Editorial

Alles Schizo...

von Cornel Mülhardt




Übungsaufgabe: Ordnen Sie die vier abgebildeten zwei-schneidigen Persönlichkeiten den Begriffen Iso- und Neoschizomer zu. Für Lösungen (mit wissenschaftlicher Begründung!) gibt es ein Laborjournal-Leibchen.



Wissenschaftler sind schon ein seltsames Volk...

...Man kann nicht behaupten, Wissenschaftler seien schreibfaul. Nein, Angesichts der Flut völlig überflüssiger Publikationen, in denen auf vier bis fünf Seiten bewiesen wird, dass mit GFP transfizierte Zellen grün leuchten und dass das auch für von Franz Glumbfinger aus Hinternebenwiesendorf transfizierte Zellen gilt, wäre ein solcher Vorwurf aus der Luft gegriffen. Wissenschaftler haben nur in den letzten zehn Jahren eine ausgeprägte Abneigung gegen den klassischen Brief entwickelt. Ich beispielsweise habe seit Jahren nichts Handgeschriebenes mehr verschickt. Bestenfalls mal einen vollgekritzelten Post-It beigefügt, und das auch nur notgedrungen, weil die Dinger die Neigung haben, den Laserdrucker zu verstopfen. Meinen Lesern geht es anscheinend genauso, jedenfalls ist die Zahl der Rückmeldungen sprunghaft angestiegen, seit ich im letzten Artikel meine email-Adresse preisgegeben habe. Gut so. Ich war mir nicht ganz sicher, ob meine Artikel nicht vielleicht nur der Belustigung der Laborjournal-Redaktion dienen. Früher hielten sich die Herrschaften für diesen Zweck Hofnarren. Ein Dank daher an alle, die sich zu Wort gemeldet haben und mich so zu einem kurzen Nachtrag zum letzten Bulletin veranlassen:

Verdaus, die die Geltasche so schnell wieder verlassen wie sie hineinpipettiert wurden, sind offensichtlich ein ebenso weit verbreitetes wie unerklärtes Phänomen.

Dementsprechend gab es dazu die meisten Anmerkungen. Neben den bereits genannten möglichen Ursachen habe ich (Danke, Anke) noch folgenden Tip bekommen: Wenn das Gel zu lange im Puffer vor sich hin dümpelt, scheinen dubiose Sauereien aus der Agarose in die Taschen zu diffundieren. Ein kurzes Ausspülen der Taschen mit etwas Puffer soll dann Wunder wirken.

Ein anderer Kommentar wies darauf hin, dass nicht alle am Ende des Artikels gelobten Enzyme der Kategorie Aktion Sorgenfrei“ zuzurechnen sind. Stimmt natürlich. Bei den meisten Restriktionsenzymen ist die Problematik der Methylierungssensitivität nicht so einfach wie bei Bcl I, bei dem die Erkennungssequenz die dam-Methylierungssequenz direkt beinhaltet. Meist ist die Situation weit perfider, weil die Erkennungssequenz mit einer Methylierungssequenz überlappen kann, wie beispielsweise beim genannten Xba I. Perfide, weil es eben normalerweise nicht der Fall ist. Just dann, wenn man vergessen hat, dass Enzym XY eigentlich methylierungssensitiv ist, wird man gemäß Murphys Gesetz mit genau diesem Problem konfrontiert werden. Ich könnte nun empfehlen, sich in regelmäßigen Abständen immer wieder mal anzuschauen, welche Besonderheiten die Enzyme aufweisen, die man jeden Tag in der Hand hält. Aber genauso gut könnte man einem Arzt vom Rauchen und Saufen abraten. Um die Verwirrung noch ein wenig zu steigern, weise ich darauf hin, dass andere Organismen andere Methylierungsmuster haben. Eine Sequenz, die sich in einem Plasmid wunderbar schneiden lässt, kann furchtbare Probleme bereiten, wenn man es mit liebevoll im Schweiße seines Angesichts frisch präparierter genomischer DNA zu tun hat. Um die Verwirrung noch ein wenig zu steigern, sei darauf hingewiesen, dass man seit vielen Jahren weiß, dass nicht alle Schnittstellen gleich schnell geschnitten werden - Geschwindigkeitsunterschiede von Faktor 50 sind schon berichtet worden! Würd’ mich nicht wundern, wenn Ihnen mittlerweile die Lust am Restriktionsverdau vergangen ist...

Auf zu neuen Ufern. Aus dem Bereich Heitere Wissenschaft“ hätten wir heute den Begriff Isoschizomer“ zu bieten. Denjenigen, die irgendwann in ihrem Leben - und mehr oder weniger erfolgreich - studiert haben, dürfte das folgende Phänomen bekannt sein: Der Wissensstoff ist immens, deshalb wird er geprüft, um sicherzustellen, dass ein Jeder sich quält, wie es sich gehört. Was eignet sich dafür besser als das Abfragen von Begriffen? Besonders als Einleitung für eine längere Sadomaso-Sitzung ist so etwas beliebt. Seinerzeit zu meiner Zeit lautete eine beliebte Frage: Was ist ein Gen?“. Wer darauf nicht mit einer detaillierten Erläuterung der Entwicklung des Genbegriffs in den letzten zwanzig, dreißig Jahren antworten konnte, hatte sein Schicksal nahezu besiegelt. Wen juckt’s, dass jedes Lehrbuch seine eigene Vorstellung davon hat. Die wirklich Schlauen erkennt man daran, dass sie zu dem Buch greifen, aus dem schon der Prüfer einst seine Schlauheit bezogen hat!

In die gleiche Kategorie gehört die Frage Was ist ein Isoschizomer?“. Eigentlich ist ein Isoschizomer ein Restriktionsenzym B, das die gleiche DNA-Sequenz erkennt und diese in gleicher Weise schneidet wie das Restriktionsenzym A. Die beiden Enzyme stammen normalerweise aus ganz unterschiedlichen Bakterien und sehen meist ziemlich unterschiedlich aus, doch tun sie das Gleiche, im Gegensatz zum Neoschizomer C, das zwar die selbe Sequenz erkennt, aber diese anders schneidet. Den gebildeten Philologen nimmt’s nicht wunder, schließlich bedeutet iso-“ gleich, neo-“ neu, und schizo-“ heißt so viel wie schneiden (derselbe Philologe möge mir meine vagen Übersetzungsversuche verzeihen, als Kind der Neuzeit mangelt es mir an den humanistischen Grundlagen). Vielleicht mag es auf die geringe Anzahl an Neoschizomeren zurückzuführen sein, dass sich das Begriffspaar nicht so recht durchgesetzt hat. Im Katalog von New England Biolabs, der traditionell einen sehr gut gemachten Anhang zum Thema Restriktionsenzyme enthält, findet man jedenfalls alles unter dem Begriff Isoschizomer subsumiert. Andere Hersteller verfahren ähnlich. Der Purist in mir wehrt sich zwar gegen derartige Schlampereien, doch wird mir nichts anderes übrig bleiben als darum zu bitten, der geneigte Leser möge irgendwo im Hinterkopf behalten, dass hier eine Falle lauert. Schauen Sie sich die Verhältnisse für Sma I und Xma I an und Sie wissen, was ich meine.


Ein Schmankerl

Schlägt man in der Medline nach, erhält man für den Begriff neoschizomer“ gerade mal 7 Einträge, während es isoschizomer“ auf immerhin 286 bringt. Mir waren 286 Einträge zu viel, um zu überprüfen, ob alle Autoren tatsächlich Iso- meinen, wenn sie Iso- schreiben, aber zumindest auf eine Perle bin ich dennoch gestoßen. Der Name der Autoren ist bereits ein Schmankerl (Zharmukhamedova TY, Privezencova NG, Shishova OV, Shiryaev SA, Zheleznaya LA, Matvienko NI (1999) Biochemistry (Mosc) 64,581-6) und die Kernaussage des Papers ist es nicht minder: BspF4I recognizes the sequence 5-GGNCC-3 on DNA and is an isomer and not an isoschizomer of the endonuclease Sau96I.“ Hoppala. Noch ein neuer Begriff oder einfach nur ignorantes Wischiwaschi? Auch wenn er sie nicht beantwortet, zieht der nächste Satz dennoch einen definitiven Schlussstrich unter diese Frage: Unlike the prototype, BspF4I does not cleave the site in a defined way.“ Honni soit qui mal y pense.

Wissen Sie eigentlich, wo all die netten Namen für die Restriktionsenzyme herkommen? Auch wenn’s auf den ersten Blick anders erscheint, war hier nicht wissenschaftlicher Wahn, sondern pingelige Systematik am Werk: Der erste Buchstabe, groß geschrieben, entspricht dem Anfangsbuchstaben der Gattung. Die nächsten zwei Buchstaben, klein geschrieben, leiten sich von den ersten beiden Buchstaben des Artnamens des Bakteriums ab, aus dem das Enzym isoliert wurde. Dem zusammengeschusterten Kürzel sieht man seine Herkunft kaum noch an, was vermutlich ganz gut ist, weil ICH mich nicht mehr wohl fühlen würde, wenn ich wüsste, dass Kpn I aus Klebsiella pneumonia (einem Erreger eitriger Infektionen des Atemtraktes“) und Hind III aus Haemophilus influenzae (einem Erreger (eitriger) Laryngitis, Konjunktivitis, Endokarditis, ...“) stammen.


Ein Rätsel

Weshalb diese ersten drei Buchstaben - und nur die - normalerweise kursiv geschrieben werden, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil Artnamen normalerweise kursiv gesetzt werden. Jedenfalls macht das die Sache schön kompliziert, weshalb ich weise auf Anwendung dieser Regel verzichte. Es folgt dann die Bezeichnung des Bakterienstammes oder -typs und schließlich die Ordnungsnummer des jeweiligen Enzyms. EcoR V ist folglich das fünfte Enzym, das man in Escherichia coli RY13 gefunden hat. Klingt gut, bis auf die Kleinigkeit, dass es aus E. coli J62 pLG74 stammt. Bei EcoR17 I stimmt’s wieder, das Enzym kommt tatsächlich von E. coli ECOR17. Allein, das hilft einem nicht , weil man EcoR17 nirgends kaufen kann. Macht allerdings nichts - es weiß auch keiner, wie es schneidet. So viel heute zum Thema Wissenschaftler und pingelige Systematik!

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Letzte Änderungen: 08.09.2004