Editorial

Verstärker mit Rauschfilter

RNAscope

Thorsten Lieke


Warum RNA immer mit einer qPCR detektieren, wenn es auch anders geht.

Kennen Sie das auch? Im Labor ist ein Platz als Sperrgebiet gekennzeichnet. Klebeband auf dem Tisch, Warnschilder mit Aufschriften wie: „mRNA! Hände weg!“. Mit Argusaugen überwacht von Mitarbeitern, die hier öfter mRNA aus Geweben und Zellsuspensionen isolieren. Ein Unterfangen, das mit Mythen und Aberglauben belegt ist: Nimm nur Spitzen von der Firma X, nie die von der Firma Y, da bleibt das Material dran kleben (obwohl das Plastik identisch ist) Wisch den Raum mit Ethanol, bevor du beginnst, und trage mindestens Handschuhe, Mundschutz und Haube, besser noch einen Astronautenanzug, sonst schleicht sich die böse RNAse in den Topf und macht dir alles kaputt.

Ob diese Vorsichtsmaßnahmen wirklich nötig oder nur Frust-Kompensation sind, sei dahin gestellt. Sie zeigen aber, dass der Nachweis von mRNA viele Tücken hat. Üblicherweise werden die Zellen lysiert, um dann mit Hilfe kommerzieller Kits die mRNA aus dem Zelllysat zu gewinnen. Die Lyse greift allerdings auch die mRNA an. Da mRNA nicht in rauen Mengen im Zytoplasma oder im Kern vorhanden ist, muss man sie erst vervielfältigen, um sie aufzuspüren.

Dazu schreibt man die fragile mRNA zunächst in stabilere cDNA um und quantifiziert diese dann in einer Real-Time quantitativen PCR (qPCR). Hierzu nutzt man fluoreszierende Sonden, die an die Ziel-DNA binden.

Rauschen
Ein permanentes Hintergrundrauschen ist nicht nur im Alltag nervtötend. Bei der verzweigten DNA in situ Hybridisierung stört es den Nachweis von RNA-Molekülen.

Viele Fehlerquellen

In den ersten Vervielfältigungs-Runden sind so wenige DNA-Moleküle vorhanden, dass die Fluoreszenz im Hintergrundrauschen verschwindet. Im Verlauf der PCR wird das Fluoreszenz-Signal jedoch stärker, da immer mehr Sonden binden. Schließlich überschreitet es einen Schwellenwert und folgt dem Verlauf einer S-förmigen Kurve. Aus dieser kann man die ursprüngliche Menge cDNA und damit auch der mRNA relativ zu einem konstitutiv exprimierten Haushaltsgen ermitteln. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass man nur ein Zerrbild der Realität erhält, denn die qPCR ist nicht nur aufwendig, sondern auch fehleranfällig. Schon seit längerem suchen Forscher deshalb nach Alternativen. Eine davon ist die 2001 von einer Gruppe von Bayer Diagnostics in Kalifornien vorgestellte so genannte verzweigte DNA in situ Hybridisierung (Player et al., J Histochem Cytochem 2001, 49, 603-12).

Wie bei der qPCR verwendet diese Sonden, die an DNA oder RNA binden. An diese dockt ein sogenannter Vorverstärker an, der Bindungsstellen für bis zu 20 weitere Verstärker-Moleküle besitzt. An jeden dieser Zweige können 20 Detektions-Moleküle binden, etwa Fluorochrome oder auch andere Moleküle wie Meerrettich-Peroxidase. Auf diese Weise hängen schließlich an jedem DNA- beziehungsweise mRNA-Molekül bis zu 8.000 Detektionsmoleküle. Die einzelnen Nukleinsäuremoleküle lassen sich dann mit direkten optischen (mikroskopischen) Methoden nachweisen.

Diese Methode hat jedoch ein Manko. Da mehrere Inkubationsschritte mit unterschiedlichen Reagenzien aufeinander folgen, hinterlässt jedes Reagenz ein gewisses Maß an unspezifischer Bindung. Dies führt häufig zu einem universellen, alles überdeckenden Hintergrundsignal. Je stärker die unspezifischen Bindungen in den ersten Schritten der Verstärkung des Ausgangssignals sind, desto stärker das Rauschen.

Rauschfreie Signale

Die kleine Biotech-Firma Advanced Cell Diagnostics mit Sitz im Silicon-Valley nahe San Francisco hat eine Methode patentieren lassen, die das Störsignal nahezu eliminiert und eine PCR und sogar eine Lyse der Zellen überflüssig macht. Das Verfahren nennt sich RNAscope und basiert auf einer Variante der verzweigten DNA-Hybridisierung (Wang et al., J. Mol. Diagn., 2012, 14, 22-9). Auch RNAscope verwendet verzweigte Sonden, die viele tausend Detektionsmoleküle an einzelne mRNA Moleküle fixieren. Im Gegensatz zum Standardverfahren interagieren die Sonden jedoch mit der mRNA. Sie bestehen aus einer 18 bis 25 Basen umfassenden Region, die komplementär zur Ziel-mRNA ist, einem Linker und einer weiteren, 14 Basen langen so genannten Tail-Sequenz. Die Sonde ist so konzipiert, dass die beiden Regionen durch den Linker in einer Z-Form miteinander verbunden werden.

Der Kniff bei der Methode liegt in der Tail-Sequenz. Die Z-förmigen Sonden binden an die mRNA und werden mit einem Vorverstärker inkubiert, der an die Tail-Sequenz bindet. Der Verstärker besitzt eine 28 Basen-lange Bindesequenz, so dass er nur dann andocken kann, wenn zwei Z-Sonden nebeneinander mit ihren 14 Basen-langen Tail-Sequenzen eine 28 Basen-lange Bindungssequenz für den Vorverstärker bilden. Auf diese Weise formen die Z-Sonden mit ihren komplementären mRNA-Regionen zwei unmittelbar aufeinander folgende „Primer“. Man kennt das prinzipiell auch aus einer herkömmlichen PCR: je länger der Primer, desto spezifischer die Bindung. Durch die Kombination der unabhängigen Sonden, die nur als Einheit von dem Verstärkermolekül erkannt werden, wird sichergestellt, dass sich der Anteil unspezifischer Bindungen auf ein Minimum reduziert.

Voraussetzung für die Methode ist, dass die zu analysierenden Zellen durch Paraformaldehyd fixiert sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Suspension von Zellen oder um fixierte Gewebsschnitte handelt. Nach dem Verdau der Zellen mit Protease bleibt die vorhandene mRNA lokal erhalten und konserviert. Das Hintergrundrauschen ist so schwach (das jedenfalls zeigen die Fluoreszenzmikroskopie-Bilder in der Publikation), dass sich schon wenige RNA-Kopien pro Zelle nachweisen lassen. Konnte man bei der verzweigten DNA-Hybridisierung aufgrund des Rauschens lediglich schlussfolgern, ob mRNA im Kern oder Zytoplasma lokalisiert ist, erlaubt die RNAscope-Methode Aussagen darüber, wie viele Kopien der jeweiligen mRNA in der Zelle vorliegen.

Und es gibt noch einen weiteren Vorteil bei der Verwendung der Z-Sonden: nicht nur die zur mRNA-komplementäre Region lässt sich an alle möglichen mRNA-Sequenzen angleichen. Auch die Tail-Sequenz kann so modifiziert werden, dass die entstehende 28-Basen-Region spezifisch für unterschiedliche Vorverstärker ist. Auf diese Weise lassen sich unterschiedliche Fluorochrome an die Zweige heften. Mit diesen kann man dann in einer einzelnen Zelle mehrere unterschiedliche mRNA-Moleküle nachweisen.

RNA-Durchflusszytometrie

Theoretisch hängt deren Zahl nur von der Anzahl der unterscheidbaren Fluorochrome ab. Diese ist für die Mikroskopie relativ begrenzt, mehr als vier unterschiedliche Farben sind mit handelsüblichen Mikroskopen meist nicht drin. Ganz anders in der Durchflusszytometrie. Moderne Zytometer können zehn oder zwölf Farben unterscheiden. Kombiniert man RNAscope mit der Durchflusszytometrie, so resultiert daraus eine neue Variante der RNA-Durchflusszytometrie. Mit dieser kann man nicht nur viele unterschiedliche mRNA-Moleküle nachweisen, sondern auch ganze Zell­populationen markieren und auf ­Ziel-mRNAs­ untersuchen (Hanley et al., PLoS One, 8). Hierbei analysiert man die mRNA mit den für die Durchflusszytometrie üblichen Verfahren, etwa dem DotBlot, und kann so zum Beispiel die Expression von Zielgenen mit der eines Haushaltsgens vergleichen – und das ganz ohne die Tücken der RNA-Isolierung und RNase-freie Sperrgebiete.




Letzte Änderungen: 11.04.2013