Editorial

Für die Nachwelt

Richtige Protokollführung

Steven Buckingham und Harald Zähringer


Jeder im Labor muss eines führen und dennoch wird es oft sehr stiefmütterlich behandelt: das Laborjournal.

Stellen Sie sich vor, Ihr Paper über die Expression des Histamin Rezeptors ist so gut wie akzeptiert und dann fragt Sie einer der Referees ganz beiläufig in welchen Vektor Sie den Rezeptor kloniert haben. Kein Problem denken Sie und schnappen sich Ihr Laborjournal, um den entsprechenden Eintrag nachzuschlagen. Doch statt eines exakten Vektornamens stehen dort nur die drei Wörter: „in Vektor kloniert“. Mit einem mal stehen Ihnen die Schweißperlen auf der Stirn und spätestens wenn Sie dem Reviewer erklären müssen, dass Sie nicht mehr wissen in welchen Vektor Sie den Rezeptor kloniert haben, verfluchen Sie Ihre schlampige Protokollführung.

Peinliche Szenen wie diese kann man sich ersparen, wenn man einige Regeln beachtet und das Laborjournal so führt, dass auch Außenstehende nachvollziehen können, was man im Labor gemacht hat. Grundvoraussetzung für ein ordentlich geführtes Laborjournal ist ein gebundenes Notizbuch. Spiralblöcke, Ringbücher, Klemmhefter oder lose Blätter mögen in einem Anfängerpraktikum noch durchgehen, am Arbeitsplatz eines Doktoranden oder wissenschaftlichen Mitarbeiters haben sie nichts zu suchen. Den festen Einband wählt man nicht nur weil er professioneller aussieht, er verhindert auch dass einzelne Seiten herausgerissen werden können, ohne dass der Leser dies bemerkt. Der Einband sollte aus stabilem Buchkarton bestehen, damit das Laborjournal nicht gleich auseinander fällt, wenn man es einmal etwas härter auf die Bench knallt und auch das Papier sollte sich nicht sofort auflösen wenn es aus Versehen einen Tropfen Puffer abbekommt. In Biowissenschaftlichen Laboren sind DIN A4-formatige Laborjournale die Regel, in die sich auch Ausdrucke, Filme oder Blots einkleben lassen. Für Forscher die regelmäßig Feldstudien betreiben und dabei nicht immer eine sperrige DIN A4-Kladde herumschleppen wollen, bieten sich Laborjournale im DIN A5-Format an. Für beide gilt jedoch der Grundsatz, dass jede einzelne Seite mit einer Seitenzahl versehen sein muss.

Nicht mit Bleistift

Das zweite wichtige Requisit für die Führung eines ordentlichen Laborjournals ist der Schreibstift. Hört sich banal an, aber auch hier sollte man auf einige Dinge achten. Wer mit einem Füllfederhalter schreibt, sollte sich vergewissern, dass die benutzte Tinte im Laufe der Zeit nicht ausbleicht. Laborjournale müssen bis zu zehn Jahren aufbewahrt werden und solange sollte man auch den Inhalt entziffern können. Faserstifte oder Filzstifte deren Tinte auf dem Papier verläuft oder so stark durchdrückt, dass gleich mehrere Seiten angefärbt sind, sollte man lieber Kindern als Malwerkzeuge überlassen. Am besten für die Aufzeichnungen geeignet ist der gute alte Kugelschreiber, absolut tabu sind Bleistifte. Wer diese benutzt, setzt sich dem Verdacht aus, Daten manipulieren oder löschen zu wollen. Apropos löschen: Fehler streicht man mit einer dünnen Linie sauber durch und wischt sie nicht weg oder übertüncht sie mit Tippex.

Und was schreibt man in das Laborjournal hinein? Hier gilt der simple Grundsatz: Aufgezeichnet wird alles, was man im Labor tut und zwar so zeitnah wie möglich. Die erste Notiz ist immer das Datum und gegebenenfalls der Titel des durchgeführten Experiments. Bei umfangreichen Versuchen ist es ratsam, den Ablauf des Versuchs kurz zu beschreiben und darzulegen, warum man ein bestimmtes Experiment durchführt. Auch Routinearbeiten und Vorbereitungen, die für die Durchführung des Experimentes notwendig sind, müssen im Laborjournal vermerkt sein. Hierzu zählen zum Beispiel Angaben zu den eingesetzten Chemikalien, sowie deren Katalog-, Chargen- oder Batch-Nummern. Genauso selbstverständlich sollte es sein, dass man Pufferzusammensetzungen, Inhalte von Kulturmedien oder Verdünnungen von Lösungen im Laborjournal festhält.

Ein einfacher Zahlen- und Buchstabencode kann die Zuordnung von Laborjournaleinträgen und den auf den Regalen stehenden Flaschen erleichtern. Die ersten sechs Stellen des Codes, den man auf die Flaschenetiketten schreibt, stehen für das Jahr, den Monat und den Tag der Herstellung, eine zusätzliche Zahl gibt an, ob mehrere Chargen einer Lösung hergestellt wurden. Auf die Zahlenreihe folgen dann die Initialen des Herstellers. Notiert man diesen Code auf den Flaschen und trägt ihn gleichzeitig in das Laborjournal ein, lässt sich jederzeit zurückverfolgen, von wem die Lösungen stammen. Auch die Konzentrationsberechnungen für die Lösungen sollten nicht fehlen, seien sie noch so banal. Schon unzählige Experimente sind nur deshalb gescheitert, weil eine Stocklösung falsch angesetzt wurde. Hat der Experimentator seine Konzentrations-Berechnungen aufgezeichnet, ist dieser Fehler sehr schnell gefunden oder man kann ihn ausschließen.

Nicht zu unterschätzen sind auch Angaben zu den Plätzen, an denen wichtige Proben wie Plasmide, transfizierte Zellen oder Agarplatten aufbewahrt sind. Es lohnt sich durchaus sehr pingelig zu notieren, wo genau in der Gefriertruhe und in welcher der vielen darin gelagerten Boxen die Proben untergebracht sind.

Scheuen sie sich nicht davor, auch Gedanken, Ideen, Spekulationen oder Interpretationen von Versuchsergebnissen in das Laborjournal aufzunehmen. Eine vermeintlich gute Idee kann sich als abwegig erweisen, wenn sie auf einem Blatt Papier steht.

Wie die handschriftlichen Aufzeichnungen im Laborjournal optisch aussehen ist zweitrangig, niemand erwartet ein in Schönschrift verfasstes Werk mit perfekten Skizzen. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass man das Laborjournal nicht nur für sich selbst schreibt, sondern für jeden anderen Wissenschaftler, der berechtigt ist die Notizen zu lesen. In der Regel ist das Laborjournal kein privates Eigentum, sondern gehört dem Institut an dem man angestellt ist. Die Schrift muss deshalb auch für Fremde lesbar sein und der Text sollte keine selbstkreierten Abkürzungen enthalten die Außenstehende nicht entschlüsseln können.


Erzählen Sie eine Geschichte

Das Laborjournal sollte die Entstehungsgeschichte einer wissenschaftlichen Arbeit in chronologischer Reihenfolge erzählen. Deshalb ist es wichtig Ausdrucke, Fotografien, Western Blots, Spektrogramme und andere archivierbare Ergebnisse möglichst direkt einzukleben. Falls dies nicht möglich ist, weil die Ausdrucke oder Datensätze zu umfangreich sind oder auf einem elektronischen Medium gespeichert wurden, sollte man den Speicherort, etwa ein Verzeichnis auf einer Festplatte oder einem Server, und auch den „Pfad“ dorthin im Laborjournal exakt vermerken.

Während in vielen Pharma und Biotechunternehmen elektronische Laborjournale längst Standard sind, überwiegen in akademischen und universitären Forschungseinrichtungen noch immer handschriftlich geführte Aufzeichnungen. Die wenigsten Arbeitsgruppen haben das nötige Kleingeld, um sich eines der kommerziellen elektronischen Laborjournal-Programme leisten zu können. Vor diesem Problem stand auch die Gruppe von Lukas Gooßen, der an der Technischen Universität Kaiserslautern Organische Chemie lehrt. Gooßen setzte deshalb seinen Doktoranden Felix Rudolphi darauf an, ein elektronisches Laborjournal zu entwickeln. Im letzten Dezember schloss Rudolphi seine Doktorarbeit ab und präsentierte das von ihm kreierte elektronische Laborjournal „Open Enventory“ in den Nachrichten aus der Chemie (2010, Vol 58, 548-50).

Das Browser-basierte Open Enventory, das sich primär an Chemiker richtet aber auch für chemisch orientierte Biowissenschaftler interessant sein dürfte, ist aus zwei Programmteilen aufgebaut: der Chemikaliendatenbank und dem eigentlichen Laborjournal. Aus der Datenbank lädt man die für das Experiment oder die Reaktion notwendigen Ausgangsmaterialien in die neu angelegte Datei und trägt dann die gemachten Beobachtungen und Ergebnisse in Eingabefelder des elektronischen Laborjournals ein. Die zum Experiment gehörenden Fotos, Chromatogramme oder NMR-Spektren lassen sich ebenfalls in der entsprechenden Datei speichern. Neben vielen chemiespezifischen Programmwerkzeugen enthält Open Enventory auch eine Literaturdatenbank, die Zitate und Publikationen zu einer durchgeführten Reaktion als PDF-Dateien speichert. Wer Open Enventory testen oder mithelfen will dieses weiter zu entwickeln, findet auf der Webseite der AG Gooßen (www.chemie.uni-kl.de/forschung/oc/goossen/) eine Demodatenbank und die nötigen Informationen zum Download und zur Programmverwendung.


Letzte Änderungen: 29.04.2011