Editorial

Buchbesprechung

Hubert Rehm




Cesare Mondadori:
Die Zähne des Paradiesvogels

Taschenbuch: 252 Seiten
Verlag: Springer Spektrum; Auflage: 2014 (30. April 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3642417019
ISBN-13: 978-3642417016
Preis: 19,99 Euro (Taschenbuch), 14,99 Euro (Kindle Edition)

Pharmakologie der Schizophrenie

Der laut Verlag „realitätsnahe Wissenschaftsroman im Spannungsfeld von Hirnforschung, Psychiatrie und Pharmaindustrie“ regte den Rezensenten zum Gähnen an.

Lieber Herr Mondadori!
Ich bin einer der wenigen Leser Ihres Romans Die Zähne des Paradiesvogels, der kürzlich im Spektrum-Verlag erschienen ist. Als Mitglied dieses exklusiven Kreises nehme ich mir die Frechheit, Ihnen unerbetene Ratschläge zu geben. Hier sind sie:

  • Man schreibt Romane nicht in Antragsprosa.
  • Man verwendet so wenig Eigenschaftswörter wie möglich und wenn doch, dann keine farblosen wie „wunderbar“, „total“, „positiv“, „groß“, „klein“.
  • Man benutzt keine obszönen Begriffe wie „Afterparty“, und wenn doch, dann schreiben Sie wenigstens, was bei solch analen Ereignissen abgeht.

Ich gebe zu, von Humor verstehen Sie etwas. Ihre Witze wirken nicht aufgesetzt und manchmal habe ich sogar darüber gelacht. Den mit dem Vegetarier und den Blutorangen haben Sie zwar von mir geklaut, aber geschenkt!

Schlimm ist jedoch, dass Sie sich nicht entscheiden konnten: Sollte das nun ein volkstümliches Lehrbuch über Pharmakologie und Behandlung von Schizophrenie, Depression und Alzheimer werden – oder ein Roman über die sozialen Zustände in der Forschung?

Ersteres ist Ihnen gelungen. Sie haben die Entwicklung einer Demenz und die Pharmakologie der Schizophrenie anschaulich und eingängig dargestellt. Das ist freilich auch leicht, wenn sich, wie Sie schreiben, seit vierzig Jahren, seit Haloperidol und Clozapin, in der Pharmakologie der Schizophrenie nichts getan hat.

Der Romanstoff jedoch, die zwischenmenschlichen Beziehungen und Zustände in der Forschung, stelzen auf dünnen Beinchen daher. Woran mag das liegen? Ein Tipp:

Sie lenken zu oft und zu ausgiebig von der Handlung ab. Einschübe wie das Spiel des FC Basel gegen den SC Nirgendwo, die Funktionsweise von Fender-Twin-Reverb-Kofferverstärkern, die Zubereitung von Ravioli oder die Schwierigkeiten, die beim Transport bestimmter Elektroklaviere auftreten, sind „näbe d’Kapp“. Ob Ihr Held, der Postdok Kern, im Burger-King ein Whopper-Menu verzehrte oder nur eine Portion Fritten mit Ketchup, interessiert auch keine Sau. Derartiges bringt die Geschichte nicht nur nicht voran, es sind Lesestopper.

Kein Wunder also, dass Ihre Geschichte nicht „zieht“. Die Pharmakologie des D2-Rezeptors mag einen Insider fesseln, einen Spannungsbogen hält sie nicht. Die gestelzten Dialoge helfen da auch nicht weiter. So wie Sie schreiben, redet kein Mensch, Herr Mondadori, höchstens ein bekiffter Sozialpädagoge.

Der Spannungsbogen hält nicht

Bevor Sie sich jetzt auf den Stapel Ihrer unverkauften Bücher legen und ein Streichholz zücken, will ich die guten Seiten Ihres Buches herausstreichen. Aus ihrer Forscherprosa, so farblos sie auch wirkt, blinkt das jämmerliche Leben des gemeinen Postdoks heraus: Keine Perspektive, keine Frau, keine Kinder, aber ein Zwölfstundentag – ein Scheißleben. Zu Recht werden die Leute, die sich das gefallen lassen, als kleine Wichser behandelt, die man in den Hintern tritt und auf Afterparties schickt, wenn man sie nicht mehr braucht oder sie unbequem werden.

Gelungen ist Ihnen die Figur des arrogant-unfähig-faulen Professorensöhnchens Gruber, der die Ernte der Arbeit und der Einfälle des Helden Kern einfährt. Allerdings fehlt bei Gruber die Wiener Klangfarbe, und Ihre Schweizer reden, als wären sie als „dütsche Sieche“ aufgewachsen.

Wie heiße Hühnersuppe nach einer Schlittenfahrt ging mir Ihre Darstellung der Zustände in der Pharmaforschung runter. Die haben Sie auf den Punkt gebracht! Ich zitiere:

Weil Restrukturierungen immer von oben kommen, kann man sie nicht verhindern. Hauptgrund ist meistens die Absicherung von Macht. Der Verantwortliche möchte nur vertraute und berechenbare Kaderleute um sich haben. Für die oftmals desaströsen Konsequenzen einer Restrukturierung in Bezug auf den Erfolg der laufenden Projekte wird dann der unerwartete Widerstand gegen deren Implementierung verantwortlich gemacht.

Aber als Dialog ist das unmöglich. Wie gesagt: So redet kein Mensch.

So redet kein Mensch!

Die Wahl zwischen der Biotech-Industrie und einer Universitätskarriere schildern Sie, vermutlich mit Recht, als die zwischen Skylla und Charybdis. Aber Sie drücken sich um eine Lösung. Was ist die Alternative für einen Postdok? Was soll er machen? Empfehlen Sie im Ernst, sich an die akademischen Gremien zu wenden, wenn ihn sein Chef in die Pfanne schlägt? Oh, Sancta Simplicitas!

Das Ende Ihres Romans missfällt mir ebenfalls. Warum haben Sie den Postdok Kern dem Professor Herschkoff (ein schöner Name für einen Lehrstuhlinhaber: nomen est omen) nicht wenigstens einen Rundkolben mit PBS über den Schädel schlagen oder mit einer Pipette die Augen ausstechen lassen? Als Dichter könnten Sie das doch straflos tun.

Herr Mondadori, Sie haben ein Thema aufgegriffen, das die meisten Nachwuchsforscher umtreibt. Aber Sie haben es versemmelt. Der einzige Trost, den ich Ihnen geben kann, ist der: Ich könnte es auch nicht besser.




Letzte Änderungen: 02.04.2015