Editorial

Buchbesprechung

Sigrid März




Reiner Westermeier:
Elektrophorese leicht gemacht: Ein Praxisbuch für Anwender.

Gebundene Ausgabe: 474 Seiten
Verlag: Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; Auflage: 2 (14. September 2016)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3527338926 ISBN-13: 978-3527338924
Preis: 89,90 Euro

Stark unter Strom
Elektrophorese leicht gemacht

Warum Arbeitsgruppenleiter ihren Laboranten und technischen Angestellten dieses Buch kaufen sollten.

Bei „Elektrophorese“ denkt die Rezensentin an bedauernswerte Moleküle, die sich – getrieben von elektrischer Spannung – durch kleinste Poren quetschen. Ein Triathlet im Neoprenanzug, eine zarte Braut im Korsett-artigen Traum in Weiß – so etwas in der Art. Also wirklich eng.

Beim Blick in die 2016 erschienene zweite Auflage von Elektrophorese leicht gemacht wird aber schnell klar, dass olle Agarosegele und die altbekannten SDS-Polyacrylamidgel-Elektrophorese-(PAGE)-Kammern nur ein ganz enger Teil der vielgestaltigen Elektrophorese-Welt sind. Und dabei geht es beileibe nicht immer eng zu.


Foto: FizicksTeacher

Über 25 Jahre nach dem Erscheinen von Elektrophorese-Praktikum hat der promovierte Biowissenschaftler Reiner Westermeier nicht nur die überarbeitete deutsche Version zu Papier gebracht, sondern auch die fünfte Auflage des englischen Pendants Electrophoresis in Practice. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete der Freisinger als Elektrophorese-Spezialist bei Firmen wie Serva (Heidelberg) und Pharmacia/Amersham/GE Healthcare (Freiburg).

So viel Know-how will transportiert werden, ohne dass der Leser gelangweilt einschläft. Westermeier gelingt dies trotz seiner Liebe zum Detail: In allen Kapiteln findet sich viel Hintergrund zu Geschichte und Entwicklung der Techniken; dazu Strukturformeln und Exkursionen in die Physik und Chemie.

In den ersten sieben Kapiteln widmet sich Westermeier den technischen Grundlagen elektrophoretischer Methoden. Was nehmen – Agarose oder Polyacrylamid? Was ist Isotachophorese, was eine isoelektrische Fokussierung (IEF)? Wie komme ich überhaupt an Proteine? Beim Stichwort „Proteinanreicherung nach Wessel und Flügge“ ereilte die Rezensentin gar nervöses Augenzucken, da sie sich schlagartig an unzählige Fällungsversuche im Labor erinnerte. Daher schnell weiter geblättert und nach Antworten gesucht auf die Frage: Wie blotte und detektiere ich Proteine – mittels Coomassie Brillant Blau, Silbernitrat, Fluorophoren oder gar per Isotopenmarkierung?

Jedem Kapitel ist ein ausführliches Quellenverzeichnis mit (aktuellen) Originalarbeiten zur Seite gestellt.

Editorial

Editorial
Ein Praxisbuch? – Und ob.

Es folgt die ausführliche Besprechung von 14 Anwendungen, die fast zwei Drittel des Werks umfasst und somit den Titel als „Praxisbuch“ rechtfertigt. Angefangen mit der „PAGE von Farbstoffen“ über „Hochauflösende Zweidimensional-Elektrophorese“ bis zur „PAGE von DNA-Fragmenten“ lädt der Methodenteil zum Nachkochen ein. Der Experimentator bekommt nicht nur detaillierte Protokolle an die Hand, sondern auch Listen mit Instrumenten, Verbrauchsmaterialien und Chemikalien, alles fein säuberlich mit der Nummer der jeweiligen Methode versehen. Da schlägt jedes TA-Herz höher!

Die Methodenbeschreibungen sind wie folgt aufgebaut: Probenvorbereitung, benötigte Stammlösungen, Zusammenbau diverser Apparaturen, Gießen der Gele und elektrophoretische Trennung, finale Interpretation. Dabei wird jeder Schritt ausführlich beschrieben, auch wenn die Coomassie-Färbung in der vorherigen Methode und der davor ebenfalls bereits erklärt wurde. So funktioniert jedes Protokoll für sich, ohne das man zwischendurch wild hin und her blättern muss.

Zur Veranschaulichung dienen großzügig eingestreute Skizzen sowie Beispielbilder, wie das Ergebnis optimalerweise aussehen sollte. Und da es meistens doch nicht so funktioniert, wie es soll, ergänzt Westermeier seinen Methodenteil mit einer Rubrik für Problemlösungen. Vorgestellt werden Klassiker wie der leere Blot aufgrund falsch angebrachter Strompolung wie auch scheinbare Banalitäten („Wasser auf der Gel-Oberfläche bei der IEF? Abhilfe durch Trockentupfen der Geloberfläche.“ – Aha.)

Dennoch sind diese gut fünfzig Seiten bei der Behebung so manchen Problems ungemein hilfreich. Ein paar erklärende Illus­trationen hätten der Fehlerbesprechung jedoch gut getan. Und die Beantwortung jener Frage, welche die zeitweise frustrierte Rezensentin schon seit Jahren umtreibt: Warum laufen beim Gelegießen mindestens fünfzig Prozent aller Gele aus?

Humor kommt nicht zu kurz

Die vorhandenen Abbildungen – etwa von den diversen Elektrophoreseapparillos oder der gängigen Gel-Gießtechniken – erfüllen ihren Zweck. Besonders erfreulich sind die hier und da eingestreuten Gimmicks. In einer Abbildung zum Beispiel erinnert das zum Beschweren eines Agarose­gels verwendete Gewicht schwer an einen gefüllten Bierkrug. Oder wussten Sie, dass sich für die Positionierung eines immobilisierten pH-Gradienten-Streifens auf der Oberfläche eines SDS-Gels Hoteltürkarten besonders gut eignen? So macht Elektrophorese Spaß.

Dennoch bleibt eine Frage: Wer braucht so ein Buch? Für Studierende und 08/15-Wissenschaftler, die ab und zu mal ein Gel fahren, ist es zu spezifisch. Um es sich einfach nur ins Regal zu stellen, ist es mit knapp 90 Euro hingegen zu teuer. Bleiben besonders Elektrophorese-affine Laboranten und Forscher. Für die jedoch lohnt sich die Anschaffung von Reiner Wester­meiers „Elektrophorese-Praxisbuch“ definitiv.




Letzte Änderungen: 06.02.2017