission einholen müssen.

Ein brauchbarer Ratgeber

Das Handbuch Stammzellenrecht ist ein empfehlenswerter Ratgeber für die mannigfaltigen rechtlichen Fragestellungen und Fallstricke, die gerade bei der Forschung an und mit Stammzellen lauern. Leider kommt das Buch in bester juristischer Bleiwüsten-Tradition gänzlich ohne Abbildungen aus. Trotz der hohen sprachlichen Qualität von Faltus‘ Ausführungen wären in der zweiten Auflage hier und dort Grafiken und Fotos wünschenswert, gerade wenn es um nicht triviale naturwissenschaftliche Inhalte geht. Dennoch: Das Buch ist seinen hohen Preis voll und ganz wert.




Letzte Änderungen: 13.05.2014