Buchbesprechung

Juliet Merz

Editorial

Gil d‘Orey, Antonio Sousa Lara:
Viral
Corax Games (2017)
Spieler: 2-5
Sprache: Deutsch,
Preis: früher 49,99 Euro, voraussichtlich bald 35 Euro

Editorial
Ansteckender Spielspaß

Wer das Brettspiel Viral gerne mal ausprobieren möchte, sollte drei Dinge mitbringen: Geduld, Zeit und ein wenig Grips. Ein verträumter Spieleabend mit der einen oder anderen Plauderei zwischendurch ist nicht drin. Denn Viral fordert uneingeschränkte Konzentration – und dann macht es sogar richtig viel Spaß.

In die Rolle eines Virus schlüpfen und dabei einen menschlichen Körper befallen – das Prinzip des Brettspiels Viral von Corax Games klingt einfach, ist es aber nicht. Denn um an die begehrten Viruspunkte zu gelangen, müssen die Spieler Organe infizieren und sogar kollabieren lassen. Wer nach insgesamt sechs Runden die meisten Punkte hat, gewinnt. Dabei arbeiten die unterschiedlichen Viren nicht mit-, sondern gegeneinander.

Erschwerend hinzu kommt die Medizin in Form von Impfstoffen, und auch das Immunsystem des Patienten kann den Pathogenen einen Strich durch die Rechnung machen. Es bedarf also einiges an Geschick, sich im Wirt erfolgreich auszubreiten und ganze Organzonen zu beherrschen. Abhilfe schaffen da die Fähigkeiten der viralen Mitbewohner, zu mutieren und sich hartnäckig im Wirt festzusetzen.

Auf dem großen Spielbrett ist der menschliche Körper in insgesamt fünf Zonen eingeteilt, die aus ein bis drei Organen bestehen. Diese sind hauptsächlich über Arterien und Venen verbunden, die teilweise als Einbahnstraßen das Ausbreiten der Viren verkomplizieren.

Jede Runde ist in sechs Phasen aufgeteilt, in der zum Beispiel die Viren von ihren Besitzern in die Organe verteilt und Mutationskarten gezogen werden, die Entwicklung eines Impfstoffes voranschreitet oder das Immunsystem auf die lästigen Untermieter reagiert. Nach jeder Runde bekommen die Viren-Spieler ihre Zwischenpunkte.

Das Spiel ist für maximal fünf Personen ausgelegt, bei zwei Spielern kommt noch ein imaginärer dritter hinzu. Laut Hersteller können auch schon Kinder ab zehn Jahren mitmachen, die Spielzeit beträgt 60 bis 90 Minuten. Tipp: Sollten Sie das Spiel zum ersten Mal spielen – planen Sie mehr Zeit ein.

Sich Zeit nehmen

Denn Viral ist etwas für Geduldige. Das beginnt schon mit der Spielanleitung: Diese ist üppig und erstreckt sich über 15 nahezu DIN-A4-große Seiten. Dadurch sind die Regeln zwar ausführlich und verständlich erklärt, bis man sie jedoch durchgelesen und verstanden hat, vergeht gut eine halbe Stunde, wenn nicht mehr. Ärgerlich ist, dass trotz kleinlich ausformuliertem Regelwerk dennoch nicht immer klar ist, ob ein spezifischer Spielzug überhaupt gültig ist. Das hemmt den Spielspaß, stiftet Verwirrung und führt zu unnötigen Diskussionen.

Um den Spieler nicht zu sehr an die Anleitung zu binden, geben die Entwickler Hilfestellungen. So sind die sechs Phasen der einzelnen Runden auf dem Spielbrett minimalistisch aber verständlich skizziert und auch die Aktionssymbole auf der vor jedem Spieler liegenden Spielertafel beschrieben.

Neben den Spielertafeln und dem Spielbrett glänzt Viral mit reichlich Spielmaterial. Neben insgesamt 69 zum Teil unterschiedlichen Spielsteinen gibt es noch summa summarum 90 Basis-Mutations- sowie „normale“ Mutations-, Zonen- und Ereigniskarten. Eine haptische Wohltat und der Grund, sich auf einer möglichst großen Oberfläche auszubreiten.

Besonderen Spaß machen die Ereigniskarten, denn sie bringen frischen Wind in den Spielverlauf. So müssen bei der Karte „Großes Geschäft“ etwa alle Viren plötzlich den Dickdarm verlassen, bescheren ihren Besitzern allerdings zusätzliche Punkte.

Viral ist für Strategen. Die Spieler müssen eine Menge Faktoren im Blick behalten, um die meisten Punkte zu ergattern. Für den Anfänger ist das nicht immer einfach, ein geübter Spieler hat es da schon leichter und wird sich dennoch nicht langweilen.

Einen weiteren Pluspunkt erhält der Corax-Games-Abkömmling für die liebevoll gestaltete Optik. Die einzelnen Viren sind dermaßen witzig sowie frech illustriert, und auch das Spielbrett mit den farbenfrohen Organen ist sehr ansprechend. An dieser Stelle sei der mazedonische Illustrator Mihajlo Dimitrievski erwähnt, dem die Spielentwickler das Design zu verdanken haben.

Viral ist ein Spiel mit vielen Stärken und ein paar Schwächen. Das Thema ist unverbraucht, witzig und frech umgesetzt. Leider ist es gerade als Anfänger manchmal schwierig zu verstehen, was man auf dem Spielbrett eigentlich tut oder vielmehr tun sollte. Was zu Beginn wildem Rumprobieren gleicht, entwickelt sich im Laufe der Zeit zum taktischen Wetteifern mit den Gegenspielern.

Dennoch spielt der Faktor Glück eine nicht unwesentliche Rolle – das kann manchmal frustrierend sein, macht das Spiel aber besonders spannend.

Anm. d. Red.: Zur Zeit ist die deutsche Version von Viral nicht lieferbar. Der Grund: Corax Games plant für Juli 2019 eine Crowdfunding-Kampagne, um das Spiel zukünftig günstiger anbieten zu können. Wer nicht warten möchte, kann die englische Version bei unterschiedlichen Online-Händlern erwerben.



Letzte Änderungen: 09.05.2019