Editorial

Weniger ist mehr

Abgestufte GFP-Expression

Marcus Nalaskowski


GloFish

Sehen ziemlich grimmig aus: Fluoreszierende Zebrafische der amerikanischen Züchtungsfirma GloFish in der Farbvariante Electric Green. Foto: www.glofish.com

GFP-Fusionsproteine, die von einem starken Promotor bis zum Anschlag exprimiert werden, schaden oft mehr, als dass sie nutzen. Ein Vektorsatz mit schrittweise schwächeren Promotoren löst das Problem.

Das aus der Pazifikqualle Aequorea victoria stammende Grün Fluoreszierende Protein (GFP) isolierte der japanische Quallenforscher und Nobelpreisträger Osamu Shimomura erstmals 1961. Douglas Prasher klonierte schließlich 1992 die für GFP kodierende cDNA. Seitdem ist GFP von unschätzbarem Wert für die Lebenswissenschaften.

Verschiedene Anwendungen

Regt man GFP mit blauem oder ultraviolettem Licht an, fluoresziert es grün. Die Bildung des GFP-Fluorophors erfolgt autokatalytisch ohne weiteres Zutun Zell-spezifischer Faktoren. Aus diesem Grunde kann funktionsfähiges GFP auch in den Zellen anderer Lebewesen als Aequorea victoria problemlos gebildet werden.

Eine besonders wichtige Anwendung ist die Fusion von GFP mit beliebigen, für den jeweiligen Forscher interessanten Zielproteinen. Die Lokalisation des jeweiligen Fusionsproteins kann man so in der lebenden Zelle mikroskopisch über einen längeren Zeitraum beobachten.

Da die GFP-Familie inzwischen aus vielen in unterschiedlichen Farben fluoreszierenden Proteinen besteht, kann man verschiedene Fusionsproteine gleichzeitig in derselben Zelle verfolgen. Ein Beispiel für eine eher exotische Anwendung des GFP ist der grün fluoreszierende ­GloFish­­, der in den USA seit einigen Jahren für das Heimaquarium angeboten wird. In Deutschland ist seine Haltung jedoch aufgrund des Gentechnik-Gesetzes außerhalb von Forschungslaboren verboten.

Die enorme wissenschaftliche Bedeutung des GFP zeigt sich unter anderem an der außergewöhnlich hohen Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema. Allein in der Online Datenbank PubMed findet man unter dem entsprechenden Suchbegriff mehr als 44.000 Veröffentlichungen. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war die Ehrung von Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien mit dem Nobelpreis im Jahre 2008 für die Entdeckung und Weiterentwicklung des GFP.

Eine häufig benutzte Technik für die Expression von GFP-Fusionsproteine ist das Einbringen von entsprechenden Expressionsvektoren in Säugetier-Zellen. Bei den hierfür benutzten Vektoren wird die Expression der GFP-Fusionsproteine häufig durch den sehr starken, aus dem Cytomegalievirus stammenden CMV-Promotor angetrieben.

Viel hilft nicht immer viel
Eine über die physiologische Expression des Zielproteins weit hinausgehende Expression des Fusionsproteins durch den CMV-Promotor kann aber verschiedene Probleme verursachen. So liegen durch die starke Expression deutlich mehr Fusionsproteine X in der transfizierten Zelle vor als endogenes Protein X in der unbehandelten Zelle. Dies kann zur Überlastung der für die korrekte Lokalisation von Protein X verantwortlichen Transportsysteme oder zur Sättigung der Bindestellen für Protein X in der Zelle führen. Dadurch kann das Fusionsprotein an anderen Orten in der Zelle auftauchen als das endogene Protein X und den Forscher in die Irre führen. Auch die gleichzeitige Expression von zwei oder mehr in unterschiedlichen Farben fluoreszierenden Fusionsproteinen in einer Zelle ist problematisch. So beobachteten viele Arbeitsgruppen, dass das mit GFP fusionierte Protein die Expressionsstärke des Fusionsproteins beeinflusst. Dies kann dazu führen, dass die koexprimierten Fusionsproteine in deutlich unterschiedlicher Menge in der Zelle vorliegen. Dies ist ungünstig sowohl für die mikroskopische Beobachtung, als auch für die Untersuchung von Interaktionen zwischen den Proteinen. Offensichtlich existiert auch eine „dunkle Seite“ des GFP. So wird es in verschiedenen Veröffentlichungen verdächtigt, den programmierten Zelltod auszulösen oder zelluläre Prozesse zu stören. Sicher ist, dass die sehr starke Expression von GFP (oder eines anderen Proteins) belastend und schädlich für die Zelle sein kann.
Herbst

Mit vollständiger CMV-Kassette wird viel GFP in den transfizierten Tumorzellen hergestellt (l.). Entfernt man einen Teil des Enhancers, ist die Menge deutlich geringer.

Gestutzte Promotoren

Da uns diese Fragen und Probleme in unserem Laboralltag am Institut für Biochemie und Signaltransduktion des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Zentrum für Experimentelle Medizin) öfter begegnen, haben wir einen Vektorsatz für die abgestufte Expression von GFP und GFP-Fusionsproteinen entwickelt. Bei dessen Herstellung haben wir verschieden lange Abschnitte der CMV-Enhancer/Promotor-Kassette, welche die GFP-Expression in vielen Vektoren steuert, durch zielgerichtete Mutagenese entfernt. Dabei schnitten wir zwischen 76% der Kassette bei der kleinsten Deletion (die bereits früher von Kazutoshi Mori erfolgreich eingesetzt wurde) und 94% bei der größten Deletion heraus.

Diese sieben Vektoren benutzten wir anschließend, um GFP und GFP-Fusionsproteine in verschiedenen menschlichen Tumorzelllinien zu exprimieren und deren Expressionsstärke zu untersuchen. Aus der Expression von GFP mit diesen Vektoren resultierte wie erhofft eine stufenweise Absenkung der gemessenen Gesamtfluoreszenz pro Zelle. Bei der größten Deletion sank die Fluoreszenz im Vergleich zum unveränderten Vektor um eine Größenordnung. Auch bei der geringsten Expressionsstärke war das GFP in fast allen untersuchten Zelllinien noch problemlos mikroskopisch nachweisbar.

In weiteren Versuchen setzten wir die Vektoren ein, um ein mit GFP fusioniertes Protein in Tumorzellen zu exprimieren. Auch hier sank die Gesamtfluoreszenz pro Zelle stufenweise um insgesamt eine Größenordnung. Die Expression des endogenen Proteins in unbehandelten Zellen verglichen wir durch Western Blotting mit der Expression des Fusionsproteins in transfizierten Zellen. Dabei zeigte sich, dass bei zwei der Vektoren die Menge des hergestellten Fusionsproteins in den transfizierten Zellen ungefähr der Menge des endogenen Proteins in den unbehandelten Zellen entsprach. Es ist uns also in diesem Fall gelungen, das GFP-Fusionsprotein auf demselben Niveau zu exprimieren wie das endogene Protein. Dadurch wird die Sättigung von Bindungsstellen oder Transportsystemen für dieses Protein und die damit verbundenen Veränderungen seiner Lokalisation in der Zelle vermieden.

Stufenweise Absenkung

Mit unserem Vektoren-Satz lässt sich die Expression von GFP und GFP-Fusionsproteinen in Säugetier-Zellen stufenweise bis auf das Niveau des endogenen Proteins absenken. Die für die beschriebene Abschwächung der Expression notwendigen Modifikationen können problemlos in beliebige Vektoren mit CMV-Promotor eingefügt werden.

Weitere Details zur graduell abgeschwächten Expression von GFP-Fusionsproteinen und die Sequenzen der Primer, mit denen die abgeschwächten CMV-Promotoren hergestellt werden können, finden Sie in Nalaskowski et al., Anal Biochem. 2012 Sep 1;428(1):24-7.




Letzte Änderungen: 07.12.2012