Editorial

Überdenken

Patch-Clamp 2.0 – die nächste Generation der Patch-Clamp-Methode

Von José Guzmán, Gaston Sendin und Peter Jonas, Klosterneuburg


(12.07.2017) Die Patch-Clamp-Technik revolutionierte in den achtziger Jahren die Forschung an Synapsen. Mit neuen, verfeinerten Patch-Clamp-Varianten kommen Neurowissenschaftler dem langgehegten Ziel immer näher, die Vorgänge in Molekülen und Zellen mit dem Verhalten von Versuchstieren zu verknüpfen.

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Illustr.: iStock / Akindo

Zehn Jahre nach Einführung der Patch-Clamp-Technik erklärte Fred Sigworth, der Anfang der achtziger Jahre als Postdoc im Labor der Patch-Clamp-Erfinder und Nobelpreisträger Erwin Neher und Bert Sakmann gearbeitet hatte: „Patch-Clamp ist nützlicher als alle erwartet hatten” (1). Durch eine verbesserte Auflösung der gemessenen Ströme von 1 Picoampere (pA) oder darunter eigneten sich die ursprünglichen Patch-Clamp-Konfigurationen hervorragend dazu, Ionenkanäle und Membranrezeptoren zu untersuchen (2).

Zu Beginn war die Methode auf die Erforschung einzelner Neurone und anderer Zellen begrenzt. In den neunziger Jahren wurde sie weiter optimiert und auf ganze Hirnscheiben (Brain Slices) ausgedehnt. Damals charakterisierten Forscher mit ihrer Hilfe Rezeptoren und Ionenkanäle, die an der synaptischen Übertragung exzitatorischer und inhibitorischer Synapsen beteiligt waren.

Mit der ersten Patch-Clamp-Generation etablierten Neurowissenschaftler die heute klassischen Patch-Clamp-Techniken, wie zum Beispiel Excised Patch (Inside-out und Outside-out) oder die Ableitung ganzer Zellen. Beim Excised-Patch-Modus wird ein kleiner Teil der Membran herausgelöst und elektrophysiologisch untersucht. Diese Technik wählen Neurowissenschaftler in der Regel, wenn sie einzelne Kanäle charakterisieren wollen.

Bei der Ableitung ganzer Zellen hat die Pipette Kontakt zum intrazellulären Medium und kann als Schleuse für Farbstoffe, kleine Moleküle oder Gene dienen. Mit dieser Methode lassen sich Spannungs- und Stromstärkeschwankungen über die Membran einer ganzen Nervenzelle untersuchen.

Schon im Verlauf der ersten Patch-Clamp-Generation gab es einige Neuerungen: Die Zell-Ableitung erlaubte die qualitative Detektion exprimierter Gene in Einzelzellen mit der Einzelzell-RT-PCR (3). Bei der Nucleated-Patch-Variante nutzten die Experimentatoren große Outside-out-Patches, die das Cytoplasma und den Zellkern enthielten, um an die perisomatischen Kanäle der Neurone heranzukommen. Obwohl diese Anwendungen damals visionär waren, ging es bei ihnen letztlich doch immer noch um Ionenkanäle und Rezeptoren. Der echte Übergang zu Patch-Clamp 2.0 kam erst, als Neuroforscher versuchten, neu aufgetauchte wissenschaftliche Fragestellungen mit der klassischen Patch-Clamp-Technik zu lösen. Zu diesen zählten zum Beispiel die Rolle neuronaler Kompartimente in komplexen Einzelzell-Berechnungen (Single cell computations), die Identifizierung lokaler Mikroschaltkreise in neuronalen Netzwerken oder der Zusammenhang zwischen Aktivität und Verhalten einzelner Neurone.

Die hieraus entstandene Patch-Clamp-Generation 2.0 umfasst im wesentlichen subzelluläre Patch-Clamp-Techniken, multiple simultane Patch-Clamp-Ableitungen sowie In-vivo-Ableitungen.

Subzelluläre Patch-Clamp-Techniken basieren auf klassischen Patch-Clamp-Experimenten, deren Forschungsgegenstände ­jedoch deutlich kleiner sind. Dank technologischer Entwicklungen bei Mikromanipulatoren, Mikroskopen und der Brain-Slicing-Methode ist es mit ihnen möglich, neue, funktionelle Kompartimente wie Axone und Dendriten zu untersuchen. Insbesondere mechanisch stabile Mikromanipulatoren, mit Pipettenabweichungen von wenigen Mikrometern, erleichtern robuste Messungen kleinster Strukturen. Durchlicht- (Infrarot- und Dodt-Mikroskopie) sowie Fluoreszenz-basierte Mikroskopie-Verfahren, wie zum Beispiel Konfokal- und 2-Photon-Mikroskopie, eröffnen Forschern eine verbessere Sicht auf ihre Proben. Neue Brain-Slicing-Methoden erleichtern schließlich die Untersuchung feiner neuronaler Strukturen.

Diese subzellulären Techniken sind insbesondere für die Analyse neuronaler Sub­kompartimente und der Übertragung von ­Nervenimpulsen (synaptische Transmission) interessant. So gelang es zum Beispiel Forschern mit der Excised patch-Technik (einer subzellulären Variante des Outside-out-Modus) die Kanaldichte entlang der Dendriten zu kartieren. Dieser Durchbruch ebnete den Weg für weitere subzelluläre Patch-Clamp-Experimente, etwa die direkte Messung von Spannungsänderungen an Dendriten mit zwei oder mehr Mikroelektroden.

Diese Versuche führten unter anderem dazu, dass man die vorherrschende Ansicht, der Dendrit wäre eine eher passive Struktur, gründlich überdenken musste. Letztlich entstand hieraus die dendritische Integration als neues Forschungsfeld, und nicht zu Unrecht wurde 1997 zum „Jahr des Dendriten” erklärt (5).

Zudem ergaben Messungen an Axonen, dass deren Initialsegmente (AIS) eine hohe Natriumkanal-Dichte aufweisen. Das AIS spielt vermutlich eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Aktionspotentialen und könnte die zentrale Verarbeitungseinheit des Neurons sein. Mit subzellulärem Patching erhielten Forscher auch Zugang zu den 1 Mikrometer (im Durchmesser) messenden postsynaptischen Endknöpfchen (Boutons) auf sensorischen Haarzellen, die einen Einblick in die Arbeitsweise der sensorischen Ribbon-Synapse gewährten.

Als Elektrophysiologen Mitte der neunziger Jahre subzelluläres Patch-Clampen für die ­Erforschung der synaptischen Trans­miss­ion ein­setzten, änderte sich gerade das experimentelle Paradigma der Synapsenforschung: Es wechselte von der klassischen neuromuskulären Endplatte beim Frosch zu zentralen Synapsen bei Säugetieren. So bietet etwa der als Modell dienende Held'sche Kelch von Säugerzellen sehr viele Vorteile. Es handelt sich hierbei um eine riesige auditorische Synapse mit einem großen präsynaptischen Axonterminal, welches das Signal an einen einzigen postsynaptischen Zellkörper weiterleitet.

Der Experimentator kann beide Elemente gleichzeitig patchen und Wirkstoffe ins Cytoplasma einschleusen, um deren Effekt auf die Neurotransmission zu testen. So existieren zum Beispiel Calcium-Chelatoren, welche die räumliche und zeitliche Ausbreitung von Calcium-Ionen in der Präsynapse einschränken. Ebenso ist es möglich, die Calcium-Konzentration gleichmäßig anzuheben, indem man sogenannte Caged Compounds, wie zum Beispiel DM-Nitrophen einsetzt. Dieses Molekül bindet an Calcium and lässt es wieder frei, wenn man einen ultravioletten Lichtimpuls anwendet.

Die exzitatorische Synapse zwischen der Moosfaser und der CA3-Pyramidenzelle im Hippocampus ist wahrscheinlich die repräsentativste kortikale Synapse, die kürzlich mit subzellulären Techniken untersucht wurde. Obwohl sie noch zu den großen Synapsen gerechnet wird, kann man an ihr prä­synaptische Messungen am Endknöpfchen vornehmen (3-5 µm) und gleichzeitig das postsynaptische CA3-Pyramidenneuron anzapfen. Die Moosfaser-CA3-Pyramidenzell-Synapse zeigt die kanonische Form der präsynaptischen Langzeit-Potenzierung.

Mit dualen Ableitungen fanden Forscher heraus, dass Calcium zwischen seiner Eintrittsstelle und der Fusionsstelle der Vesikel von einem endogenen Puffer reguliert wird (6). Diese Synapse ist die einzig bekannte kortikale Synapse mit einer Eins-zu-Eins-Kommunikation. Sie generiert ein Aktionspotential bei nur einer einzigen präsynaptischen Stimulation, einige Sekunden nach einer hochfrequenten Aktivität (konditionaler Detonator). Aufgrund ihrer Detonations-Eigenschaften, wird die Moosfaser-CA3-Synapse auch die „Lehrer-Synapse” genannt.

Subzelluläre Patch-Clamp-Techniken trugen zu erstaunlichen Erkenntnissen in den Neurowissenschaften bei. So kann sich zum Beispiel ein Aktionspotential, entgegen Cajals Prinzip des Informationsflusses von den Dendriten zum Zellkörper, auch rückwärts fortbewegen – vom Axon zu den Dendriten. Die Bildung von Aktionspotentialen ist demnach nicht nur Axonen vorbehalten – ­Dornenfortsätze (Dendritic Spines) gibt es bei fast allen Nervenzelltypen. Durch axonales Patch-Clampen identifizierten Forscher Ionenkanäle mit sehr schnellen Aktivierungskinetiken und optimalem Energieverbrauch (Nav1.2, Kv1.1 und Kv3.3).

Darüberhinaus schlugen Neurowissenschaftler auf ihrer Basis neue Wege der Informationskodierung (analog vs digital) vor, die das Repertoire möglicher synaptischer Kommunikation zwischen Zellen erweiterten.

Als sich Neurowissenschaftler bei der Untersuchung der synaptischen Transmission von formellen biophysikalischen Herangehensweisen lösten, um auch neuronale Netzwerke miteinzubeziehen, entstand das neue Forschungsfeld der funktionellen Konnektomik. Dieses zielt darauf ab, die Aktivität eines Neurons (seine Funktion) innerhalb seiner Verschaltung (Konnektom) zu untersuchen. Synapsen übertragen die von Zellen abgefeuerten Aktionspotentiale (präsynaptische Seite), die beim Zielneuron (postsynaptische Seite) zu einer Spannungsänderung führen. Simultane Messungen an beiden Neuronen (gepaarte Ableitungen) sind deshalb hervorragend dazu geeignet, mehr über diese funktionellen Verbindungen zu lernen.

Löst der Experimentator ein präsynaptisches Aktionspotential aus, so kann er viele Eigenschaften einzelner synaptischer Antworten, etwa ihre Stärke, die Zahl der funktionellen Kontakte oder ihre Ausschüttungswahrscheinlichkeiten auf biophysikalischer Ebene charakterisieren. Initiiert man eine ganze Reihe von Aktionspotentialen nacheinander, ist es zudem möglich, die zeitlichen Abweichungen der Antwort (Kurzzeit-Dynamiken) auszuwerten. Hieraus erhält man schließlich die synaptische Signatur der funktionellen Verbindung zwischen zwei Neuronen.

Mit gepaarten Ableitungen lässt sich auch das Timing von Aktionspotentialen in zwei Neuronen präzise kontrollieren und die Hebb'sche Lernregel direkt nachweisen. Diese besagt, dass die synaptische Plastizität auf dem gemeinsamen Feuern von zwei Neuronen beruht (7). Hierdurch ist es zum Beispiel möglich, bei Paaren von Pyramidenneuronen aus der fünften Schicht des somatosensorischen Cortex einer Ratte, Plastizitätsänderungen herbeizuführen: Variiert man das Zeitintervall zwischen den Aktionspotentialen der präsynaptischen und postsynaptischen Zellen, so verändert sich die Verbindungsstärke zwischen den Neuronen (8).

Bei verschalteten Neuronen-Paaren führt die natürliche Reihenfolge der Aktivierung (zuerst Präsynapse, dann Postsynapse) zu einer verstärkten synaptischen Antwort, während die umgekehrte Reihenfolge (zuerst Postsynapse, dann Präsynapse) den gegenteiligen Effekt bewirkt. Die Regeln für diese vom Timing der Impulsspitzen (Spikes) abhängige synaptische Plastizität (Spike timing-dependent synaptic plasticity, STDP), fanden Forscher mit Hilfe verbesserter Patch-Clamp-Methoden.

Wagemutige Elektrophysiologen erweiterten die gepaarte Ableitungstechnik, indem sie simultane Patch-Clamp-Pipetten hinzufügten. Das gleichzeitige Patchen (9) mehrerer Neurone im visuellen Kortex lieferte letztlich die funktionellen Verbindungsprinzipien beziehungsweise Motive (10). Die erhöhte Zahl simultan gepaarter Ableitungen hat einen entscheidenden Vorteil: In einer Vierer-Ableitungskonfiguration können sechs gepaarte Konfigurationen getestet werden, was zwölf möglichen synaptischen Verbindungen entspricht. Verwendet man jedoch die gleiche Zahl Elektroden (vier) mit der herkömmlichen Konfiguration gepaarter Ableitungen, sind nur zwei gepaarte Ableitungen möglich (vier synaptische Verbindungen). Gegenwärtig sind zwölf synaptische Verbindungen das Limit für simultanes Patch-Clampen.

Einen modernen Anstrich erhält die Technik, wenn man für die Messung genetisch markierte Neurone verschiedener neuronaler Unterklassen verwendet, die von transgenen Mäusen stammen. Wir leben in spannenden Zeiten, in denen Elektrophysiologen mit einer Symbiose aus Mausgenetik, Fluoreszenzmikroskopie und hochentwickelten Patch-Clamp-Techniken funktionelle Mikroschaltkreise in neuronalen Netzwerken aufdecken.

Klassische Patch-Clamp-Ableitungen von Neuronen in Brain-Slice-Präparaten fanden ohne jegliche visuelle Unterstützung statt. Als diese Methode drohte, in den Hintergrund zu geraten, erlebte sie durch die neuaufkommenden In-vivo-Ableitungen ein Comeback.

Bei In-vivo-Patch-Clamp-Techniken wird ein kleiner Teil des Gehirns freigelegt, um Neuronen des Gehirns „blind”, jedoch mit Hilfe stereotaktischer Koordinaten, anzuvisieren. Diese Technik hat zahlreiche Vorteile gegenüber extrazellulären Verfahren, etwa Lokalfeld-Messungen, Silikon-Sonden oder Tetroden-Messungen. Mit ganzen Zellen lassen sich Aktionspotential-Muster den identifizierten Neuronen eindeutig zuordnen. Ebenso kann man unterschwellige Schwankungen (zum Beispiel postsynaptische Potentiale und Ströme) detektieren und gepatchte Zellen markieren. Noch muss man hierbei einige Abstriche machen: Die Messzeiten sind relativ kurz, die Möglichkeiten pharmakologischer Eingriffe gering und auch das Repertoire zu untersuchender Verhaltensweisen ist derzeit noch sehr überschaubar.

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Trotz dieser Einschränkungen haben sich Neurowissenschaftler einige geniale Neuerungen bei In-vivo-Ableitungen ausgedacht. Besonders beliebt sind gegenwärtig Ableitungen ganzer Zellen in vollständig anästhetisierten Tieren. Die Neuronen der Tiere sind während der Experimente in ihre natürliche Umgebung eingebettet und lassen sich nach dem Einschleusen von Farbstoffen vollständig rekonstruieren.

Kombiniert man In-vivo-Ableitungen mit subzellulären Patch-Clamp-Techniken, so erhält man Zugang zu Dendriten in den äußersten Schichten des visuellen Kortex sowie zu den Axonen der Moosfasern im Kleinhirn. Die Verbindung von In-vivo-Ableitungen mit Lokalfeld-Messungen erlaubt es, lokale Interaktionen zwischen einem Neuron und den umgebenden Schaltkreisen zu verfolgen.

Auch Messungen tiefliegender Hirnstrukturen von Tieren im Wachzustand sind keine Science-Fiction mehr. Diese ermöglichen zum Beispiel Ableitungen kortikaler Neuronen in Ratten, die sich gerade über eine Laufkugelapparatur bewegen oder auf einem geraden Laufband rennen, und dabei entweder tatsächlich vorhandene Reize wahrnehmen oder Reize einer künstlichen Umgebung erfahren.

Obwohl In-vivo-Ableitungen noch in den Kinderschuhen stecken, fanden Neurowissenschaftler mit ihrer Hilfe eine Reihe neuer Zusammenhänge in Nervenzellen. So reagieren zum Beispiel die Dendriten der Pyramidenzellen der Schicht 2/3 des visuellen Kortex der Maus auf spezielle visuelle Reize (11). Die dendritischen Aktionspotentiale entsprechen hierbei selektiv der bevorzugten Reizorientierung. Sie liefern auch immer mehr Beweise dafür, dass CA1-Pyramidenzellen im Hippocampus feuern, wenn ein Tier eine bestimmte Umgebung betritt (Place cells). Dagegen zeigen inhibitorische Neurone des Hippocampus wenig räumliche Abstimmung, obwohl es auch Hinweise darauf gibt, dass Parvalbumin-positive Interneurone im Neokortex auf sensorische Stimuli reagieren.

Von Beginn an regten In-vivo-Ableitungen einige wissenschaftliche Diskussionen an. Eine der faszinierendsten Entdeckungen war die geringe Aktivität in Körnerzellen im Gyrus dentatus, der Eingangsstation des Hippocampus. Diese Zellen können jedoch auch Salven von bis zu 100 Aktionspotentialen pro Sekunde abfeuern. Dies führte zur Hypothese, dass das Körnerzell-Netzwerk die räumliche Information komprimiert. Dieser Mechanismus könnte eine der wirkungsvollsten Verschlüsselungsstrategien des Gehirns sein.

Die präzise Kontrolle der Genexpression und die gezielte Manipulation einzelner Neuronen sowie die Auswertung möglicher Verhaltensweisen versetzt Neurowissenschaftler in die Lage, spezifische Hirnfunktionen einzelnen Zellen zuzuordnen. Mit diesem kombinierten Ansatz sollte es auch gelingen, Ergebnisse von Einzelzell-Berechnungen mit Ergebnissen von Zellpopulationen in Einklang zu bringen.

Das Patch-Clampen wurde entwickelt, um zu verstehen, wie Ionen und Kanäle die Kommunikation zwischen Zellen vermitteln – diese Frage ist heute noch genauso relevant wie vor dreißig Jahren. Obwohl Neurowissenschaftler auf ihrer Reise zum Verständnis der neuronalen Signalverarbeitung viel erreicht haben, ist noch vieles offen.

Eine neue Generation automatisierter Patch-Clamp-Roboter erlaubt das Hochdurchsatz-Screenen von Wirkstoffen und eröffnet neue Perspektiven für die Behandlung von Krankheiten. Diverse Labore entwickeln In-vivo-Patch-Clamp-Verfahren weiter, um die Langstrecken-Projektionen einzelner Neurone anatomisch identifizieren zu können.

Bald wird es mit Patch-Clamp-Techniken und viralen Gentransfektionstechnologien möglich sein, die Konnektome großer Hirnregionen zu untersuchen. Gleicht man diese Kartierungen mit verschiedenen Verhaltensmustern von Tieren ab, die sich frei bewegen, so erhält man ein Bild davon, wie Aktivität in neuralen Schaltkreisen zu Bewegung, sensorischer Verarbeitung und dem Vorausplanen von Handlungen führt.

So nah waren wir noch nie am langgehegten Traum der Neurowissenschaften: Moleküle, Zellen und Verhalten, miteinander zu verknüpfen. Was die Entwicklung der Patch-Clamp-Technik angeht, kann man sich einer Sache relativ sicher sein: Diese Technik wird sich auch in der Zukunft als nützlicher erweisen, als wir es uns derzeit vorstellen können.



Zum Autor

Peter Jonas hat die Patch-Clamp-Technik von der Pike auf als Forschungsassistent in Bert Sakmanns Labor in Heidelberg gelernt. Von 1995 bis 2010 war er Direktor des Physiologischen Institutes der Universität Freiburg. Seit 2010 ist Jonas Professor am Institute of Science and Technology Austria. Dort untersucht er die synaptische Kommunikation in Mikroschaltkreisen des Hippcampus.
José Guzmán ist Postdoc in der Gruppe von Peter Jonas und forscht an der Signalübertragung glutamaterger Synapsen des Hippocampus.
Gaston Sendin ist Neurobiologe und Wissenschaftsjournalist. Sendin ist Autor des Blogs Neurokunst (www.neurokunst.com).



Referenzen

[1] F. J. Sigworth, The patch clamp is more useful than anyone had expected., Fed. Proc., vol. 45, no. 12, pp. 2673–2677, Nov. 1986.
[2] O. P. Hamill et al., Improved patch-clamp techniques for high-resolution current recording from cells and cell-free membrane patches., Pflügers Arch., vol. 391, no. 2, pp. 85–100, Aug. 1981.
[3] H. Monyer and P. Jonas, Polymerase chain reaction analysis of ion channel expression in single neurons of brain slices., in Single-Channel Recording, no. 16, Boston, MA: Springer US, 1995, pp. 357–373.
[4] W. Sather et al., Activation and desensitization of N-methyl-D-aspartate receptors in nucleated outside-out patches from mouse neurones., The Journal of Physiology, vol. 450, pp. 643–672, May 1992.
[5] T. J. Sejnowski, The year of the dendrite, Science, vol. 275, no. 5297, pp. 178–179, Jan. 1997.
[6] N. P. Vyleta and P. Jonas, Loose coupling between Ca2+ channels and release sensors at a plastic hippocampal synapse., Science, vol. 343, no. 6171, pp. 665–670, Feb. 2014.
[7] D. O. Hebb, The organization of behavior: A neuropsychological theory. New York: Wiley, 1949
[8] H. Markram et al., Regulation of synaptic efficacy by coincidence of postsynaptic APs and EPSPs, Science, vol. 275, no. 5297, pp. 213–215, 1997.
[9] S. J. Guzman et al., Synaptic mechanisms of pattern completion in the hippocampal CA3 network, Science, vol. 353, no. 6304, pp. 1117–1123, Sep. 2016.
[10] S. Song et al., Highly nonrandom features of synaptic connectivity in local cortical circuits., PLoS Biol., vol. 3, no. 3, p. e68, Mar. 2005.
[11] S. L. Smith et al., Dendritic spikes enhance stimulus selectivity in cortical neurons in vivo, Nature, vol. 503, no. 7474, pp. 115–120, Nov. 2013.


Letzte Änderungen: 12.07.2017