Editorial

„Ohne persönliche Unterstützung hat man es schwer“

Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz
Interview: Ralf Schreck, Laborjournal 05/2019


Im Gespräch: Susanne Beer, zuständig für das Nachwuchsgruppenprogramm in der Leibniz-Geschäftsstelle.

Laborjournal: Wie kamen Sie zur Leibniz-Gemeinschaft und zur Nachwuchsförderung?

Susanne Beer » Nach meiner Promotion habe ich zunächst als wissenschaftliche Koordinatorin in einem universitären Verbundprojekt gearbeitet, an dem mehrere Postdocs mitgewirkt haben. Die Frage, wie es nach der Habilitation weitergeht, welche Karrierewege es im deutschen Wissenschaftssystem überhaupt gibt, wie man erfolgreich an eine Professur gelangt und wie wir die Forscherinnen und Forscher dabei am besten unterstützen können, hat uns damals sehr beschäftigt. Diese Fragen haben mich seither begleitet – auch in der Zeit, in der ich am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, einem Leibniz-Institut, tätig war. Hier betreute ich ein Förderprogramm zur deutsch-französischen Vernetzung, über das Mobilitätsstipendien vergeben und Netzwerktreffen organisiert wurden. Dabei habe ich die Leibniz-Gemeinschaft erstmals von „innen“ kennengelernt und bin dann 2017 in die Geschäftsstelle gewechselt.

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Susanne Beer
Die promovierte Soziologin ist seit zwei Jahren als wissenschaftliche Referentin im Referat Wettbewerbsverfahren der Leibniz-Geschäftsstelle in Berlin tätig – und dort unter anderem für das Nach­wuchs­grup­pen­pro­gramm zuständig. Foto: Oliver Lang

Welche Neuerungen sind zukünftig im Nachwuchsgruppen- bzw. Professorinnenprogramm zu erwarten?

Beer » Beide Programme wurden erstmals 2017 ausgeschrieben, die ersten Vorhaben liefen 2018 an. Es handelt sich also noch um relativ junge Förderformate. Mit ihnen will die Leibniz-Gemeinschaft künftig stärker im internationalen Raum sichtbar werden, herausragende Talente gezielt ansprechen und für die Leibniz-Gemeinschaft rekrutieren. Wir bewerben die Programme daher auf internationalen Karrieremessen und planen für die kommende Runde des Wettbewerbs 2021 eine internationale Ausschreibung über einschlägige Stellenportale wie Nature Jobs, Research ­Gate und Academics.

Welche weiteren Unterstützungsmaßnahmen bietet die Leibniz-Gemeinschaft hier an?

Beer » Wir wollen die Geförderten künftig auch stärker in ihrer Karriereentwicklung unterstützen, etwa indem wir Weiterbildungs- und Vernetzungsangebote in einem interdisziplinären Umfeld anbieten, die über die Möglichkeiten der einzelnen Institute hinausgehen. Für die Leitungen der Leibniz-Junior Research Groups haben wir bereits zwei erste Workshops organisiert, die sich um Fragen rund um die neu gewonnene Leitungsrolle drehten. Am 23. Mai laden wir zudem zu einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Erfolgsfaktor frühe Selbständigkeit“ ein, auf der Nachwuchsgruppenleiterinnen und -leiter zusammen mit ihren Institutsleitungen über zukunftsfähige Rahmenbedingungen für Nachwuchsgruppen und ihre strategische Bedeutung für die Leibniz-Insti­tute diskutieren werden.

Wie hoch waren Erfolgsquote und Anteil der Bewerbungen aus dem Ausland bei der letzten Ausschreibung?

Beer » Der Leibniz-Wettbewerb umfasst neben den beiden personengebundenen Förderformaten die Programme „Leibniz-Kooperative Exzellenz“ und „Leibniz-Transfer“. Über alle vier Förderformate hinweg lag die Förderquote im vergangenen Verfahren bei 27 Prozent. Anträge in den Förderformaten „Leibniz-Professorinnenprogramm“ und „Leibniz-Junior Research Groups“ waren dabei mit Förderquoten von 67 beziehungsweise 35 Prozent besonders erfolgreich. Der Anteil der Bewerbungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder voriger Anstellung an einer Wissenschaftseinrichtung im Ausland lag in beiden Programmen jeweils bei etwa einem Drittel. In beiden Programmen gehört die internationale Forschungserfahrung der Antragstellenden – etwa durch Gastforschungsaufenthalte im Ausland oder durch Mitwirkung an internationalen Forschungsprojekten – zu den Bewertungskriterien.

Gibt es bereits Erfahrungen zur Entfristung aus beiden Programmen beziehungsweise auch aus den Vorläuferprogrammen?

Beer » Im Professorinnenprogramm muss im Bewerbungsverfahren klar dargelegt werden, dass den Kandidatinnen seitens der Institute und Hochschulen eine unbefristete Professur oder eine Tenure-Track-Option geboten wird. Die Leibniz-Junior Research Groups sind ohne eine entsprechende Entfristungsperspektive ausgeschrieben. Wir gehen aber davon aus, dass das Programm eine ähnliche Sprungbrett-Funktion übernehmen wird wie vergleichbare Programme in anderen Forschungsorganisationen. Bereits jetzt hören wir aus einzelnen Instituten, dass die geförderten Nachwuchsgruppenleiter in ersten Berufungsverhandlungen stecken. Da die geförderten Vorhaben alle noch am Anfang stehen, können wir derzeit jedoch noch keine allgemeinen Aussagen über die Karriereentwicklung der Geförderten treffen.

Können Sie signifikante Nachwuchsgruppenprogramme an individuellen Leibniz-Einrichtungen benennen?

Beer » 2018 konnten wir fast 180 Nachwuchsgruppen an Leibniz-Instituten zählen. Davon entfiel ein gutes Drittel auf Sektion C, also die Lebenswissenschaften, die auch die größte Sektion in der Leibniz-Gemeinschaft ist. Einige Institute beherbergen ein oder zwei, andere bis zu 13 Nachwuchsgruppen – was auch mit der unterschiedlichen Größe der Institute zusammenhängt.

Haben Sie einen Tipp für den wissenschaftlichen Nachwuchs?

Beer » Hartnäckigkeit, Kritikfähigkeit und Optimismus gehören wahrscheinlich zu den wichtigsten Eigenschaften, wenn man die Postdoc-Zeit meistern möchte. Unter den abgelehnten Anträgen im Leibniz-Wettbewerb befinden sich zahlreiche, die im Prinzip förderwürdig wären, aber angesichts der Mittelbegrenztheit aufgrund von kleineren Schwachstellen abgelehnt werden. Postdocs sollten sich von der Ablehnung eines Förderantrags nicht entmutigen lassen, die Kritik aufnehmen und es erneut versuchen. Abgesehen davon ist es essentiell, sich ein wissenschaftliches und kollegiales Umfeld aufzubauen, das die eigene Karriereentwicklung unterstützt. Selbst wenn das eigene Thema und die Forschungsleistungen herausragend sind, hat man es ohne die entsprechende persönliche Unterstützung schwer. Davon abgesehen sind neben individuellen Karrierestrategien auch kollektive Anstrengungen wichtig, um die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verbessern.



Weitere Infomaterialien:
Broschüre zum Vernetzungstreffen der geförderten Nachwuchsgruppen



Last Changed: 09.05.2019