Editorial

Mut zur Farbe

Aktivitätsnachweise auf zellwandabbauende Enzyme

Patrick M. Heidrich


Cellulase und Co

Cellulase und Co bei der Arbeit.

Wer sich mit zellwandabbauenden Enzymen beschäftigt, kommt um die einschlägigen Aktivitätstests nicht herum. Was der Experimentator dabei beachten sollte, erklärt Patrick Heidrich.

Arbeitsgruppenbesprechung. Sie stellen Ihre Daten vor. Dann kommt der als Frage formulierte Einwand: „Hast Du mal versucht, die Enzymaktivitäten darzustellen?“ Und sie tut sich auf, die „Proteinhölle“: Pannen, Pleiten, Proteine. Nur wenige methodische Disziplinen der modernen Biologie erscheinen so nebulös und unvorhersehbar, wie die Arbeit mit Proteinen. Die Bezeichnung „Proteinhölle“ prägte eine von mir geschätzte Kollegin, die sowohl mit Nukleinsäuren als auch mit Proteinen vertraut ist.

Trotzdem spielen manche Experimentatoren mit dem Feuer und suchen Proteine nicht nur, sondern versuchen auch, sie bei ihrer Tätigkeit zu beobachten, ihre Aktivität nachzuweisen und zu quantifizieren. Der nahe liegendste Ansatz hierzu ist die Inkubation der Enzyme mit dem spezifischen Substrat. Das Substrat wird zu einem Produkt umgesetzt, welches entweder direkt messbar ist oder mittels einer chemischen Reaktion zu einem nachweisbaren Folgeprodukt reagiert.

Kleine Schnellkochtöpfe

Für die Aktivitätsmessung der CWDE (cell wall degrading enzymes) hat sich der sogenannte HBH-Test etabliert (Kombrink et al. (1988) Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 85: 782-6). Bei diesem werden die durch den enzymatischen Abbau von Polysacchariden freigesetzten reduzierenden Enden der Oligo- und Monosaccharide bei 100 °C mit para-Hydroxybenzoesäurehydrazin (HBH) umgesetzt. Es bilden sich Osazone, die ein Absorptionsmaximum von 410 nm besitzen. Der photometrisch gemessene Extinktionswert bei dieser Wellenlänge korreliert direkt mit der Menge der gebildeten reduzierenden Enden im Testansatz. Die Zunahme der Extinktion ist also ein Maß dafür, wie emsig die Enzyme am Rückgrat und den Seitenketten der Polysaccharide „geknabbert“ haben. Durchgeführt werden diese Aktivitätstests in kleinen Reaktionsgefäßen aus Plastik. Vorsicht: Beim Erhitzen auf 100 °C werden die Tubes zu kleinen Schnellkochtöpfen, die beim Herausziehen aus dem Thermoblock dem Experimentator gerne ihren Inhalt mit einem lauten „Plopp“ ins Gesicht spritzen. Tragen Sie deshalb auf jeden Fall eine Schutzbrille und achten Sie bei der Auswahl der Eppis darauf, dass die Deckel fest schließen. Selbst die von einer bekannten Hamburger Firma als Safe-Lock vermarkteten Eppis mit dem kleinen Schnapphaken im Deckel springen zuweilen auf.

Zum Nachweis zellulolytischer Aktivitäten wird gerne Carboxymethylcellulose (CMC) eingesetzt, weil diese gut wasserlöslich ist und, einmal bestellt, auch für andere Zwecke verwandt werden kann. Als spezifische Substrate für Xylanasen werden Zellwandfraktionen eingesetzt, die aus Haferspelzen, Lärchen- oder Birkenholz gewonnen und als Xylanpräparationen verkauft werden. Das klingt harmlos, doch steckt hier der Teufel im Detail. Zugespitzt formuliert: Haben Sie schon einmal versucht, Haferspelzen zu zerreiben und dann in Lösung zu bringen?! Ein Gutteil des eingesetzten Substrates verbleibt als Bodensatz oder bildet bestenfalls eine kolloidale Suspension und steht somit dem Enzym nur eingeschränkt zur Verfügung. Dieses Problem erkannte ein spanischer Experimentator und fand – im doppelten Sinne – die Lösung (Copa-Patiño et al. (1993) Appl. Microbiol. Biotechnol. 40: 69-76).

Copa-Patiño et al. trennten die Xylanpräparation zuerst in eine lösliche und eine unlösliche Fraktion auf. Dazu wird das Xylan in bidestilliertem Wasser aufgeschwemmt, autoklaviert (15 Minuten, 121 °C) und zentrifugiert (30 Minuten, 12000 g, Festwinkelrotor). Das Pellet wird verworfen, der Überstand gefriergetrocknet und für die Aktivitätstests eingesetzt. Das so gewonnene Substrat bildet dann wirklich eine homogene Lösung: Voraussetzung für sauber reproduzierbare Enzymaktivitätstests.

Xylan aus Hafer

Ein weiteres Problem einiger Xylanpräparationen sind chemische Inhomogenitäten. So besitzt eine von einem Schweizer Anbieter vertriebene Xylanpräparation aus Haferspelzen neben 70 % Xyloseresten auch 15 % Glucose- und 10 % Arabinosereste. Dies muss nicht unbedingt heißen, dass Zellulose oder andere Zellwandpolymere in die Präparation gelangten, schließlich kann Monocotylen-Xylan chemisch komplex aufgebaut sein. Wenn man aber nicht mit aufgereinigten Aktivitäten arbeitet, sondern mit Kulturfiltrat, das eine Vielzahl an sekretierten CWDE enthält, bleibt das ungute Gefühl, ob nicht doch Zellulasen oder andere Enzyme zu den beobachteten Aktivitäten beitragen. Ich wechselte darauf hin zum Xylan aus Birkenholz, welches nach Beipackzettel einen deutlich höheren Gehalt an Xyloseresten aufwies (96 %).


Malende Enzyme

Man kann Enzyme nicht nur photometrisch bei der Arbeit beobachten, man kann sie auch „malen” lassen – die sogenannte Zymographie bringt Farbe ins Forscherleben. Dazu werden die Enzymgemische nativ mittels isoelektrischer Fokussierung oder anderen Gelsystemen aufgetrennt. Man kann auch unter milden denaturierenden Bedingungen trennen und nach dem Lauf renaturieren. Das Trenngel mit den Enzymen wird dann mit dem Substrat inkubiert. Bei einer anderen Technik wird das Substrat in ein sogenanntes Overlay- oder auch Replica-Gel (Agarose) einpolymerisiert, und dieses auf das Trenngel aufgelegt (Sandwich-Technik). Bei diesem Ansatz diffundieren die Enzyme aus dem Trenngel in das Overlaygel, wo sie das Substrat umsetzen. Das Substrat kann auch direkt in das Trenngel einpolymerisiert werden, dann aber muss die Elektrophorese so schnell ablaufen, dass den Enzymen keine Zeit bleibt, signifikante Mengen Substrat umzusetzen.

Welche dieser drei Strategien eingesetzt wird, hängt von den Eigenschaften der nachzuweisenden Enzyme und dem eingesetzten spezifischen Substrat ab. So diffundieren kleine Moleküle schneller durch Gele als große. Ebenso muss die Löslichkeit der Substrate berücksichtigt werden.

Nach der Substratinkubation werden die gesuchten enzymatisch aktiven Banden sichtbar gemacht. Wieder führen verschiedene Ansätze zum Ziel. Anfärben des nicht umgesetzten Substrates gibt eine Negativfärbung, Umsetzen eines ungefärbten oder andersfarbigen Substrates in ein farbiges Produkt eine Positivfärbung.

Xylanase-Aktivitäten können mit Kongorot negativ angefärbt werden. Dazu wird das Gel nach der Auftrennung in einem Renaturierungspuffer (20 mM Tris/HCl, pH 8,0, 0,7 % (v/v) Triton-X-100) inkubiert (2 x 5 Minuten) und zweimal gewaschen (obiger Puffer, ohne Triton).

Anschließend wird für 30 Minuten bei 50 °C in Substratlösung (Natriumsuccinat, 50 mM, pH 5,2 [abhängig vom pH-Optimum der gesuchten Enzyme] mit 5 g/l Xylan) inkubiert. Danach wird für ca. 20 Sekunden in bidestilliertem Wasser gewaschen, um den Hintergrund zu reduzieren. Anschließend wird Kongorotlösung (0,5 mg/ml, 15 Minuten) zugegeben, in Kochsalzlösung (1 M) für 15 Minuten entfärbt und durch Zugabe von 15 ml 2 M Natriumcarbonat-Lösung die Banden entwickelt (in Anlehnung an Copa-Patiño et al.).

Das Prinzip: In den Gel-Bereichen mit xylanolytischer Aktivität wird das Substrat zu kürzerkettigen Polymerfragmenten abgebaut. Kongorot ist ein lineares Farbstoffmolekül, das über Wasserstoffbrückenbindungen an das Xylanpolymer binden kann. An kürzerkettige Polymerfragmente bindet der Farbstoff nicht mehr effektiv und die xylanaseaktiven Banden erscheinen hellgelb vor rubinrotem Hintergrund.

Auch sogenannte chromogene Substrate werden zum Nachweis xylanolytischer Aktivität verwendet. So etwa Remazol Brilliant Blue-Xylan (Biely et al. (1985) Anal. Biochem. 144:147-51), bei welchem Xylan kovalent mit Farbstoffmolekülen verbunden ist. In grauer Vorzeit habe ich diese Substanz noch selbst synthetisiert, heute kann man Remazol Brilliant Blue-Substrate kaufen. Wenn die Farbstoff-markierten Polymere von CWDE in Oligosaccharide zerlegt werden, diffundieren diese niedermolekularen Bruchstücke vom Ort des Geschehens weg und senken lokal die Farbstoffkonzentration. Das führt zu Klärungszonen vor blauem Hintergrund.


Mehr als nur Aktivität

Die Vorzüge dieser Techniken liegen in einem Mehr an Informationen über den bloßen Aktivitätsnachweis hinaus. So liefern die IEF und (SDS)-PAGE-Gele den isoelektrischen Punkt oder das apparente Molekulargewicht von unbekannten Enzymen. Wer dann die so lange gesuchten Aktivitäten auf dem Durchlichtscanner dingfest gemacht hat, erkennt, dass es durchaus einen Weg aus der „Proteinhölle” gibt, der manchmal sogar in Neuland führt.

Fragen, Anregungen, Kommentare an patrick.m.heidrich@web.de




Letzte Änderungen: 26.04.2010