Editorial

"Mehr Licht"

Technologietransfer von der Hochschule in die Wirtschaft

Von Florian Becke, Innsbruck


(12.07.2016) Was man bei Biotech-Firmengründungen unbedingt beachten sollte.

Essays
Illustration: Fotolia / freshideas

Die österreichische Start-up-Szene hat in den vergangenen drei Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung, aber auch in ihren Aktivitäten und Erfolgen deutlich an Fahrt aufgenommen. In allen Bundesländern gibt es seit Jahren etablierte Unterstützungsstrukturen, regionale und überregio­nale Wettbewerbe, eine Vielzahl an Informationsveranstaltungen sowie zahlreiche Acceleratoren mit unterschiedlichen technologischen Schwerpunkten. Auch die junge Finanzierungsform Crowdinvesting hat in Österreich sehr erfolgreich Fuß gefasst und etabliert sich langsam als Finanzierungsalternative für Start-ups. Obwohl es sehr aktive Business-Angels und auch zahlreiche Business-Angel-Netzwerke gibt, ist die Szene in Österreich jedoch noch unterentwickelt, und größere Finanzierungen heimischer Start-ups sind eher die Ausnahme.

Umso mehr Aufmerksamkeit und Dynamik verursachten in den vergangenen Jahren österreichische Start-ups, die internationale Finanzierungsrunden (so etwa der Wiener Diabetes-Dienstleister „mySugr“ und der Innsbrucker Krebstherapie-Entwickler „ViraTherapeutics“) und beachtliche Exits (zum Beispiel die Übernahme der Biotechnologiefirma Dutalys durch den Pharmakonzern Roche, des Fitnesszubehör-Anbieters Runtastic durch Adidas sowie des Flohmarkt-Software-Anbieters Shpock durch den Medienkonzern Schibsted) abschließen konnten.

Einzelne Politiker haben das Start-up-Thema aufgegriffen und für sich und die Sache sehr öffentlichkeitswirksam genutzt. So besucht Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer nicht nur regelmäßig das Pioneers-Festival in Wien, sondern wird auch nicht müde, die Bedeutung von Start-ups für die österreichische Wirtschaft zu betonen und sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen und der Fördermöglichkeiten einzusetzen. Es werden auf höchster politischer Ebene Kooperationen mit Start-up-Zentren auf der ganzen Welt abgeschlossen, die es Gründern erleichtern, international Erfahrungen zu sammeln, sich im weltweiten Vergleich zu messen, ihr Business-Netzwerk auszubauen, strategische Partner zu finden und an Ihren Gründungsideen zu arbeiten. Seit der Regierungsumbildung im Mai 2016 bekommt die Gründerszene in Österreich weitere Aufmerksamkeit. Der neue österreichische Kanzler Christian Kern hat die Themen Start-ups und Unternehmertum aufgegriffen und zum Chefthema erklärt.

Die Life-Sciences-Industrie (Biotechnologie, Pharma und Medizintechnik) ist ein kleiner, aber wichtiger Wirtschaftsfaktor in Österreich mit über 800 Unternehmen und einem Umsatz von immerhin 19 Milliarden Euro (2014). Sie wird getragen von rund 480 Medizintechnik-Unternehmen und rund 340 Biotechnologie- und Pharmafirmen. Österreich weist auch ein exzellentes Forschungsfundament auf. Insgesamt 55 Institutionen (16 Universitäten, 14 Fachhochschulen und 25 außeruniversitäre Forschungsinstitute) widmen sich der Life-­Science-Forschung mit insgesamt fast 20.000 Mitarbeitern.

High-Tech-Gründungen in den Lebenswissenschaften weisen zentrale Herausforderungen bei der Umsetzung der Geschäftsidee in werthaltige Produkte und Dienstleistungen auf. Gründungen aus den Life Sciences sind kapitalintensiv, da sie langwierige und teure Forschungs- und Zulassungsleistungen zur Entwicklung der Technologie benötigen und die notwendige Infrastruktur ist an den Standorten oft Mangelware. Erfahrene Manager, Zulassungs- und Finanzierungsexperten für die erfolgreiche Umsetzung von Life-Science-Gründungen sind rar und somit schwer zu bekommen.

Das Rekrutieren von erfahrenem Personal, von Mitgründern und Mitstreitern ist eine zentrale Herausforderung für die erfolgreiche Umsetzung des Gründungsvorhabens. Da zu Beginn kaum Vermögenswerte vorhanden sind, beschränkt sich der Wert des Gründungsprojektes meist auf die große Vision, die Motivation und Erfahrung des Gründerteams und auf die ersten wissenschaftlichen Ergebnisse zur Kerntechnologie. Häufig fehlt jedoch noch ein wirklicher Nachweis („Proof“) der Forschungser­gebnisse, beispielsweise in Form klinischer Daten. In dieser Situation sol­lte ein gutes Team mit heterogenem Erfahrungsschatz (Wissenschaft, Business, Finanzierung und so weiter) das Projekt vorantreiben, damit das große technische Risiko nicht auch noch mit einem Managementrisiko gepaart ist.

Die ersten „Kunden“, die von der Gründungsidee überzeugt werden müssen, sind – neben den FFF (Fools, Friends und Family) – die wirklichen Unterstützer, Partner, Mitgründer und Finanzierer von öffentlicher und privater Seite. In Start-up-Beratungen tummeln sich viele Berater und Einrichtungen, die nur wenig branchenspezifische Erfahrung aufweisen.

„It‘s a people business“ – die Erfahrung, die Netzwerke wie auch die Erfolgs- und Erfahrungsgeschichte („Track-Record“) der Berater in der jeweiligen Branche sollten genau hinterfragt werden. Ein Start-up braucht Know-how und Erfahrung in den unterschiedlichen unternehmensrelevanten Themenschwerpunkten, wie Finanzierung (in den diversen Unternehmensphasen), gewerbliche Schutzrechte, Zulassung, technische Entwicklung und so weiter. Solange sie nicht im Gründungsteam vorhanden sind, müssen sie durch das Umfeld bereitgestellt werden.

Es ist ein großer Schritt, aus der Akademia heraus ein eigenes Unternehmen aufzubauen, und es gibt in den meisten Gründungsteams kaum Start-up-Erfahrung. So ist es ratsam, sich für die zentralen Aufgaben zur Umsetzung der Geschäftsidee (zum Beispiel Finanzierung des Start-ups, Komplettierung des Teams, Erstellung von Unterlagen wie Businesspläne, Investmentpläne etc., Entwicklung tragfähiger Geschäftsmodelle etc.) Unterstützung zu holen. In Österreich wurden seit 2002 in den meisten Bundesländern Gründungszentren für die Unterstützung akademischer Spin-offs aufgebaut (AplusB-Zentren) – mit dem Ziel, den Technologietransfer aus den Hochschulen durch Spin-offs zu stärken und zu verbessern und den Gründergeist an den Hochschulen zu fördern. Seit ihrem Bestehen weisen die AplusB-Zentren eine beachtliche Erfahrungsgeschichte mit zirka 600 gegründeten Unternehmen mit rund 3.400 geschaffenen Arbeitsplätzen auf. Durch die langjährige Unterstützung von Hightech-Unternehmen sind die AplusB-Zentren die zentrale Unterstützungseinrichtung in Österreich für forschungsintensive akademische High-Tech-Gründungsprojekte geworden.

Gründungszentren ermöglichen den Zugang zu wertvollen Netzwerken in die Industrie, zu den institutionellen Fördergebern, den regionalen und überregionalen Finanzierungsnetzwerken; sie sind aber auch wichtige Begleiter und Sparringspartner für die Herausforderung, ein Hightech-Start-up erfolgreich aufzubauen. Für die Kooperation beziehungsweise Unterstützung müssen die Besten gesucht werden! Die große Herausforderung ist es, die besten zehn Prozent zu finden! Wenn das Gründungsprojekt scheitert, fallen meist die Gründer hart, aber nicht die Berater!

Die Forschungseinrichtungen nehmen zu Beginn der Gründung eine zentrale Rolle ein. Die Gründung erfolgt häufig im Umfeld der akademischen Einrichtung (Nutzung der Infrastruktur, technische Geräte, MitarbeiterInnen etc.), die auch für die weitere Forschung und Weiterentwicklung der gründungsrelevanten Technologie genutzt wird. Sie ist meist Eigentümerin der Forschungsergebisse und der darauf angemeldeten Schutzrechte. So besteht zunächst eine große Abhängigkeit gegenüber der Hochschule. Für das Einwerben von Finanzmitteln und die Kooperation mit Industriepartnern müssen zwischen Hochschule und Start-up klare Verhältnisse herrschen. Die Bedingungen für die uneingeschränkte Nutzung der bestehenden und zukünftigen Technologien und Forschungsergebnisse durch das Start-up müssen geklärt sein, sowie die Nutzung der Ergebnisse aus gemeinsamen Forschungsanträgen, die Möglichkeit der Durchführung von Tierversuchen bis hin zum Personal-Sharing (Wissenschaftler und auch technisches Personal, etc.). Klare und frühzeitige Regelungen sind für die dynamische Entwicklung eines Start-ups wichtig! Das benötigt Zeit, da in der Regel mehrere Gremien damit beschäftigt sind und die Erfahrung auf beiden Seiten nicht immer sehr ausgeprägt ist. Umso wichtiger ist es, frühzeitig mit der Hochschule das Gespräch zu suchen, die konkreten Vorstellungen in ein „Termsheet“ zu gießen und die Verhandlungen voranzutreiben, damit die Umsetzung der Gründungsidee nicht an Dynamik verliert.

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Die einzelnen Bundesländer Österreichs haben kleinere Finanzierungsprogramme mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufgelegt, die meist einen geringen Anspruch auf die Innovationshöhe des Projektes haben und nur kleinere Volumen abdecken. Die bedeutendsten Finanzierungsmöglichkeiten von öffentlicher Seite für Hightech-Gründungen sind die Programme der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (etwa „Pre-Seed“, „Seed Programme“, Management auf Zeit) und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG (Basisprogramme, Markt.Start, Research Studios Austria etc.).

Ziele dieser Programme sind die Unterstützung von Hightech-Start-ups bei ihrer Forschungstätigkeit, der Erstellung von Prototypen, der Überführung beziehungsweise Einführung von Produkten in den Markt, die Co-Finanzierung klinischer Studien bis hin zum Aufbau des Unternehmens und der Co-Finanzierung von Managementprofis. Die dafür notwendige Gegenfinanzierung braucht in der Regel einen privaten Investor, der nur durch ein ausgereiftes Konzept, ein kompetentes Team, eine vielversprechende und schützbare Technologie und einem klaren Renditeversprechen zu überzeugen ist. Die Investorenszene in Österreich ist überschaubar, gut vernetzt und in Wien am stärksten ausgeprägt. Die Möglichkeiten der Interaktion mit potentiellen Investoren und die Chancen, das eigene Start-up in Kurzzeit-Präsentationen („Pitching Events“) vorzustellen, sind zahlreich (Pioneers Festival, Austrian Business Angel Day, Business Angel Summit Kitzbühel, „2 Minuten 2 Millionen“ Puls 4 Start-up Show, Co-Investor Pitches der aaia, Pitching Veranstaltungen der AplusB Zentren etc.) und ermöglichen einen raschen Einstieg in die Szene.

Die Investorenlandschaft für Life-Sciences-Start-ups sieht jedoch weit weniger vielversprechend aus. Die Zahl potentieller Investoren mit Erfahrung in den Lebenswissenschaften ist gering und die benötigten Kapitalmengen sind meist nur von institutionellen Anlegern aufzubringen. Entsprechend ist auch eine frühzeitige internationale Orientierung bei der Suche nach Finanzierungspartnern notwendig, die zeit- und ressourcenaufwändig ist und professionell vorbereitet und durchgeführt werden sollte. Die Szene ist klein, „man kennt sich auch international“, und der Ersteindruck ist oftmals entscheidend für weiterführende Gespräche. Die professio­nelle Vorbereitung beinhaltet neben der überzeugenden Technologie ein umsetzungsstarkes Team, einen Plan, was be­nötigt wird (Geldsumme, sonstige Leistungen, Zugang zu Netzwerken, welche zentralen nächsten Schritte damit finanziert werden sollen etc.), und natürlich eine klare Vorstellung darüber, was dafür hergegeben werden soll.

Das Team ist das zentrale Erfolgskonzept für Gründungsprojekte. Je höher der Aufwand und je größer das technische und finanzielle Risiko für das Start-up, desto höher ist die Bedeutung des Teams für die erfolgreiche Umsetzung. Österreich sollte mehr Aufwand betreiben, „High-Potentials“ zu identifizieren und gleichzeitig Start-ups darin unterstützen – über bestehende Programme hinaus – diese zu finanzieren. Damit könnte der Start-up-Szene in Österreich ein nachhaltiger Schub versetzt werden.

Der deutsche Biologe Florian Becke ist in Österreich als Gründungs- und Patentberater mit Schwerpunkt „Life Sciences und gewerbliche Schutzrechte“ tätig.


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Letzte Änderungen: 12.07.2016