Editorial

Gut Ding braucht Weile

Gene Editing mit Peptid-Nukleinsäuren

Andrea Pitzschke


CRISPR-Cas ist derzeit der Renner unter den Gene Editing-Technologien. Das bedeutet jedoch nicht, dass die bisher verwendeten Methoden und Ansätze ausgedient haben – im Gegenteil.

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Der Bioingenieur und Nanotechnologe Mark Saltzman von der Yale University entwickelte die Nano-Fähren, die Peter Glazers Peptid-Nukleinsäuren zu den Zielgenen beförderten. Foto: Universität Yale

Manchmal zahlt sich eine beharrliche, jahrzehntelange Entwicklungsarbeit eben doch aus. Ein überzeugendes Beispiel hierfür liefert die Gruppe des Radiologen und Genetikers Peter M. Glazer von der Yale University in Connecticut.

Seit fast 20 Jahren tüftelt Glazer mit seiner Mannschaft an der zielgerichteten Mutagenese mit Hilfe von Peptid-Nukleinsäuren (PNAs). In einem jüngst erschienen Paper berichtet er, wie sein Team mit PNAs einen Gendefekt in Mäusen korrigierte (Nat Commun 7, 13304). Bemerkenswert an Glazers PNAs-Technik ist insbesondere die hohe Spezifität – Off-target Effekte, die weit entfernt vom eigentlichen Zielgen unkalkulierbare Mutationen auslösen, treten praktisch nicht auf.

Wie funktioniert das Gene Editing mit PNAs? Das Verfahren macht sich die strukturelle Flexibilität und „Paarungsneigung“ von DNA zunutze, die ein Faible für Wasserstoffbrückenbindungen hat. Bei der Identität des Partners drückt sie jedoch ein Auge zu. Hier kommen die PNAs ins Spiel. Ihre Struktur ist der „normaler“ DNA nachempfunden. Genau wie DNA tragen sie Purin- und Pyrimidinbasen und auch der Abstand zwischen den Basen ist in PNAs ähnlich wie in der DNA. Nur sind die Basen in PNAs an ein Polyamidgerüst geknüpft.

Dreifach-Helix

PNAs können an einzelsträngige DNA über Watson-Crick-Basenpaarung binden. Die Bindung ist jedoch fester als im klassischen DNA-Doppelstrang. Außerdem interagieren PNAs mit ihrem DNA-Partner über Hoogsteen-Bindungen, wobei eine Triple-Helix entsteht. ­Hoogsteen-Bindungen sind unkonventionelle Wasserstoffbrückenbindungen, die insbesondere in A/U-Paarungen vorkommen und zur Stabilisierung der Tertiärstruktur von tRNAs beitragen.

Bei der zielgerichteten Mutagenese mit PNAs umgreifen die PNAs ihre Ziel-DNA wie eine Klammer. Die PNAs-Klammer besteht aus zwei Hälften sowie einem flexiblen Zwischenstück. Die beiden Klammerhälften passen exakt zum festzukrallenden DNA-Strang.

Eine Hälfte enthält eine kurze Kette aus circa zehn Purinen, beispielsweise TCCTTCCCCC, die an DNA-Abschnitte mit der Sequenz AGGAAGGGGG bindet und hierdurch den Partnerstrang der DNA-Doppelhelix verdrängt.

Die zweite besteht aus Thymidin sowie Pseudoisocytosin (J)-Resten; in unserem Beispiel also TJJTTJJJJJ. Pseudoisocytosin ähnelt protoniertem Cytosin, kann aber pH-unabhängig an komplementäre Basen (G) binden. Trifft die PNA-Klammer auf ihre Ziel-DNA, so kommt es zur Strang-Invasion, bei der J über ­Hoogsteen-Bindungen eine PNA-DNA-PNA-Triple-Helix erzeugt.

Interessant wird das Ganze dadurch, dass diese Triple-Helices die zelluläre Rekombinations- und DNA-Reparaturmaschinerie in Gang setzen. Die PNA-Klammer ist nur das Werkzeug, den eigentlichen Nukleotid-Austausch bewerkstelligt die Homologie-abhängige „Reparaturwerkstatt“ (HDR) der Zelle.

Diese baut die mitgelieferte, einzelsträngige, circa vierzig Nukleotide lange Donor-DNA in die Triple-Helices ein. Die Donor-DNA liefert die Information zur Sequenz-Spezifität und enthält die gewünschte Sequenzänderung. Sie ist bis auf das auszutauschende Nukleotid homolog zur Zielsequenz.

Ursprünglich verknüpften die Forscher Donor-DNA und PNA-Klammer kovalent über eine Maleimid-Bindung. Glazer und seine Crew fanden jedoch schon vor einiger Zeit heraus, dass der aufwändige Kopplungsschritt kein Muss ist. Es genügt, PNA und Donor-DNA einfach zu mischen, um in den damit behandelten Zellen die Rekombination und DNA-Reparatur, in der Zielregion auszulösen.

Glazer und seine Mannschaft ignorierten den zwischenzeitlichen Hype um CRISPR-Cas und tüftelten beharrlich an der PNAs-Technik weiter, um diese auch in vivo einsetzen zu können. Hierbei konzentrierten sie sich auf zwei wesentliche Fragestellungen des PNAs-basierten Gene Editings: Mit welchen chemischen Modifikationen lässt sich die Spezifität des PNA-Moleküls weiter verbessern und wie kann man die PNAs möglichst effektiv in die Zellen einschleusen?

Durchbruch mit Gamma-PNAs

An der Modifikations-Front werkelte Glazers Team zunächst an sogenannten Tail-Clamp-PNAs. Diese PNA-Varianten enthalten eine verlängerte Domäne für Watson-Crick-Bindungen, die sowohl die Effizienz als auch die Spezifität des Editierens erhöht. Zudem fand Glazers Team heraus, dass einige wenige Lysin-Reste am Vorder- und Hinterende die Löslichkeit der eingesetzten PNAs sowie ihre DNA-Affinität erhöhen.

Den richtigen Durchbruch bei den chemischen Modifikationen erzielte die Gruppe aber erst, als sie auf die Idee kam, die PNAs an der Gamma-Position des Peptid-Rückrats mit einer kovalent verknüpften Mini-Polyethylen-Glykol-Gruppe zu versehen. Diese verstärkt die Affinität der PNAs für DNA erheblich und fördert die Ausbildung der Triple-Helices. Gamma-modifizierte PNAs können hierdurch wesentlich leichter in doppelsträngige DNA eindringen.

Jedes noch so ausgeklügelte therapeutische Molekül ist aber nutzlos, wenn es nicht an seinen Bestimmungsort gelangt. Um für eine Gentherapie in Frage zu kommen, müssen PNAs und Donor-DNA in die Zellen sowie den Zellkern vordringen. Glazers Team experimentiert schon seit einigen Jahren mit Nanopartikeln aus ­Poly(lactid-co-glycolid), (PLGA), die als Transportmittel für die PNAs dienen.

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Forscht seit beinahe zwanzig Jahren an Gene Editing-Verfahren mit ­Peptid-Nukleinsäuren und ließ sich auch von dem Hype um CRISPR-Cas nicht davon abbringen: Peter Glazer. Foto: Universität Yale

Nano-Fähren bringen PNAs ins Ziel

Die von Glazers Kompagnon Mark Saltzman entwickelten PLGA-Nanopartikel, liefern PNA und Donor-DNA ­zuverlässig am Bestimmungsort ab und sind zumindest für Mäuse ungiftig. Zudem lösen sie in diesen auch keine Abstoßungs-, Entzündungs- oder andere unerwünschte Reaktionen aus. Die Forscher beluden die Nanopartikel mit einem Zwei-zu-Eins Gemisch aus PNA- und DNA-Donormolekülen und untersuchten deren Struktur mittels Scanning-Elektronenmikroskopie sowie Dynamic Light Scattering. Aus den Aufnahmen schlossen Glazers Leute, dass die Nanopartikel ihre Fracht aus PNAs und Donor-DNA, zuverlässig an ihrem Bestimmungsort ablieferten.

Nach diesen Vorarbeiten wagte sich die Gruppe schließlich an die Gentherapie von Mäusen. Diese beherbergten ein beta-Globin Intron 2-GFP-Konstrukt mit einer Punktmutation innerhalb des (menschlichen) beta-Globin Introns, die Blutarmut (Thalassämie) verursacht.

Die Einbettung des mutierten beta-Globin Introns in die GFP-Sequenz verhindert das korrekte Spleißen der beta-Globin-GFP mRNA und somit auch die Expression von GFP. Wird das mutierte beta-Globin Intron durch PNA-vermitteltes Gene Editing jedoch gegen eine korrekte Version ausgetauscht, wird die Globin-GFP mRNA gespleißt und GFP exprimiert. Die Zellen sollten hierdurch grün fluoreszieren. Soweit der Plan von Glazer und seinen Mitarbeitern.

Also verabreichten sie den Mäusen intravenös vier Milligramm Nanopartikel (bei einem Menschen wären das circa 600 mg), die mit dem PNA/DNA-Donor-Gemisch zur Globin-Korrektur beladen waren. Nach zwei Tagen entnahmen sie den Mäusen Zellen aus Knochenmark sowie Milz und quantifizierten die durch GFP ausgelöste Fluoreszenz. Dabei zeigte sich, dass die Behandlung tatsächlich angeschlagen hatte. Zudem bestätigten auch Deep-Sequencing Experimente den Einbau der DNA.

Der Patient kann sich im übertragenen Sinn aber auch aktiv am Heilungsprozess beteiligen. Und zwar über die Tyrosin-Rezeptor-Kinase CD117 (auch bekannt als Proto-Onkogen c-Kit-Protein), die sich auf der Oberfläche von Blutstammzellen befindet. Bindet der CD117-Ligand, Stammzellfaktor (SCF) an CD117 so bildet dieses Homodimere. In dieser aktivierten Form steigert CD117 die Zellproliferation und -differenzierung.

Glazer reicherte CD117-exprimierende Zellen an und stimulierte sie mit dem Stammzellfaktor. Tatsächlich war das PNA-vermittelte Gene Editing in diesen deutlich (bis 15 Prozent) effektiver als in nicht-stimulierten Kontrollzellen. Dies lag aber nicht daran, dass die Zellen die Nanopartikel unterschiedlich gut aufnahmen. Aufgrund von Microarray-Analysen und Immunoblots kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die verbesserte Effektivität des PNAs-Editings auf der höheren Expressionsrate von DNA-Reparaturfaktoren beruht.

Nachhaltige Behandlung

Eine zweite Gruppe Mäuse trug ein defektes beta-Globin-Gen anstelle des Maus-eigenen Pendants, war also tatsächlich krank. Bei diesen Mäusen führte die PNA-Spritze, inklusive einer zusätzlichen Behandlung mit SCF, in sieben Prozent der hämatopoetischen Stammzellen zur Genkorrektur. Auch 140 Tage nach der Behandlung fanden die Forscher im Mäuseblut erhöhte Hämoglobinwerte. Die Behandlung ist also offenbar auch nachhaltig.

Und wie sieht es mit Nebenwirkungen aus? Off-Targets mutierten 1.200- bis 1.600-mal seltener als das Ziel-Gen. Auch bei Genotoxizitätstests waren die Knochenmarkszellen und Fibroblasten Nanopartikel-behandelter Mäuse unauffällig. Doppelstrangbrüche traten hier nicht öfter auf als in den entsprechenden Kontrollproben und auch die Zellteilung und -differenzierung war nicht beeinträchtigt.

Wenn das nicht vielversprechend klingt!






Letzte Änderungen: 09.12.2016