Editorial

Gepünktelter Kohlenstoff

Carbon-Dots

Mario Rembold


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Kaum entdeckt und schon der neue Hoffnungsträger für das Bioimaging: Fluoreszierende Carbon-Dots. Foto: iPrashant Sarswat

Die erst for wenigen Jahren entdeckten Carbon-Dots könnten eines Tages Fluoreszenzfarbstoffe und Quantum-Dots in Bioimaging-Experimenten ablösen. Noch stecken sie aber in den Kinderschuhen.

Dass draußen ein heißer Sommertag ist, bekommt man in diesem dunklen Keller nicht mit. Bloß kein Tageslicht, es würde die Proben versauen! Deckgläschen auflegen, Fokus einstellen – und dann, sobald die UV-Lampe auf den Objektträger brennt, gilt es, schnell zu sein. Bevor das DAPI ausbleicht, muss jede Zelle, die DNA enthält, ausgezählt sein.

So hatte der Autor während des Studiums einst eine Juniwoche verbracht. Ähnliche Erlebnisse wird jeder kennen, der schon mit leuchtenden Proteinen und Antikörpern gearbeitet hat. Erleichterung für die geplagten Forscher sollten Quantum-Dots bringen, denen Laborjournal bereits 2003 ein Stichwort widmete (Link).

Nanokristalle

Quantum-Dots sind Minikristalle mit Kantenlängen von etwa zehn Nanometer, die sich wie ein einzelnes Atom mit kurzwelligem Licht zur Fluoreszenz anregen lassen. In welcher Farbe ein Quantum-Dot leuchtet, hängt von seiner Größe ab: Ein Kristall mit zwei Nanometern Durchmessern strahlt kurzwelligeres Licht ab, als einer aus denselben Atomen mit einem Durchmesser von acht Nanometern. Und weil sie schön hell leuchten, will man mit ihnen neuartige Displays bauen.

Da die Nanopartikel wochenlang stabil bleiben und weder im Tageslicht, noch unter der UV-Lampe ausbleichen, wurden Anfang des Jahrtausends auch die Biowissenschaftler hellhörig. Sie modifizierten die Quantum-Dots, um Zellen und Gewebe zu färben und verwendeten sie etwa als sekundäre Antikörper, oder – mit Nukleotid-Schablonen versehen – um spezifische DNA-Sequenzen in einer bestimmten Farbe leuchten zu lassen. Auch untersuchten sie lebende Zellen mit Quantum-Dots: eine Gruppe konstruierte vor 12 Jahren Quantum Dots, die an einen EGF-Rezeptor binden und von den Zellen aufgenommen werden (Nat Biotechnol., 22(2):198-203).

Die Fluoreszenz verdanken Quantum-Dots ihren Halbleitereigenschaften. Leider sind in den Nanokristallen aber auch Schwermetalle wie Zink und Cadmium gebunden; und die wirken auch in vergleichsweise geringen Konzentrationen toxisch auf lebende Zellen. Das limitiert die Einsatzmöglichkeiten fürs Bioimaging. Eine weiteres Problem ist das ‘Blinken’ der Quantum-Dots. Die Partikel erlöschen im UV-Licht schon mal plötzlich, um kurze Zeit später wieder aufzuleuchten. Dieses zufällige Blinken erschwert ein hochauflösendes Scannen von Proben.

Vor zwölf Jahren entdeckten Forscher, die Kohlenstoffnanoröhren untersuchten, jedoch fluoreszierende wasserlösliche Nanopartikel. Auch in anderen Laboren stieß man in den Folgejahren auf ähnliche Kohlenstoffklümpchen, die meist kleiner als zehn Nanometer waren. Diese Carbon-Dots oder kurz C-Dots waren frei von Schwermetallen, und blinkten auch nicht unter UV-Licht.

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Nicht toxisch und ohne zu blinken

Seither sehen einige Biowissenschaftler in C-Dots einen neuen Hoffnungsträger für das Bioimaging. Nicht zuletzt, weil diese erst in hohen Konzentrationen toxisch wirken indem sie vermutlich osmotischen Stress verursachen. Die Dosen, die man benötigt, um lebende Zellen mit C-Dots zum Leuchten zu bringen, sind offensichtlich unproblematisch.

Wissenschaftler testeten C-Dots nicht nur in Zellkulturen, sondern auch in der Maus. Man kann sie beispielsweise in die Pfote injizieren und dann den Verlauf der Lymphgefäße sichtbar machen – wobei dies laut eines Papers von 2009 mit den klassischen Quantum-Dots besser ­funktioniert.

Die Kohlenstoff-Pendants benötigen mehr Zeit, um sich im Gewebe zu verteilen. Sie werden größtenteils über die Niere ausgeschieden, akkumulieren aber, wie viele Nanopartikel, in Tumorzellen. Das macht sie für diagnostische Anwendungen attraktiv, aber auch, um gezielt Wirkstoffe in einen Tumor zu schleusen.

Vor kurzem haben chinesische Forscher um Mingqian Tan das Zytostatikum Doxorubicin elektrostatisch an negativ geladene C-Dots gebunden. Solange diese Bindung besteht, fluoreszieren die C-Dots nicht und sind ausgeschaltet (Off-State). Erst wenn sich Doxorubicin vom Partikel löst, emittiert dieser wieder Licht. So kann man optisch verfolgen, wann und wo das Zytostatikum freigesetzt wird. Weil die C-Dots bevorzugt in Tumorzellen eindringen, wirkt die Doxorubicin-Behandlung stärker gegen HeLa-Zellen als gegen Fibroblasten, zumindest in vitro (Biotechnol Lett. 2016, 38(1):191-201).

Wie produziert man diese wundersamen C-Dots? Wer auf die Top-down-Variante steht, nimmt elementaren Kohlenstoff in Form von Graphit oder Diamant und löst winzige Partikel heraus – beispielsweise mittels Laserablation. Man kann aber auch gewissermaßen von unten, also Bottom-up, an die Sache herangehen. Bei dieser Variante oxidiert man organische Verbindungen, um die winzigen Kohlenstoffkristalle zu gewinnen.

Funktionalisierte C-Dots

C-Dots enthalten aber meist auch andere Atome, beispielsweise Sauerstoff. Zusätzlich können weitere Moleküle kovalent an deren Oberfläche gebunden sein. Dieses ‘Capping’ kann man auch gezielt einsetzen, um C-Dots mit gewünschten Eigenschaften herzustellen. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil C-Dots in vielen Fällen ohne diese Modifikationen keine oder nur eine sehr schwache Fluoreszenz zeigen. Außerdem lassen sich auf diesem Weg funktionalisierte C-Dots produzieren, um bestimmte Zellstrukturen spezifisch anfärben zu können.

Um an die leuchtenden Helferlein aus der Nanowelt heranzukommen, ist nur ein wenig Phantasie nötig. MacGyver hätte sicher große Freude an den C-Dots, denn sie lassen sich unter anderem auch aus Alltagsmaterialien gewinnen. Vedran Milosavljevic et al.haben etwa ein Kochrezept vorgestellt, wie man sie in der Mikrowelle zubereitet (Journal of Metallomics and Nanotechnologies 2014, 3, 16-22). Als Kohlenstoffquelle nehme man wahlweise Citronensäure oder Vitamin C. Das ganze verrühre man 30 Minuten lang mit dem gewünschten Capping-Reagenz.

C-Dots aus der Mikrowelle ...

Die Autoren nahmen dafür in drei unterschiedlichen Ansätzen jeweils Polyethylenglycol (PEG), Polyvinylpyrrolidon (PVP) oder Rinderalbumin (BSA). Damit sich C-Dots bilden, braucht man normalerweise recht hohe Temperaturen von deutlich über 300 °C. Viele Capping-Reagenzien halten diese Prozedur nicht aus. Glücklicherweise carbonisieren Ascorbin- und Citronensäure schon unter 140 °C. 20 Minuten in der Mikrowelle bei 300 Watt reichen daher aus, um blau fluoreszierende C-Dots herzustellen, die sich mehrere Monate halten.

Ein ähnlich simples Verfahren nutzte Thomas Hirschs Gruppe vom Institut für Analytische Chemie, Chemo- und Biosensoren der Universität Regensburg für die Herstellung von C-Dots. Die Regensburger füllten hierzu Stärke in einen Edelstahlautoklaven, gaben eine Aminosäure dazu und erhitzten das Ganze. Diese ­hydrothermale Karbonisierungs-Methode lieferte photostabile, stark lumineszierende C-Dots, mit denen Hirschs Team zum Beispiel Nierenzellen anfärbte (www-analytik.chemie.uni-regensburg.de/hirsch/Poster/C-dots-2014.pdf).

... oder Instantkaffee

Wer bereits ‘fertige’, fluoreszierende C-Dots haben will, wird sogar in der eigenen Küche oder in der nächsten Eckkneipe fündig. In einem Online-Editorial berichtete Laborjournal über C-Dots in Bier (Link). Vermutlich entstehen die Nanopartikel, wenn Hopfen und Malz vor dem Brauen erhitzt werden.

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Der Phantasie sind bei der Synthese von Carbon-Dots keine Grenzen gesetzt. Eine chinesische Gruppe isolierte sie kürzlich aus chinesischem Tsingtao-Bier. Foto: Kayli Lum

Ähnliches passiert wohl auch beim Rösten von Kaffee, denn dasselbe Forscherteam hatte bereits vor zwei Jahren C-Dots aus Nescafé isoliert (Talanta, 2014, 127:68-74). Man löst das Pulver in 90 °C heißem Wasser, rührt ordentlich um und gibt das Getränk in die Zentrifuge. Nach einer Viertelstunde bei 14.000 Umdrehungen pro Minute kommt der Überstand auf einen Filter, der nur Partikel durchlässt, die kleiner sind als 0,22 µm. Das Filtrat trennt man chromatographisch über eine Sephadex-Säule und fängt die fluoreszierenden Fraktionen, die die C-Dots enthalten, auf. Mit den isolierten C-Dots kann man in-vitro-Zellkulturen anfärben oder Guppys im UV-Licht zum Leuchten bringen, wenn man ihnen die C-Dots ins Futter mischt.

Dass man künftig auf Bier und Instantkaffee als Rohstoffe für die ­C-Dot-Produktion im industriellen Maßstab zurückgreift, ist wohl nicht zu erwarten. Prinzipiell aber zeigen diese Arbeiten, dass C-Dots in Lebensmitteln vorkommen, die Menschen schon seit mehr als hundert Jahren konsumieren. Offenbar richten die Nanopartikel dabei keine Schäden an. C-Dots, wie sie in Getränken vorhanden sind, dürften also relativ harmlos sein.

Einheitliche Nanopartikel nötig

Doch ob die C-Dots nun aus dem Kaffee oder dem Labor stammen: für reproduzierbare Experimente und erst recht für medizinische Anwendungen sind einheitliche Partikel unabdingbar. Das beginnt mit der Partikelgröße, die man über Filter oder per Chromatographie selektieren kann. Aber auch die sonstigen physikalischen und chemischen Eigenschaften müssen für einen bestimmten Typ von C-Dots einheitlich sein und kontrolliert werden.

Bislang ist es schwer, solche Partikel im großen und industriell relevanten Maßstab zu produzieren. Das meiste, was man in der Literatur findet, stammt aus ­Proof-of-Concept-Experimenten mit C-Dots in sehr unterschiedlicher Qualität. Zwar gibt es einzelne Berichte von C-Dots mit hoher Leuchtkraft und einer Quantenausbeute von über 50 Prozent. Vielfach liegen diese Werte aber deutlich niedriger. Einige kommen gerade mal auf ein Prozent Quantenausbeute, Nescafé- und Bier-Dots erreichen zwischen fünf und acht Prozent.

Bei den Farben sieht es bislang auch nicht wirklich bunt aus. Fast alle C-Dots leuchten blau oder grün, Varianten in gelb und rot sind selten. Für ein Mehrfach-Labelling sind C-Dots momentan also noch nicht das Mittel der Wahl. Aber die Entdeckung ist ja gerade mal zwölf Jahre alt, C-Dots stecken noch in den Kinderschuhen.

Für Pioniere gibt es also noch einiges zu entdecken. Gut möglich, dass Sie beim Frühstück oder zu Mittag gerade den Fluoreszenzfarbstoff der Zukunft essen oder trinken!






Letzte Änderungen: 01.03.2016