Ist die Evolutionstheorie noch zu retten?

Fragt Christoph Plieth, Kiel ( ... und Diethard Tautz, Plön, antwortet ab Seite 50.)


Symbolbild: Mann kippt rückwärts von wackeligem Felsbrocken
Illustrationen: Tim Teebken - Bearbeitung Ulrich Sillmann
Editorial

(14.07.2023) Die Evolutionstheorie ist umstritten. Man sollte daher ihre Schwächen in den Fokus nehmen – auch um sie resilienter gegenüber religiös gefärbten und pseudowissenschaftlichen Anfechtungen zu machen. Generell erfahren Theorien breite Akzeptanz und Anerkennung, wenn sie in präziser Sprache verfasst sind, dem Prinzip der minimalen Beschreibungslänge folgen und auf gut nachvollziehbaren „Sets“ mit jeweils wenigen notwendigen und hinreichenden Grundsätzen beruhen. Eine derart strukturierte Evolutionstheorie würde so manches Paradigma ihrer Gegner entkräften.

Um die Antwort auf die Frage im Titel gleich vorwegzunehmen: Ja, natürlich ist noch was zu retten! Aber die Fragen, die hier zunächst beantwortet werden sollen, sind: Warum überhaupt muss sie gerettet werden? Und: Wie gut ist die Evolutionstheorie?

Editorial

Die Frage, die die Evolutionsbiologie schon seit langem mit einer Evolutionstheorie beantworten möchte, ist: „Wie kam es eigentlich zu der ungeheuren Entfaltung von Vielfalt und Komplexität in der belebten Natur, wie wir sie heute erleben?“ Ein echter Durchbruch zur Beantwortung ist nicht in Sicht. Die Dialektik in den Lebenswissenschaften scheint in diesem Punkt vergleichsweise träge zu sein.

Um zu erkennen, wie dringend notwendig eine Beschleunigung insbesondere in der Evolutionsbiologie ist, hilft ein Blick auf ihre offenen Fragen, die zum Teil schon vor Jahrzehnten gestellt wurden. Die Liste ist nahezu endlos. Hier eine kleine Auswahl:

  • Welche Lern- und Rückkopplungsprozesse sind notwendige Antriebsfedern für Evolution?
  • Ist der von Darwin begründete Gradualismus der Zeitgeber im Evolutionsgeschehen oder sind es eher saltatorische Ereignisse? [ – Anm. #01: Natura non facit saltus ?]
  • Bringt die Evolution unter vorgegebenen Umweltbedingungen zwangsläufig immer die gleichen konvergenten Anpassungen hervor? Oder mit anderen Worten: Wie deterministisch ist die natürliche Evolution lebender Systeme?

Diese Fragen und viele weitere liegen dank intensiver Forschung auf dem Tisch [ – Anm. #02: Unbeantwortete und unbeantwortbare Fragen der Evolutionsbiologie]. Aber die Evolutionstheorie trägt erstaunlich wenig dazu bei, sie zu beantworten. Liegt es vielleicht an ihrer Sprache oder an ihrer Struktur?

Einerseits war es noch nie so spannend, sich mit Evolution auseinanderzusetzen: Seit Darwin war die Produktivität der Evolutionsforschung nicht so hoch wie heute. Rasant wächst die Menge neuer Daten und Erkenntnisse aus ganz unterschiedlichen Forschungsfeldern, die die natürliche Evolution der Biosphäre belegen sowie vieles von dem, was Darwin, Wallace und Zeitgenossen bereits erarbeitet haben, bestätigen. Und damit wächst das gesamte Forschungsfeld. Zudem kommen immer wieder neue Denkansätze hinzu, die das, was bisher als unstrittig galt, in optimierter Weise neu zu formulieren und zu ordnen suchen – oder aber komplett in Frage stellen.

Andererseits aber kristallisieren diese Daten, Erkenntnisse und neuen Denkansätze nicht zu einer übersichtlichen und kompakten Evolutionstheorie aus, die in der Lage ist, eine sich über Erdzeitalter entwickelnde Zunahme der Komplexität in der belebten Natur vollumfänglich zu erklären. Es scheint eher die Ameisenhaufen-Metapher zu greifen: Jeder Evolutionsbiologe fügt ein paar Details hinzu – so wie jede Waldameise die eine oder andere Fichtennadel zum Haufen bringt, ohne aber das Gesamtkonzept des Staatenbaus zu überblicken.

Verstärkt wird diese Sichtweise durch die Bestrebungen einiger Forscher, der Evolutionstheorie Raum für immer weitere Entfaltung zu geben (Laland et al., 2015). Eine „Extended Evolutionary Synthesis“ (EES) soll in einem neuen konzeptionellen Rahmen immer weiter wachsen dürfen, um am Ende zusammenfassend erklären zu können, wie die heutige belebte Natur entstand und sich weiterentwickelt. Erklärtes – im wissenschaftlichen Disput allerdings nicht von allen Biologen geteiltes – Ziel ist eine auf unbestimmte Zeit unabgeschlossene Theorie (Laland et al., 2014; www.extendedevolutionarysynthesis.com).

Kräftig mit Sarkasmus gewürzt könnte man behaupten: Da entsteht eine Theorie, die in ihrer Komplexität der belebten Natur in nichts nachsteht. Was ein wenig nach dem Meteorologen klingt, der sich anschickt, hochpräzise Wettervorhersage-Modelle zu programmieren, und sich am Ende erstaunt die Augen reibt, weil die benötigte Rechenzeit für seine „Vorher“-sage der Wartezeit auf das kommende Wetter entspricht.

Doch halt, Sarkasmus beiseite! Was ist überhaupt Komplexität, was ist eine Theorie, was hat beides miteinander zu tun und warum sollte eine wissenschaftliche Theorie besser abgeschlossen sein? Um diese Fragen zu beantworten, ist ein Blick über den Zaun hin zu anderen naturwissenschaftlichen Forschungsfeldern hilfreich.

Ein komplexes System besteht aus vielen Einzelteilen, die nach bestimmten Regeln miteinander in Wechselwirkung treten. Dadurch werden neue Eigenschaften des Systems erkennbar, die sich beim Betrachten seiner Einzelteile nicht ohne weiteres erkennen lassen. Dieses „Erkennbarwerden“ nennt man Emergenz [ – Anm. #03: Definition von Komplexität].

Ein einfaches Beispiel für Emergenz liefert Wasser. Es kann in drei Aggregatzuständen vorkommen. Betrachtet man nur einzelne Wassermoleküle, so kann man nicht unmittelbar erkennen, ob sie als Eis, flüssiges Wasser oder Wasserdampf vorliegen. Erst die Wechselwirkungen vieler Moleküle miteinander lassen Eigenschaften wie Aggregatzustand, Temperatur und Druck erkennbar werden.

Nun ist das eine Ziel einer jeden Naturwissenschaft Erkenntnisgewinn. Dabei geht man auf die Suche nach den Bausteinchen und Regeln, die als Ursachen zu den beobachtbaren Eigenschaften des komplexen Systems, den Emergenzen, führen. Typischerweise wählt der Mensch bei dieser Suche Bausteinchen, die er schon begriffen hat. Komplexe Strukturen und Ursache-Wirkungs-Relationen werden auf bereits verstandene Elemente zurückgeführt. Die Theorie, also die abstrakte Abbildung des realen Systems, dient dann dazu, diese Zurückführung derart in eine prägnante schriftliche Form zu bringen, dass andere, die sich mit demselben Teilgebiet der Naturwissenschaften beschäftigen, das Ganze auch verstehen können. Diese Art der Dokumentation von Erkenntnisgewinn bedarf einer sehr präzisen und zugleich für alle Beteiligten verständlichen Sprache. Neben dem Erkenntnisgewinn an sich ist demnach das andere Ziel einer jeden Naturwissenschaft der Transport und die Verbreitung dieses Gewinns als Allgemeingut.

Jede Theorie muss dabei dem Prinzip der minimalen Beschreibungslänge folgen. Dabei geht es ähnlich wie bei der Komprimierung digitaler Dateien darum, die benötigte Anzahl von Worten oder Zeichen so weit wie möglich zu reduzieren, ohne dabei entscheidende Information zu verlieren. Die schriftliche Form einer guten Theorie ist demnach sehr viel kürzer als die erzählerische Beschreibung des Systems samt Auflistung all seiner Komponenten. Das Ausmaß der möglichen Komprimierung ist dabei abhängig von der Komplexität des von der Theorie abgebildeten Systems. Argumentationskraft und Informationsdichte einer Theorie nehmen mit abnehmendem Umfang zu. Gleichzeitig liefert der Umfang einer perfekten Theorie, die strikt dem Prinzip der minimalen Beschreibungslänge folgt, direkt ein Maß für die Komplexität des von ihr beschriebenen Systems [ – Anm. #04: Komplexitätsmaße].

Der typische Weg zur Dechiffrierung der Komplexität verläuft in den Naturwissenschaften im Idealfall so: Man versucht, beim Vorliegen eines komplexen dynamischen Systems zu erkennen, welches seine elementaren Objekte (Bausteine) sind, welche Eigenschaften sie haben sowie welche einfachen elementaren Wechselwirkungsregeln der Entwicklung des Systems in Zeit und Raum zugrunde liegen [ – Anm. #05: Deskriptive und erklärende Wissenschaft]. Auf diesem Weg folgt man bereits dem Prinzip der minimalen Beschreibungslänge. Das Ziel ist es dabei, neben der minimalen Anzahl an Objekten und Eigenschaften die einfachsten Regeln zu finden, die notwendig und hinreichend sind. Sobald die Suche nach solch einem Set (Objekte, Objekteigenschaften, Regeln und Anfangssituation) erfolgreich beendet ist, kann das komplexe System im wissenschaftlichen Sinn als „verstanden“ oder „begriffen“ gewertet werden. „Hinreichend“ heißt dabei, dass alle gefundenen Elemente des Sets zusammengenommen ausreichend sind, die komplexe dynamische Struktur, um die es geht, zu generieren. „Notwendig“ hingegen heißt, dass kein einziges Element im Set fehlen darf – dass also jedes einzelne Objekt und jede Regel unabkömmlich ist und bei seinem Fehlen die komplexe Struktur nicht entsteht.

Ein Set, das den im Fokus der Forschung stehenden Teil der Natur auf abstrakter Ebene zu generieren vermag, ist letztlich äquivalent zu einer abgeschlossenen Theorie. Eine solche perfekte Theorie ist also frei von Redundanz und weitgehend immun gegenüber Kritik. Für jede abgeschlossene Theorie gilt aber auch, dass sie nur einen sehr kleinen Teil der Natur abbildet – und daher auch nur einen begrenzten Geltungsbereich hat. Wer sie also zum Verständnis eines Teils der Natur nutzt und weitergehende Aussagen daraus ableiten möchte, muss ihre Grenzen gut kennen [ – Anm. #06: Umfang und Grenzen einer Theorie].

Beispielsweise lässt eine Beschäftigung mit „zellulären Automaten“ spielerisch das Prinzip erkennen, mit dem sich auf der Basis weniger kurz gefasster Regeln und einfacher Objekte komplexe dynamische Strukturen aus vorgegebenen Anfangssituationen entwickeln können [ – Anm. #07: Zelluläre Automaten]. In Weiterentwicklung von zellulären Automaten entstanden „digitale Organismen“. Diese nutzt man, um einzelne Aspekte von Evolution zu untersuchen. So kann man simulieren, wie sich Populationen im Laufe vieler Generationen in Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen und Selektionskriterien hinsichtlich Individualeigenschaften, Verhalten und Populationsstärke verändern und anpassen [ – Anm. #08: Digitale Organismen]. Diese einzelnen Aspekte lassen auch den jeweils begrenzten Geltungsbereich deutlich werden, innerhalb dessen weitere Schlussfolgerungen und Hypothesen möglich sind.

Ein weiteres entscheidendes Merkmal einer guten Theorie ist es, dass sie deduktives Denken erlaubt und daher das Aufstellen von Hypothesen über bislang unbekannte Phänomene und nicht messbare Effekte durch logische Schlussfolgerung ermöglicht. Stellt man später mit Hilfe präziserer Beobachtungen und verfeinerter experimenteller Messtechniken fest, dass diese Hypothesen zutreffen, so ist das ein Beweis dafür, dass die Theorie den ihr zugrunde liegenden Teil der Natur korrekt abbildet. Zeitdilatation, Gravitationswellen und das Higgs-Boson sind bekannte Beispiele für solche Beweise aus der Physik.

Eine gute Theorie verlangt wenige Grundaussagen in sehr präziser Sprache. Die Mathematik lebt von dieser Prägnanz: Sie entwickelt auf der Basis sehr einfacher Objekte und Regeln – Axiome genannt – komplexe Strukturen, sogenannte „formale Systeme“. Aus einem überschaubaren Regelwerk, dem Zermelo-Fraenkel-Axiomensystem, lassen sich ganze mathematische Forschungszweige und Theorien wie Algebra, Analysis, Gruppentheorie, Geometrie oder Zahlentheorie entwickeln. Umgekehrt lassen sich Beweise von Aussagen mit großer Tragweite auf dieses Regelwerk zurückführen (us.metamath.org). Es läuft immer nach dem gleichen Schema: Durch das Regelwerk einer formalen Logik treten die vorher definierten Objekte in Wechselwirkung und werden miteinander verknüpft. Durch die Erweiterung des Axiomensystems und der Bildung ganzer Axiomenschemata werden neue Mengen generiert. Diese Mengen spannen Räume höherer Dimensionalität auf und erlauben die Schaffung neuer Objekte höherer Komplexität – mit zum Teil unerwarteten Emergenzen. Letztere lassen neue, prägnante Aussagen zu. Diese Aussagen, Theoreme genannt, sind dann von einer größeren Tragweite als die der Grundaxiome. Zusammenfassend wird ein Grundprinzip erkennbar: die Entwicklung einer Vielfalt und einer Hierarchie von Komplexität einerseits und ihre erklärende Zusammenfassung in einer Hierarchie prägnanter Aussagen andererseits [ – Anm. #09: Die Hierarchie mathematischer Theoreme].

Auch in der Physik kennt man das Prinzip der Fundamentalgesetze, die aus der Erfahrung abstrahierte Axiome darstellen, die sich nicht weiter reduzieren lassen (Eigen und Schuster, 1977). Typische Beispiele dafür sind der Energieerhaltungssatz (erster Hauptsatz der Thermodynamik), die Irreversibilität thermodynamischer Prozesse (zweiter Hauptsatz) und die maximale Lichtgeschwindigkeit.

Zudem gibt es in der Physik einen Zoo von subatomaren Bausteinchen, deren Eigenschaften und Wechselwirkungen man versucht durch einen Satz mathematischer Gleichungen zu beschreiben. Auf diese Weise beginnen Physiker komplexe Zusammenhänge wie die Entstehung und Zusammensetzung der Elemente zu verstehen, um daraus dann schließlich in Erweiterung oder in Synthese mit physikalischen Theorien größerer Skalen eine umfassende Kosmologie und damit den Ursprung unserer materiellen Existenz abzuleiten.

Dieses Prinzip findet sich schließlich auch in der Chemie mit dem Periodensystem der Elemente sowie den Regeln, wie diese Elemente sich miteinander zu komplexen molekularen Verbänden zusammenfügen. Mit eingeschlossen sind die Emergenzen, die schließlich – unter noch zu erforschenden Bedingungen – zu dem führten, was wir „Leben“ nennen.

Auch in der Biologie sind Synthesen und Erweiterungen von Theorien zu finden [ – Anm. #10: Synthesen und Erweiterungen in der Biologie]. Allerdings bringen diese Synthesen und Erweiterungen einen komplizierteren Formalismus mit sich. Je komplizierter aber der Formalismus wird, umso kleiner wird die Gruppe der Menschen, die diesen Formalismus versteht. Das ist ein Dilemma für jede Theorie, die nicht allein dem Erkenntnisgewinn, sondern auch gleichzeitig der Verbreitung dieses Gewinns als Allgemeingut dienen soll [ – Anm. #11: Synthese, Erweiterung und Formalismen in der Physik].

Kommt man damit auf die Evolutionstheorie zurück, so muss man fragen: Hat sie all die oben genannten Eigenschaften, die Qualitätsmerkmale von Theorien in anderen naturwissenschaftlichen Bereichen sind? Ist sie prägnant? Ist sie abgeschlossen? Geht sie aus einem überschaubaren Set fundamentaler, hinreichender und notwendiger Grundannahmen hervor? Erlaubt sie deduktive Schlussfolgerungen und deren experimentelle Überprüfung? Ist sie in einer präzisen, unmissverständlichen Sprache verfasst?

Keine dieser Fragen lässt sich mit einem uneingeschränkten „Ja!“ beantworten.

In Hinblick auf Prägnanz könnte man argumentieren, dass die belebte Natur auf unserem Planeten wohl das mit Abstand komplexeste System ist, das wir kennen. Wenn nun aber der Umfang einer perfekten Theorie ein Maß für die Komplexität des von ihr beschriebenen Systems ist [siehe Anm. #04: Kolmogorov-Komplexität], dann sollte es kein Makel sein, wenn die Evolutionstheorie recht umfangreich ist. Wer wollte aus gefühlt mangelnder Prägnanz schließen, dass sie nicht gut ist?

Das Problem ist aber weniger ihr Umfang, sondern vielmehr ihre Struktur: Erstens liegt keine Abgeschlossenheit vor. Wenn es nach den EES-Befürwortern ginge, dann wird der „Ameisenhaufen“ durch neue Publikationen nur um weitere Nadeln vergrößert. Zweitens wird man bei der Suche nach einem überschaubaren Set eine große Menge von belegbaren Aussagen finden, die die derzeitige Evolutionstheorie stützen. Allerdings hat noch niemand herausgefunden, welche Teilmenge davon hinreichend und notwendig zur vollständigen Erklärung natürlicher Evolution ist. Im Gegenteil: Es gibt eher Zweifel daran, dass bisherige Aussagen wie etwa das Darwinsche Prinzip der natürlichen Selektion ein axiomatisches Fundamentalprinzip der Evolution darstellen (Eigen und Schuster, 1977). Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass in dem, was man zurzeit an Daten und Erkenntnissen hat, noch kein vollständiges Set steckt, das Evolution mit all seinen Facetten zu erklären vermag [ – Anm. #12: Axiomatisierung der Evolutionstheorie I].

Ob die Evolutionstheorie jedoch deduktive Schlussfolgerungen und deren Überprüfung zulässt, wird oft schon aufgrund der Dauer vieler evolutionärer Prozesse angezweifelt. Wenn wir unseren Planeten weiterhin so schonungslos behandeln, wie wir das derzeit tun, dann könnte man daraus folgern, dass es mit der Evolution im Sinne einer Zunahme von Komplexität der belebten Natur sehr bald zu Ende sein wird. Aber andererseits: War da nicht vor rund 65 Millionen Jahren schon einmal ein großer zerstörerischer „Impact“, der dann zu einer beschleunigten Evolution und zur Radiation der Säugetiere führte ... ?

Deduktive Schlussfolgerungen bleiben Hypothesen, solange sie nicht experimentell überprüft und damit verifiziert wurden. Wer nun meint, dass Evolution grundsätzlich zu langsam abläuft, als dass sich Hypothesen innerhalb einer Wissenschaftlergeneration experimentell bestätigen ließen, der irrt: Einzelne Entwicklungen, die mit Evolution und Ökologie in Zusammenhang stehen und über Organismen-Generationen hinweg erfolgen, lassen sich sehr wohl experimentell belegen – wie etwa der Harvard-Biologe Jonathan B. Losos in seinem Buch „Glücksfall Mensch“ gerade erst in unterhaltsamer Weise beschrieben und mit reichlich Quellenmaterial belegt hat.

Hinsichtlich Sprache wird es aber für die Evolutionsbiologie deutlich schwieriger. In der Physik ist die schriftliche Form einer Theorie und damit ihre Sprache immer eine mathematische. Objekte und ihre observablen Wechselwirkungen werden in mathematischen Gleichungen zusammengefasst und erfahren auf diese Weise eine prägnante Niederlegung, sodass die Theorie von allen verstanden wird, die das erforderliche mathematische Rüstzeug besitzen. In der Chemie agiert man mit Strukturformeln und Reaktionsgleichungen, um Interaktionen, Reaktionsabläufe, molekulare Prozesse und die Entstehung neuer Strukturen und Emergenzen plausibel zu machen.

Der Biologie hingegen fehlen solche präzis-stenografischen Werkzeuge. Selbst bei sehr zentralen und scheinbar einfachen Begriffen wie „Leben“ wird heutzutage immer noch um eine präzise und zugleich universelle Definition gerungen (Chodasewicz, 2014) [ – Anm. #13: Definition „Leben“]. Biologen sind bis heute darauf angewiesen, ihre Theorien in umschreibende Worte zu fassen – oder bei der Neuentdeckung einer Emergenz dazu passende (Fach-)Begriffe zu prägen. Das ist das große Manko biologischer Theorien, denn viele (Teil-)Objekte der Biologie und ihre Interaktionen lassen sich nicht ohne Umschweife in prägnante Alltagssprache fassen oder auf bereits begriffene Bausteinchen zurückführen.

Versucht man, all die Dinge aufzuzählen, die natürliche Evolution antreiben, so landet man bei Begriffen wie Diversität, Genpool, Habitat, Konkurrenz, Kooperation, Lernen, logistisches Wachstum, Metabolismus, Mutation, Negentropie, offenes System, Replikation, Resilienz, Rückkopplung, Selektion, Sterblichkeit, Variation, Vererbung und anderen mehr. Vieles davon ist offenkundig notwendig für Evolution, doch gibt es semantische Überlappungen, die diese Begriffe nicht zu eindeutigen und voneinander unabhängigen (disjunkten) Merkmalen für Evolution machen. Dieses Manko an Präzision macht die Formulierung eines minimalen hinreichenden Sets – also unabhängiger Grundannahmen ohne Redundanz – schwierig. Hinzu kommen die Schwierigkeiten von Begriffsdefinitionen und (Fach-)Wortneuschöpfungen [ – Anm. #14: (Fach-)Wortneuschöpfung, Fachvokabular und Neusprech].

Und es exisitieren noch weitere Gründe, die das Tempo in den Lebenswissenschaften drosseln. So neigen Wissenschaftler etwa dazu, sich Denkweisen und Sprache anderer Fachgebiete anzueignen und sie auf die Objekte des eigenen Forschungsbereichs anzuwenden. Das ist an sich ein ganz normaler Prozess, der zu jedem interdisziplinären Austausch in den Naturwissenschaften gehört. Die Hoffnung, damit wissenschaftlich erfolgreicher werden zu können, wird aber getrübt, wenn festgestellt wird, dass es nichts bringt, Denkmuster, semantische Phrasierungen und narrative Bausteinchen unverändert von einem anderen Wissenschaftszweig auf den eigenen zu übertragen (Plieth, 2016). Dieses Phänomen bezeichnete Richard Feynman bereits 1974 spöttisch als „Cargo Cult Science“. Auch der von George G. Simpson (1984) bedauerte Mangel an gegenseitiger Wertschätzung unter interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftlern [ – Anm. #15: Simpson-Zitat], ihre unterschiedlichen (Fach-)Sprachen und weitere, etwa von Robert Reid (1985) beklagte Gründe sorgen für eine verlangsamte Dialektik in den Lebenswissenschaften [ – Anm: #16: Reid-Zitat].

Die vielen offenen Fragen [siehe Anm. #02], zusammen mit der dialektischen Langsamkeit lassen erkennen, dass eine gewisse Neuausrichtung in der Evolutionsforschung wünschenswert wäre. Konkrete Maßnahmen wären ein Wandel hin zu mehr Struktur in der Theorie, eine präzisere Sprache, die im interdisziplinären Miteinander verstanden wird, die Vermeidung von Cargo Cult sowie weniger Platzhirschgebaren und mehr Wertschätzung.

Insbesondere die Frage „Wie deterministisch ist natürliche Evolution lebender Systeme?“ zeigt, dass eine Abkehr von der induktiven und eine Hinwendung zur deduktiven Wissenschaft erforderlich ist, um Antworten zu finden. Damit könnte man sowohl den Weg zu einer immer komplizierteren monolithischen Synthese wie auch den konzeptionellen Rahmen der EES verlassen. Klüger wäre es vielleicht, die Forschung auf kleinere Theorien mit jeweils eng begrenztem Geltungsbereich auszurichten, die spezifische (Teil-)Aspekte der Evolution abdecken. Lassen sie sich jeweils basierend auf einem minimalen Satz von Grundannahmen validieren, dann können sie miteinander kombiniert und vernetzt werden, um so ein tragfähiges Ganzes zu bilden [ – Anm. #17: Aigner-Zitat]. De facto ist also die Rede von einer Art „Axiomatisierung“ und damit einhergehend von einer logischen Struktur und einer Präzisierung der (Fach-)Sprache. Man könnte die oben genutzte Hautflügler-Metapher weiterspinnen und sagen: Der „Ameisenhaufen“ muss sich zu einer „Bienenwabenstruktur“ wandeln, bei der in jeder Wabenzelle eine Theorie mit genau definiertem Geltungsbereich steckt, die einen spezifischen (Teil-)Aspekt von Evolution zu erklären vermag [ – Anm. #18: Axiomatisierung der Evolutionstheorie II].

Eine hierarchisch und vernetzt strukturierte Evolutionstheorie, basierend auf einer axiomatischen Konzeption von Selbstorganisation und Emergenz, wäre auch imstande, so manches Paradigma von Intelligent-Design-Sektierern und Kreationisten, wie zum Beispiel die von Michael J. Behe propagierte „Irreducible Complexity“, ad absurdum zu führen.

Ein echter Fortschritt wird sich vermutlich nur durch die Verbindung unterschiedlicher Denkansätze aus verschiedenen Forschungsfeldern erzielen lassen, die jeweils grundlegende Prinzipien von Evolution offenbaren. Zwei mögliche Denkansätze seien hier abschließend skizziert:

1.) Evolution kann als ein gigantischer Lernprozess verstanden werden. Damit ließe sich erklären, wie ein in Entwicklung begriffenes biologisches System auch mit bisher unbekannten, neuartigen Situationen umgehen und sich diesen anpassen kann. Diese Erscheinung nennt man Resilienz. Sie ist eine Emergenz komplexer Systeme, die auch für uns Menschen immer wichtiger wird [ – Anm.: #20: Evolution als Lernprozess].

2.) Evolution der belebten Natur ist ein großer Selbstorganisationsprozess mit einer Tendenz zu immer höherer Komplexität. Selbstorganisation kann immer als ein Gleichgewicht von positiven und negativen Rückkopplungen verstanden werden [ – Anm. #21: Rückkopplungen, Musterbildung, Selbstorganisation und Gleichgewicht]. Wenn es eine universelle Theorie der Selbstorganisation gäbe, dann wäre die Evolutionstheorie ein auf die Biologie zugeschnittener Spezialfall davon (Lorenzen, 1997).

Die Frage bleibt allerdings, ob man mit dem Ansinnen einer universellen Selbstorganisationstheorie in der Biologie nicht ein Fass aufmacht, das in der Physik mit der Aufschrift „Weltformel – The Theory of Everything“ schon seit vielen Jahrzehnten offen herumsteht – ohne dass abschätzbar ist, wann man den Deckel drauflegen kann.



Portraitfoto Christoph Plieth
Foto: Univ. Kiel

Zur Person

Christoph Plieth ist Physiker und Biologe sowie Dozent für Biophysik und Zellbiologie. Er lehrt Biochemie und Molekularbiologie an der Universität Kiel.


Anmerkungen zu: Ist die Evolutionstheorie noch zu retten?

von Christoph Plieth


Anm. #01: „Natura non facit saltus“

„Die Natur macht keine Sprünge.“ – Das war ein von Charles Darwin mehrfach zitiertes Paradigma der antiken Philosophie. Diesem Gradualismus gegenüber stehen aber neu entdeckte Phänomene wie zum Beispiel die De-Novo-Entstehung neuer Gene und Gen-Translations-Ereignisse von ursprünglich nicht-kodierenden Genabschnitten (van Oss und Carvunis 2019; Ruiz-Orera et al. 2018; Ruiz-Orera et al. 2020). Verbunden damit ist das Erscheinen von Peptiden, die unter Umständen nützliche Funktionen im Organismus übernehmen und damit einen Selektionsvorteil entstehen lassen können (Bornberg-Bauer et al. 2021).

Anm. #02: Unbeantwortete und unbeantwortbare Fragen der Evolutionsbiologie

Viele der von der Evolutionstheorie derzeit noch nicht beantwortbaren Fragen beziehen sich auf das Thema „Erworbene Eigenschaften“. Dazu gehören Fragen, wie zum Beispiel: Können erworbene Eigenschaften auf Dauer vererbbar werden? Wenn ja, welche erworbenen Eigenschaften können es und welche nicht? Wie relevant sind erworbene neue Eigenschaften für die Evolution? Wie schnell erfolgt die (molekulare) Konservierung erworbener Eigenschaften in der Population einer Art? Auf welchen anderen, außer der epigenetischen Ebene, werden erworbene Eigenschaften konserviert? Was ist die Halbwertzeit, gemessen in Anzahl an Generationen, die es braucht, um eine (erworbene) Eigenschaft wieder zu verlieren, wenn der Selektionsdruck darauf ausbleibt? Ist, so wie August Weismann bereits (1893, S. 51) behauptete, ein ständiger Selektionsdruck („Erhaltungsdruck“) zum Erhalt einer (erworbenen) Eigenschaft notwendig? Welches sind die elementaren (Rückkopplungs-)Regeln, nach denen sich eine zwar wandelnde, aber erfolgreiche Selektion der Fittesten ergibt? Genügt es, die Regeln allein zurückzuführen auf Bewegungen und Reproduktion der Organismen in Raum und Zeit sowie ihre Begegnungen mit Artgenossen und mit Ressourcen – so wie es Reaktions-Diffusionsmodelle und Simulationen suggerieren?

Einige dieser Fragen hatte bereits Darwin aufgeworfen. Sie führten zu lang anhaltendem und oft unnötig erbittertem Disput (siehe etwa Spencer-Weismann-Kontroverse (Mitchell 1894)). Darwin beschäftigte sich auch mit Fragen zur Konvergenz, zum Funktionswechsel und zur Homologie von Körperteilen – ob also im Rahmen einer Anpassung Eigenschaften durch Weiterentwicklung einer rudimentär bereits vorhandenen Eigenschaft erworben wurden und inwieweit rezent rudimentäre Eigenschaften als Rückbildungen zu interpretieren sind, weil der Selektionsdruck darauf ausgeblieben ist (Darwin 1876, 875 ff.). Konkret könnte man sich zum Beispiel fragen: Ist der kurze Schwanz innerhalb der Gruppe der Nagetiere (siehe Hamster, Meerschweinchen, Hase, Kaninchen) eine Rückbildung in Anpassung an den Lebensraum, oder erfolgte die Entwicklung eines langen Schwanzes (Mäuse, Ratten, Biber, Eichhörnchen) als Anpassung ausgehend von Vorfahren mit kürzerem Schwanz (Antoine et al. 2012)?

Andere derzeit noch offene Fragen beschäftigen sich mit der Evolution komplexer Verhaltensmuster (Tierney 1986): In welcher Weise werden angeborene, also nicht erlernte, komplexe Verhaltensmuster vererbt? Inwieweit sind Gene nicht nur notwendig, sondern auch hinreichend für die Ausprägung komplexen Verhaltens? Konkret könnte man fragen: Haben Webervögel Gene für den vollständigen Bauplan ihrer kunstvollen Nester? Tragen Zugvögel oder über lange Strecken wandernde Insekten oder Fische genetische Information über ihre Wanderrouten mit sich? Ergibt sich das Schwarmverhalten von Fischen, Vögeln und Insekten aus ihrem Genom? Was befähigt die Kreuzspinne zum Bau eines funktionellen Radnetzes von derart hoher Symmetrie?

Speziell zur Artbildung innerhalb desselben Lebensraums, also zur sogenannten sympatrischen Speziation und zur adaptiven Radiation, gibt es noch kontroverse Debatten. Diese Debatten wurden ursprünglich initiiert von Ernst Mayr, der nur die allopatrische Artbildung, also die in geografisch getrennten Lebensräumen, für möglich hielt (Wolinsky 2010). Neuere Denkansätze, wie zum Beispiel Variationen in der Entwicklung (Ontogenese) der Individuen als Motor der Artbildung zu sehen (West-Eberhard 2005) haben die Diskussion zur sympatrischen Speziation beflügelt, können aber dennoch das Phänomen nicht abschließend erklären.

Auch der interspezifische horizontale Gentransfer (HGT), der manchen Organismen einen Nachteil, anderen indes einen Vorteil bringt, sowie im Rahmen einer Symbiose manchmal auch beiden betroffenen Organismen zugleich nützt, kann in seiner Relevanz als Faktor, der die Evolution höherer Komplexität katalysiert, noch nicht abgeschätzt werden. Dennoch ist klar, dass der HGT einige liebgewordene Denkmuster sowohl der Evolutionsbiologie als auch der Systematik, wie zum Beispiel den von Haeckel (1879b) postulierten Stammbaum des Lebens (Haeckel 1879a, Abbildung) in Frage stellt (Smets und Barkay 2005).

Schließlich sind auch ältere und grundsätzlichere Fragen noch nicht vollständig beantwortet, wie zum Beispiel: Ist es wirklich allein der Zufall, dem jegliche Neuerungen in der Evolution der Biosphäre zugrunde liegen (Monod 1971)? Ist die durch Mutationen stetig erweiterte Vielfalt im Genpool wirklich notwendig für Evolution? Welches sind denn nun die elementaren Bausteinchen der Evolution – sind es die Gene eines jeden Individuums oder eher die Allele einer Population (Reid 1985, S. 25)?

Anm. #03: Definition von Komplexität

Eine präzise Definition von Komplexität ist schwierig und kann nicht allein auf Emergenz zurückgeführt werden. Es gibt verschiedene Definitionen, die jeweils andere Aspekte von Komplexität mit einbeziehen (Ladyman und Wiesner 2020).

Anm. #04: Komplexitätsmaße

Wenn man die Text- oder Ziffernlänge der kürzesten Beschreibung eines Systems als Maß für seine Komplexität nimmt, dann spricht man von „Kolmogorow-Komplexität“ (Kolmogorov 1968). Wird jedoch die Informationsdichte der Theorie, das heißt ihr Informationsgehalt pro Textlängeneinheit, als Maß für die Komplexität herangezogen, so wird diese als „Shannon-Entropie“ bezeichnet. Grundlage ihrer Berechnung ist die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Zeichen an einer bestimmten Stelle in der Zeichenfolge auftritt (Adami et al. 2000). Die „Shannon-Entropie“ könnte also auch als Qualitätsmaß für eine Theorie herangezogen werden.

„Kolmogorov-Komplexität“ und „Shannon-Entropie“ sind konzeptionell verschiedene Maße. Dennoch scheinen sie beide hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit zur quantitativen Bestimmung von Komplexität bis zu einem gewissen Grad gleichwertig zu sein (Teixeira et al. 2011). Andere Komplexitätsmaße konzentrieren sich auf verschiedene weitere Merkmale komplexer Systeme (Ladyman und Wiesner 2020; Wiesner und Ladyman 2020).

Anm. #05: Deskriptive und erklärende Wissenschaft

Die Entwicklung von Theorien geht mit einem Übergang von der beschreibenden zur erklärenden Wissenschaft einher. Insbesondere die Evolutionsbiologie folgt im Wesentlichen dem induktiven Denken. Sie nutzt Naturbeobachtungen und experimentelle Ergebnisse zur Generierung einer Theorie. In früheren Jahrhunderten waren die Naturwissenschaftler weitgehend mit der beschreibenden Wissenschaft beschäftigt. Sie stellten umfangreiche Tabellen zusammen und gaben den Objekten ihrer Forschung – wie etwa astronomischen Objekten, Mineralien oder Tier- und Pflanzenarten, ... – Namen und ordneten sie in Taxonomien und Systematiken. Berühmte Persönlichkeiten wie Tycho Brahe, Carl von Linné, Antoni van Leeuwenhoek und Maria Sybilla Merian sind nur einige von vielen beschreibenden Wissenschaftlern. Die Fragen „Wie?“ und „Warum?“ lagen jedoch schon immer in der Luft. Es wurde nach Erklärungen und Ursachen für die Beobachtungen in der Natur gesucht, man wollte die Zusammenhänge verstehen und buchstäblich begreifen. Aus diesem Bestreben heraus entstanden wissenschaftliche Theorien, die schließlich zu einem Übergang von der beschreibenden zur erklärenden Wissenschaft führten – und damit auch von einer induktiven zur deduktiven Denkweise.

Anm.: #06 Umfang und Grenzen einer Theorie

Es gibt abgeschlossene Theorien, die einen Teilbereich der Natur vollumfänglich beschreiben und dabei die Mechanismen, die hinter den gemachten Naturbeobachtungen und Phänomenen stehen, innerhalb ihres Geltungsbereichs in wenigen einfachen Regeln zusammenfassen und damit auf präzise Weise verständlich machen. Insbesondere sind die Theorien der Physik von dieser Art. Ein typisches Beispiel ist etwa die Theorie der idealen Gase, die sich durch die thermische Zustandsgleichung idealer Gase, die Druck, Temperatur und Volumen zueinander in Relation bringt, in einer Zeile zusammenfassen lässt. Die Theorie der klassischen Elektrodynamik, die sich in einem „Set“ von vier Maxwell-Gleichungen kristallisiert hat, ist in der Lage, alle Phänomene des Elektromagnetismus zu beschreiben. Eine perfekte Theorie ist also immer prägnant und ausschließlich fokussiert auf den von ihr beschriebenen Teilaspekt der Natur.

Außerhalb der Grenzen ihres Geltungsbereichs hat eine Theorie keine Erklärungs-Kompetenz. Gleichzeitig sind diese Grenzen aber auch zwingend notwendig, weil es möglich sein muss, eine Theorie infrage zu stellen und durch geeignete Experimente oder Beobachtungen zu stützen oder zu falsifizieren. Eine offene Theorie lässt sich nicht überprüfen, weil bei der Prüfung immer das Argument im Raum steht, dass zur Validierung oder Falsifizierung noch etwas Entscheidendes fehlt. Was dann bleibt, sind Heuristik und Hypothesen.

Die Evolutionstheorie versucht, die Prozesse, die zu einer Zunahme der Komplexität in der belebten Natur führen, zu erklären. Es geht also um Biogenese. Wie aber diese laufenden Prozesse dereinst ins Rollen kamen, muss durch eine andere Theorie beantwortet werden, bei der es um Abiogenese oder chemische Evolution geht. Eine Grenze der biologischen Evolutionstheorie ist also dort, wo es um die Fragen geht: Wie entstand Leben auf diesem Planeten, und welche Voraussetzungen waren gegeben für den Sprung von unbelebter zur belebten Natur? Eine Evolutionstheorie wird diese Fragen nie beantworten können, weil sie außerhalb ihrer Erklärungs-Kompetenz liegen. Diese Grenze würde jedoch verschwinden, wenn es gelänge, eine allgemeine Theorie zu entwickeln, die jede Art der Komplexitätszunahme von sich selbst organisierenden Systeme zu erklären vermag. Dann wären Biogenese (biologische Evolution) und Abiogenese (chemische Evolution) nur zwei Spezialfälle ein und derselben Theorie, oder die allgemeine Theorie wäre vielleicht eine Synthese aus beiden.

Anm. #07: Zelluläre Automaten (ZAs)

ZAs sind anschauliche Beispiele für übersichtliche „Sets“, die zum Verständnis von Emergenz und Komplexität beitragen können (Wolfram und Gad-el-Hak 2003). Das berühmteste Beispiel ist Conways „Game of Life“ (https://playgameoflife.com, http://conwaylife.com) (Gardner 1970; Wolfram 2021). Zweidimensionale ZAs können auch zur Simulation von Räuber-Beute-Beziehungen verwendet werden (Chen 2009; Gabis 2012; Matveev 2005). Für die Simulation von Prozessen höherer Komplexität wäre es jedoch erforderlich, neben den Zuständen der Nachbarzellen auch den Einfluss zusätzlicher Umweltfaktoren zu berücksichtigen (Chen 2009). Solche Modelle müssten dann aus Matrizen mit Zellen oder Partikeln bestehen, denen anstelle von diskreten Zuständen kontinuierliche, skalierbare Parameter zugewiesen werden und die ständig mit „Nahrung“ versorgt werden, um sie dissipativ und weit vom Gleichgewicht entfernt zu halten. Spezielle ZAs können in begrenztem Umfang auch logistisches Wachstum simulieren (Schmickl et al. 2016; IZGartlife 2016)(https://www.youtube.com/watch?v=makaJpLvbow).

Anm. #08: Digitale Organismen

Die Objekte von zellulären Automaten, die die Untersuchung grundlegender Mechanismen natürlicher Evolution ermöglichen, nennen sich „digitale Organismen“. Deren Entwicklung in einer dreidimensionalen Welt mit simulierten physikalischen Eigenschaften wurde bereits in den frühen 1990er Jahren von Karl Sims untersucht (http://www.karlsims.com) (Sims 1994a, 1994b). Erste Versuche, die „Ziellosigkeit“ der natürlichen Evolution zu modellieren, fanden sich in Tabletop-Solitaire-Spielen wie „Darwin Pond“ von Jeffrey Ventrella (2004). Andere Autoren entwickelten „digitale Organismen“, die grob gesagt nichts anderes sind als kleine Programme, die parallel im Computer laufen und um Ressourcen wie Speicher und CPU-Zeit konkurrieren. Neben „Tierra“ ist „Avida“ ein Beispiel für ein Modellprojekt, in dem versucht wird, die natürliche Evolution mit „digitalen Organismen“ zu simulieren (Lenski et al. 2003; Chow et al. 2004; Adami et al. 2000) (hhttps://avida-ed.msu.edu/avida-ed-application). Weder im „Darwin Pond“ noch bei den „digitalen Organismen“ lässt sich eine maximale „Fitness“ als primäres „Ziel“ des Spiels finden. „Fitness“ ergibt sich automatisch aus der Anhäufung von Merkmalen, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg begünstigen. Diese Ansammlung von vorteilhaften Merkmalen wird in diesem Zusammenhang zum Synonym für „Fitness“.

In jüngerer Zeit wurden digitale Organismen entworfen, die ein kleines Genom und ein minimales neuronales Netzwerk haben (Miller 2020; The Bibites: Digital Life 2019). Allein durch die Einstellung von Parametern wie Genomgröße, Mutationswahrscheinlichkeit und Neuronenverdrahtung können einzelne Aspekte der Evolution, wie adaptives Verhalten und Populationsdynamik als Reaktion auf spezifische und sich ändernde Umweltbedingungen, untersucht werden. Auch „Systemoffenheit“, die durch Gradienten-getriebene Energie- und Massenflüsse gekennzeichnet ist, kann je nach Zielsetzung mit digitalen Modellen berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden Modelle von selbstorganisierenden und sich entwickelnden dissipativen Systemen immer weiter entwickelt (Lehman et al. 2020). Insgesamt ist diese Art der Modellierung aber noch viel zu einfach, um das gesamte Spektrum natürlicher Evolution zu simulieren. Dennoch gibt es gute Gründe, digitale Organismen zu verwenden, um zumindest einzelne Aspekte wie zum Beispiel adaptives Verhalten, zu untersuchen und daraus eigenständige Theorien abzuleiten, die diese Aspekte erklären (Ofria et al. 2009; Miller 2020). Stimmen Simulationen eines (Teil-)Aspektes von Evolution mit den zugehörigen Naturbeobachtungen überein, dann hält man bereits ein elementares „Set“ an Objekten und Regeln in der Hand. Davon ausgehend kann man dann durch Variation des „Sets“ überprüfen, ob es für das beobachtete Phänomen hinreichend und notwendig – also prägnant ist.

Anm. #09 Die Hierarchie mathematischer Theoreme
Viele Theoreme der Mathematik lassen sich auf grundlegende Aussagen zurückführen. Der „Metamath Proof Explorer“ kann dabei eine wertvolle Hilfe sein (siehe https://www.youtube.com/watch?v=8WH4Rd4UKGE, Video von David A. Wheeler (2016, 6:36 min).

Gleichzeitig wird aber auch eine Hierarchie deutlich. Neue Theoreme größerer Tragweite lassen sich auf bereits bewiesene Theoreme zurückführen. Diese strikte Hierarchie von Theoremen erleichtert die Arbeit der Mathematiker, weil damit eine Zurückführung auf die elementaren Grund-Axiome nicht mehr zwingend notwendig wird. Dies setzt aber auch die Kenntnis der bisherigen Theoreme und ihrer Einsatzmöglichkeiten als Werkzeuge voraus.

Anm.: #10 Synthesen und Erweiterungen in der Biologie

Beispielsweise ergab sich die synthetische Theorie zur Erklärung des Gravitropismus bei Pflanzen aus der Cholodny-Went-Theorie (Umleitung des Auxintransports) und der Statolithentheorie (Sedimentation von Amyloplasten) (Zhang et al. 2019; Perrin et al. 2005). Ein Beispiel aus der Zoologie sind Adolf Remanes Kriterien, die die Werkzeuge zur Erkennung von Homologien lieferten und damit zur Erweiterung von Darwins Deszendenztheorie führten (Zachos und Hoßfeld 2006).

Die derzeit in den Schulen gelehrte Evolutionstheorie wird auch als „Synthetische Evolutionstheorie“ bezeichnet, weil sie eine Synthese aus Darwinscher Theorie und Mendelschen Vererbungsregeln ist. Seitdem wurde sie stetig erweitert durch Integration populationsbiologischer und ontogenetischer Aspekte (Kutschera und Niklas 2004).

Anmerkung #11 Synthese, Erweiterung und Formalismen in der Physik

Ein Fortschritt bei der Weiterentwicklung von Theorien durch Synthesen und Erweiterungen wird oft mit einem Rückschritt in der Anschaulichkeit erkauft, und mit einem erhöhten Aufwand, der betrieben werden muss, um sich die (mathematischen) Werkzeuge anzueignen, die nötig sind, den Formalismus der Synthese zu verstehen. In der Physik haben das zum Beispiel die Theorie zur Quantenelektrodynamik (QED) von Richard Feynman und auch die allgemeine Relativitätstheorie (ART) von Albert Einstein gezeigt. Feynman gelang mit QED eine Synthese der beiden unvereinbar scheinenden Theorien von Licht-Welle und Licht-Korpuskel. Er etablierte damit eine einheitliche Synthese, die nahezu alle Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie zu erklären vermag. Einstein erweiterte in seiner ART das Galileïsch-Newtonsche Weltbild um die Feststellung, dass auch Gravitationswechselwirkungen sich höchstens mit Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ausbreiten können.

Anm. #12: „Axiomatisierung“ der Evolutionstheorie – I

Es hat schon immer Versuche gegeben, die Evolutionstheorie auf eine oder sehr wenige Minimalaussagen zu komprimieren. Ein Beispiel ist der Ansatz, die Evolution auf die einfache Formel „Evolution = Mutation + Selektion“ zu reduzieren (Monod 1971; Lorenz 1964). Es ist offensichtlich, dass dieser Ansatz sehr unvollständig ist. Wäre es also sinnvoll, nach einem umfassenderen, aber dennoch prägnanten Regelwerk zu suchen, um zu einer einfachen und geschlossenen Theorie zu gelangen? Ist es vielleicht möglich, in sich geschlossene Theorien zu entwickeln, die einzelne Aspekte der Evolution wie beispielsweise den Erwerb neuer vererbbarer Merkmale, sympatrische Speziation oder die Vererbung komplexer Verhaltensmuster vollständig erklären? Viele Biologen würden behaupten, dass ein solches Unterfangen unmöglich ist, weil die Biosphäre viel zu komplex ist, als dass man sie in einer Reihe von überschaubaren Regeln, Prinzipien oder Mechanismen strukturieren und zusammenfassen könnte. Bei der Untersuchung einfacher und definierter Systeme wie Protonen und Elektronen, so könnte man argumentieren, muss man sich mit einer überschaubaren Anzahl von Variablen befassen, während bei ganzen Ökosystemen die Zahl der zu berücksichtigenden Variablen ins Unermessliche steigt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass jegliche Forschung in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern von der Prämisse ausgeht, dass komplexe Systeme immer aus einer endlichen Anzahl verschiedener Objekte bestehen, die über eine endliche Anzahl von Regeln miteinander wechselwirken – was dann schließlich zur Vielfalt, das heißt zu einer großen Bandbreite verschiedener Phänomene und Emergenzen führt. Der Physiker Richard Feynman hat dies bereits vor vielen Jahren treffend formuliert: „Curiosity demands that we ask questions, that we try to put things together and try to understand this multitude of aspects as perhaps resulting from the action of a relatively small number of elemental things and forces acting in an infinite variety of combinations.“ (Feynman et al. 1964, 2-1)

Schon Ernst Haeckel hatte versucht, klare Grundannahmen, sogenannte „Vererbungsgesetze“, aufzustellen, aus denen sich weitere Erkenntnisse zur Evolution, vielleicht sogar eine geschlossene Theorie, ableiten ließen (Sohn 1996). Er scheiterte jedoch zu seiner Zeit an den noch fehlenden molekularbiologischen Erkenntnissen über die Vererbung. Neuere Versuche, die Evolutionstheorie auf ein minimales „Set“ von prägnanten Grundannahmen zu reduzieren, mit der Selektion als grundlegendem Rückkopplungsmechanismus, wie er von Darwin herausgearbeitet wurde, sind bereits unternommen worden (Lorenzen 1997). Allerdings fehlt dazu noch die Information, welche Aspekte der Evolution damit abgedeckt werden sollen – wo also Grenzen und Gültigkeitsbereich liegen. Auch der Nachweis von Richtigkeit und Vollständigkeit des vorgeschlagenen „Sets“ sowie eine detaillierte logisch korrekte Ableitung der gezogenen Schlussfolgerungen stehen noch aus.

Anm. #13: Definition „Leben“

Die derzeit verbreitete (Arbeits-)Definition der NASA von dem, was unter „Leben“ zu verstehen ist, wird Gerald F. Joyce zugeschrieben: „Leben ist ein sich selbst erhaltendes chemisches System, das zu einer Evolution im Darwinschen Sinne fähig ist.“ (Chodasewicz 2014). Die zwei Fragen, die sich hier aufdrängen sind: 1.) Was bedeutet „chemisches System“? – Ein lebendes Individuum, eine Population oder ein Ökosystem? Und 2.) Wenn man „Leben“ durch den Begriff „Darwinsche Evolution“ definiert, kann man dann zur Vermeidung einer Tautologie „Darwinsche Evolution“ ohne den Begriff „Leben“ definieren?

Ein anderer Versuch „Leben“ zu definieren war das von Humberto Maturana und Francisco Varela entwickelte Konzept der Autopoiesis. Dieses basiert auf einem Satz von Kriterien, mit denen typischerweise sich selbst organisierende komplexe Systeme charakterisiert werden. Damit entfällt die Notwendigkeit, „Leben“ durch eine lange Liste seiner Merkmale zu umschreiben. Was aber fehlt, ist eine scharfe Abgrenzung zu selbst-organisierenden Systemen der unbelebten Natur (zum Beispiel Laserlicht, Belousov-Zhabotinsky-Reaktion, Konvektionszellen, ...). Damit erfüllt es nicht den Zweck, zu dem es entwickelt wurde – nämlich „Leben“ präzise zu definieren.

Anm. #14: (Fach-)Wortneuschöpfung, Fachvokabular und Neusprech

Es gab und gibt in den Lebenswissenschaften immer noch Grabenkämpfe verschiedener „Schulen“ sowie Kontroversen zwischen „Autoritäten“ um die Vorherrschaft bei der Etablierung von (Fach-)Wortneuschöpfungen. Durch diesen Kampf um das „richtige Narrativ“, das korrekte Fachvokabular und präzise Begriffe verloren die Lebenswissenschaften den Schwung, mit dem andere naturwissenschaftliche Zweige in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Furore machten, weil sie die Etablierung der für ihre Arbeit notwendigen präzisen Arbeitsbegriffe bereits im 19. Jahrhundert weitgehend abgeschlossen hatten. Neue aufregende Entdeckungen, insbesondere in der Molekularbiologie, sorgen immer wieder dafür, dass scheinbar etablierte Fachbegriffe der Biologie überdacht und durch neue Begriffe ersetzt werden. Nur wenige Biologen wissen noch, was Darwin unter „Gemmulae“ verstand. Auch die von August Weismann geprägten Begriffe „Determinanten“ und „Determinaten“ (Weismann 1892a, 1892b) sind mittlerweile obsolet. Und kaum jemand kennt noch die von Ernst Haeckel geprägte Unterscheidung zwischen konservativer und progressiver Vererbung (Sohn 1996) – ganz zu schweigen von Fachbegriffen wie „Spandrille“ (engl.: spandrel) und „Exaptation“ (engl.: exaptation) die von Stephen J. Gould (1991) geprägt wurden. Diese laufende Suche nach einer präzisen Sprache in den Lebenswissenschaften ist richtig und wichtig. Dennoch entstehen dabei heutzutage gelegentlich auch Modeworte und -phrasen, die gerne mit wissenschaftlicher Erkenntnis gleichgesetzt werden. Meist sind sie nicht mehr als En-Vogue-Etiketten für Forschungskonzepte oder Tagungen oder auch nur Synonyme für längst etablierte Begriffe, wie zum Beispiel „Metaorganismus“ als Neuauflage von „Holobiont“.

Zum problematischen Dilemma werden Wortneuschöpfungen und innovative Formalismen für den interdisziplinären Austausch, wenn sie nur von wenigen Spezialisten verstanden, dann aber vor breiter gefächertem interdisziplinärem Auditorium genutzt werden. Kleine Unterschiede in den Begriffsdefinitionen zwischen „Sender“ und „Empfänger“ können bereits dazu führen, dass man im wissenschaftlichen Diskurs aneinander vorbei redet. Alle Wissenschaften haben im Verlauf der vergangenen Jahrhunderte eine Präzisierung ihrer Fachsprache vollzogen. Auch in der Mathematik hat ein Ringen um das korrekte Fachvokabular stattgefunden. Es gab Theoreme, wie zum Beispiel der Wohlordnungssatz, die sich erst beweisen ließen, nachdem die grundlegenden Begriffe dazu exakt definiert waren. Dieser Prozess ist eine Gratwanderung. Einerseits sollen Präzisierungen die Möglichkeit schaffen, logisch korrekte Schlussfolgerungen ziehen zu können. Damit wird eine Freiheit in Gedankenführung und klarem Diskurs angestrebt, die den Sumpf semantischer Schnittmengen im Wortschatz und das daraus folgende „Aneinandervorbeireden“ vermeiden. Andererseits aber dürfen Wortneuschöpfungen nicht zu einem „Neusprech“ im Orwellschen Sinne führen – also zu einer Vereinfachung der Sprache, die gedankliche Freiheiten einschränkt.

Anm. #15 Simpson Zitat

Gelegentlich wird ein Mangel an Kommunikation durch einen Mangel an Wertschätzung verursacht. Schon George G. Simpson beklagte dies 1984 mit den Worten: „Not long ago paleontologists felt that a geneticist was a person who shut himself in a room, pulled down the shades, watched small flies disporting themselves in milk bottles, and thought that he was studying nature. A pursuit so removed from the realities of life, they said, had no significance for the true biologist. On the other hand, the geneticists said that paleontology had no further contributions to make to biology, that its only point had been the completed demonstration of the truth of evolution, and that it was a subject too purely descriptive to merit the name ’science’.”

Anm. #16 Reid Zitat

Schon vor Jahrzehnten forderte Robert Reid eine beschleunigte Dialektik in der Evolutionsbiologie, als er (1985, S. 10) schrieb: „There is no reason to suppose that evolution theory is epistemologically unique, that once the synthesis has been created it is so perfect that there is no necessity for improvement. But because most evolutionists perceive it in this way, the synthetic theory has developed an inertia that obstructs dialectical progress, and its survival is largely due to its ability to absorb ideas and data that it did not generate, [and] to immunise itself from criticism…”

Anm. #17: Zitat Aigner

“Eine Theorie, auf die wir uns verlassen können, besteht nie nur aus einem einzelnen Argumentationsstrang, sondern aus vielen – aus logischen Verbindungen, die einander gegenseitig festhalten, verknüpfen und stärken. Erst wenn ein solches Netz entstanden ist, haben wir es mit einem verlässlichen Ergebnis zu tun, das garantiert auch in Zukunft tragfähig sein wird.“ (Aigner 2021)

Anm. #18: 'Axiomatisierung' der Evolutionstheorie – II:

Bei einer Neuausrichtung in der Ausgestaltung der Evolutionstheorie sollte es nicht um eine Mathematisierung der Evolutionstheorie gehen, also weder um das Einzwängen der Theorie in ein Korsett mathematischer Gleichungen noch um eine Reduzierung biologischer Komplexität auf ein elementares Level rein physikalischer Grundstrukturen. Das schließt nicht aus, dass man Evolutionsforschung mit Mathematik betreibt, aber eben nicht als Mathematik (Johannsen 1909). Es geht dabei um kurz und bündig formulierte universelle „Sets“ (Objekte, Objekteigenschaften, Regeln und Anfangssituation) von wie auch immer, aber dennoch präzise formulierten Grundaussagen mit definiert-begrenztem Geltungsbereich. Aus diesen sollten sich dann durch korrekte Schlussfolgerungen Aussagen zur Selbstorganisation biologischer Vielfalt – also zur Evolution hin zu einer höheren Komplexität, so wie wir sie beobachten – ableiten lassen. Solche „Sets“ axiomatischer Aussagen müssen mit dem Observablen – also mit dem in der belebten Natur Beobachtbaren – in Einklang sein, dürfen aber niemals im Widerspruch dazu oder zu sich selbst stehen. Gelingt es durch eine solche „Axiomatisierung“, ein tragfähiges Netzwerk von Schlussfolgerungen zu knüpfen, dann lassen sich unter Umständen Aussagen über Mechanismen der natürlichen Evolution deduktiv herleiten, die bisher noch nicht erkannt oder beobachtet wurden. Dies wiederum wäre auch ein Fundament für Wissenschaftler, die sich mit Astrobiologie und dem Einschätzen der Möglichkeiten von extraterrestrischem Leben in habitablen Zonen beschäftigen.

Anmerkung #19: Evolution als Lernprozess

Die Gene eines jeden Organismus bestimmen in hohem Maße seinen Phänotyp und damit auch seine Anpassung an seinen natürlichen Lebensraum. In den Genen steckt also Wissen über den Lebensraum, an den der Organismus angepasst ist (Adami et al. 2000). Auf dieser Grundlage kann die natürliche Evolution als ein gigantischer Lernprozess verstanden werden, in dessen Verlauf das Genom eines jeden Organismus Wissen über die Lebensbedingungen im Habitat akkumuliert (Lorenz 1964; Jost 2017). Das würde bedeuten, dass die Genome aller Organismen eines Ökosystems zusammengenommen ein Abbild des Ökosystems darstellen, das in Form von DNA niedergelegt ist. Dieses Abbild verändert sich parallel zu den sich verändernden Lebensbedingungen im Ökosystem. Diese wechselseitige Veränderung nennen wir dann „biologische Evolution“. Hier ergibt sich ein „Henne-Ei-Problem“ ohne anfängliche Ursache-Wirkungs-Beziehung („causal reciprocity“). Einerseits sind die durch Selektion verursachten Veränderungen im „Genom des Ökosystems“ eine Folge der Veränderung des Ökosystems. Andererseits kommt es aber gleichzeitig – zum Beispiel durch angeborenes Verhalten der Organismen und Nischenkonstruktion – auch zu einer Veränderung der Umwelt als Folge einer Veränderung des „Genoms“ des Ökosystems.

Wissen und Lernen bedeuten in diesem Zusammenhang nicht einfach nur gespeicherte Information und dessen Akkumulation, sondern gleichzeitig auch die Erzeugung einer Fähigkeit, die gespeicherte Information zu gegebener Zeit abzurufen, um sie in angemessene Aktivitäten umzusetzen. Diese Fähigkeit setzt ein „Gedächtnis“ voraus, das mehr ist als nur ein Informationsspeicher. Ein „Gedächtnis“ weiß auch, wie auf gespeicherte Information zugegriffen werden kann – hat also Information über Information. Unter diesem Gesichtspunkt ist „Fitness“ mehr als nur die Anhäufung von Information und Merkmalen, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg begünstigen, sondern vielmehr ein „Gedächtnis-Phänomen“. Eingehende Information wird verglichen mit gespeicherter Information und dieser Vergleich führt unmittelbar zu einer Reaktion – also zu ausgehender Information, die das Überleben und den Fortpflanzungserfolg begünstigen. Von einem bestimmten Komplexitätsgrad an ist „Gedächtnis“ immer ein Produkt des komplexen Systems (Ladyman und Wiesner 2020) – und das Lernen wird zu einer intrinsischen Fähigkeit (siehe auch „Anm.: #08 Digitale Organismen“). Steven M. Manson schrieb dazu 2001: „A complex system can deal with truly novel situations because it has a wide array of internal components an sub-systems linked by complex relationships. Some of these components may have the ability to accommodate a novel relationship. In the rare cases when no suitable components or sub-systems exist, the system cannot respond to new relationships with the environment, with potentially catastrophic results.“

Anmerkung #20: Rückkopplungen, Musterbildung, Selbstorganisation und Gleichgewicht

Wie bereits bei den zellulären Automaten erwähnt (Anm.: #07), lässt sich Selbstorganisation in begrenztem Umfang durch Prozesse der Musterbildung veranschaulichen. Grundlage einer solchen Musterbildung ist immer das Zusammenspiel von positiven und negativen Rückkopplungen, die antagonistisch, aber in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander wirken und zu einer geordneten Dynamik in Raum und Zeit führen. Dies wurde bereits von Alfred J. Lotka (1920, 1920) und auch von Alan M. Turing (1953, 1990) erkannt, die dies mit Hilfe mathematischer Modelle spezifizierten (Ball 2015). Autokatalytische Variablen, das heißt solche, die durch positive Rückkopplung wachsen, werden durch schrumpfende oder zumindest begrenzte Ressourcen, die eine negative Rückkopplung erzeugen, in Schach gehalten. Im Allgemeinen stabilisieren negative Rückkopplungen das System, während positive Rückkopplungen destabilisierend wirken.

Übertragen auf die biologische Evolution können wir sagen, dass die natürliche Selektion die Population reduziert, da die weniger geeigneten Individuen sterben und sich nicht mehr fortpflanzen können. Die Selektion kann daher mit der negativen Rückkopplung im System gleichgesetzt werden und wird zu deren Synonym. Die positive Rückkopplung ergibt sich aus der Reproduktion der Individuen, die der Selektion entgehen. Daher ist die Reproduktion in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit einer positiven Rückkopplung. Wenn die negative Rückkopplung (Selektion) zu stark ist, kollabiert das System und die Population stirbt aus. Wenn die positive Rückkopplung (Reproduktion) zu stark ist, wird das System chaotisch und kann in einer „Katastrophe“ enden. Das heißt, die Population wird instabil und kann sich nicht im Sinne einer biologischen Evolution weiterentwickeln. Beide Prozesse – Selektion und Reproduktion – können auf Dauer nur existieren, wenn sie in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Ebenso wie die Reproduktion ist auch die Selektion eine notwendige Voraussetzung für die Selbstorganisation (Johnson und Lam 2010). Beides zusammen ergibt das evolutionstreibende „Selektionsprinzip“, das Sievert Lorenzen bereits (1997) als generelles 'Selbstorganisationsprinzip' bezeichnete. Wie oben gezeigt ist aber auch ein Gleichgewicht zwischen beiden Prozessen notwendig, und dieses Gleichgewicht ist die wesentliche Voraussetzung für Resilienz des Systems. Wie aber kommt ein solches Selektions-Reproduktions-Gleichgewicht (SR-Gleichgewicht) zustande? Wenn das SR-Gleichgewicht nur in einem bereits selbstorganisierten System hergestellt werden könnte, dann wäre Selbstorganisation die Voraussetzung für dieses SR-Gleichgewicht sowie insbesondere für die Selektion (Swenson 2010). Gleichzeitig wäre das SR-Gleichgewicht aber auch eine Voraussetzung für weitere Selbstorganisation oder Evolution. Alle Ökosysteme sind nicht nur selbstorganisiert, sondern auch selbstorganisierend (Lorenzen 1997). Somit ist die anfängliche Kausalität, ob das SR-Gleichgewicht die Selbstorganisation verursacht oder umgekehrt, nicht offensichtlich. Auch hier wird ein „Henne-Ei-Problem“ („causal reciprocity“) offensichtlich. Wenn man bedenkt, dass ein komplexes System oft eine Hierarchie verschiedener Komplexitätsebenen aufweist, dann kann man die Evolution auch als eine rekursiv verschachtelte Hierarchie von Selbstorganisationsprozessen betrachten, sozusagen eine Selbstorganisation einer Selbstorganisation einer Selbstorganisation einer Selbstorganisation ... Dies ähnelt dem, was Eigen und Schuster (1977) bereits mit der Hierarchie katalytischer (Hyper-)Zyklen beschrieben haben.

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