Editorial

Praxis statt grauer Theorie

Durchflusszytometrie-Kurs am EMBL

Malte Paulsen


Verlässliche Daten aus dem Durchflusszytometer erhält man nur mit korrekten Geräteeinstellungen. Was es hierbei zu beachten gilt, lernen Neulinge am Besten in einem soliden Durchflusszytometrie-Kurs.

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Foto: Malte Paulsen

Früher war die Durchflusszytometrie fest in der Hand der Immunologen, mittlerweile setzen sie auch andere Biowissenschaftler häufig ein, um zum Beispiel die Genexpression, Zellviabilität, Apoptose sowie die Phosphorylierung von Proteinen zu analysieren oder Zellen zu sortieren. Dank moderner Geräte und kommerzieller Kits sowie vorgefertigter Protokolle generiert der Anwender in kurzer Zeit viele Daten, die eine Software aufbereitet und in entsprechenden Diagrammen darstellt.

Die mit dem Durchflusszytometer gewonnen Daten sind sehr stark von den Geräteeinstellungen abhängig. Hier lauert eine der größten Gefahren der Durchflusszytometrie: Viele Anwender kennen die exakte Funktionsweise der Instrumente nicht, was die Qualität der Daten oft nachhaltig beeinträchtigt.

Die lückenhaften Kenntnisse liegen einerseits daran, dass die Durchflusszytometrie im Studium vielfach nur theoretisch vermittelt wird. Andererseits fehlen oft auch während der späteren Labortätigkeit tiefgehende, praktische Schulungen.

Nur lückenhafte Kenntnisse

Häufig stellen sich neue Nutzer in der Core Facility für Durchflusszytometrie des EMBL in Heidelberg vor und geben an sich mit Durchflusszytometern auszukennen und die zugrundeliegende Technik verstanden zu haben. Bei der verpflichtenden Einführung erkennt man dann aber schnell, dass sie in ihrer Arbeitsgruppe offensichtlich immer nur den gleichen Assay durchführten; oder das Zytometer immer mit den gleichen Einstellungen nutzten, die der Postdoc oder die TA vor Jahren einmal konfiguriert hatten.

In der Mikroskopie erkennen auch Nicht-Spezialisten relativ leicht schlechte Aufnahmen und Färbungen. In der klassischen, reduktionistischen Durchflusszytometrie sieht dies anders aus. Die Auswerteeinheit fasst jeden Parameter der gemessenen Zellen in einem einzigen Wert zusammen. Die korrekte Interpretation der zytometrischen Daten ist nur im Kontext des gesamten Experiments möglich. Hier muss man sich auf die Erfahrung und das Wissen des Nutzers, die Qualität der verwendeten Reagenzien und die Funktionalität des Gerätes verlassen können.

Zytometer bestehen aus vier technischen Komponenten, die perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen: Fluidik, Anregungsoptik, Fluorseszenzdetektions- und Lichtstreuungsoptik (Forward- und Side Scatter) sowie Elektronik. Letztere sorgt für die Verstärkung und Umwandlung der Signale durch Photomultiplier (PMT) sowie ihre weitere elektronische Verarbeitung und Darstellung mithilfe einer Software. Alle Zytometer sind nach diesem einfachen aber ausgefeilten Prinzip aufgebaut. Weiß man, wie die Komponenten funktionieren, kann man schnell und einfach feststellen, ob mit dem Gerät alles in Ordnung ist oder wo der Fehler liegt.

Technisches Basiswissen ist unabdingbar, um einige wichtige Zusammenhänge beim Umgang mit dem Durchflusszytometer zu verstehen. So erkennt zum Beispiel erst der geschulte Anwender, warum er bei Instrumenten, die auf der hydrodynamischen Fokussierung, also dem Einspritzen der Proben in einen laminar fließenden Hüllstrom basieren, sehr teure und wertvolle Proben nicht mit einem hohen Einspritzdruck vermessen sollte. Ein höherer Einspritzdruck sorgt zwar für einen höheren Zelldurchsatz im Probenstrom. Dies wird jedoch mit einem ausgedehnten Querschnitt des Probenstroms erkauft, der die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Zellen sehr dicht oder teilweise leicht versetzt durch den Laserfokus strömen.

Unschärfe durch zu hohen Druck

Die Konsequenz ist eine zusätzliche Unschärfe in der Messung, da die Zellen nicht immer exakt am optimalen Fokuspunkt vorbei fließen, wie es bei geringem Einspritzdruck weit häufiger der Fall ist.

Zusätzlich können sich die Signale von zwei Zellen überlappen, wenn sie zu dicht aufeinanderfolgend am Messpunkt vorbei marschieren. In diesem Fall greift die Logik der Software ein und verwirft die Messung dieser zwei Zellen (Abortrate), um das Gesamtergebnis der Messung zu schützen.

Das kann zwar auch bei geringerem Einspritzdruck passieren – aber längst nicht so häufig. Hierdurch erhöht sich die Chance, dass auch eine einzelne rare Zelle unter Millionen anderen erfasst wird und die Messung unter optimalen Anregungsbedingungen stattfindet.

Fehlerquelle Photomultiplier

Viele Durchflusszytometrie-Novizen wissen nicht so genau, wie Photomultiplier funktionieren und was passiert, wenn man die Spannung, also die Sensitivität der Detektoren, verändert. Es ist sehr wichtig, die PMTs mit einer optimalen Spannung zu betreiben, damit sie im linearen Messbereich mit großer dynamischer Breite arbeiten.

In den PMTs und Fluoreszenzfiltern liegen die größten Fallstricke der Durchflusszytometrie verborgen: Alles was man hier verändert, wirkt sich unmittelbar auf die Messung aus. Es kann dann zum Beispiel passieren, dass man die schwach gefärbte Population nicht mehr von der ungefärbten unterscheiden kann, weil man die stark gefärbte durch eine reduzierte PMT-Spannung noch auf den Plot kriegen wollte.

An diesem Punkt kommt auch der „heilige Gral“ der Zytometriker ins Spiel: Die Wahl der zueinander passenden Fluoreszenzfarbstoffe. Die Zahl der Antikörper und verfügbaren Fluoreszenzfarbstoffe ist in den letzten Jahren geradezu explodiert. Moderne Durchflusszytometer messen bis zu 48 verschiedene Farben gleichzeitig. Dabei ist schon die Entwicklung eines robusten Antikörper-Panels für die Messung von zehn bis zwölf Farben für die meisten Anwender eine Herausforderung – selbst mit Expertenunterstützung.

Bevor die Zellen durch die Fluidik des Durchflusszytometers strömen können, sind etliche Details zu klären. Welche Marker sind für die Fragestellung relevant? Wo sind diese exprimiert: auf der Oberfläche, im Zytoplasma oder im Zellkern? Wie stark werden sie exprimiert? Welches Färbeprotokoll sollte man einsetzen? Wie sind die optimalen Lager- und Kulturbedingungen vor der Färbung? Hier muss sich der Anwender intensiv mit den entsprechenden Fluoreszenz-Farbstoffen und deren Spektren auseinandersetzen. Auch sollte er eine Vorstellung davon haben, wie stark die Proteine, die er anfärben will, in oder auf den Zellen exprimiert werden.

Aber nur wenn er die grundlegende Technik der Durchflusszytometrie verstanden hat, kann er die geplanten Experimente sauber umsetzen und zum Beispiel auch neue Farbstoffe einsetzen. Ohne solide Kenntnisse stochert der Zytometriker im Nebel und läuft Gefahr unsichere, nichtreproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Eine Core Facility mit geschultem Personal kann in diesen Fällen fehlendes Wissen schnell und effektiv aufpolieren.

Aber wie sieht es aus, wenn es keinen Zugang zu einer Core Facility gibt, oder das gruppeninterne Zytometer von jemandem betreut wird, der das als Geräteverantwortlicher „nur so“ nebenbei macht?

Institutsunabhängiger Lehrplan

Um auch diesen Anwendern das nötige Grundlagenwissen zu vermitteln, habe ich mich mit dem Chef der Durchflusszytometrie Core Facility am DKFZ in Heidelberg, Steffen Schmitt zusammengetan, um einen Zytometrie-Basiskurs am EMBL auf die Beine zu stellen.

Von Anfang an war uns klar, dass sich dieser von den internen, oft auf die Ausrichtung des Instituts ausgelegten Seminaren unterscheiden müsste, um einen möglichst breiten Teilnehmerkreis mit einem klaren und zielführenden Lehrplan anzusprechen. Im Vordergrund des Kurses stand deshalb die praktische Arbeit mit dem Durchflusszytometer.

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Im Duchflusszytometrie-Kurs am Heidelberger EMBL stand zwar die Praxis im Vordergrund, ganz ohne Theorie ging es aber nicht. Foto: Malte Paulsen

Um für einen Praxiskurs nicht die Labore für einige Tage komplett dicht machen zu müssen, haben wir uns im Vorfeld mit einigen führenden Durchflusszytometrie-Firmen in Verbindung gesetzt. Wir waren sehr überrascht, wie groß die Bereitschaft der Firmen war, den geplanten Grundlagenkurs mit Instrumenten, Reagenzien und sogar Personal zu unterstützen. Am Ende standen uns zwei weitverbreitete Durchflusszytometer-Systeme mitsamt Software sowie Antikörpern für die Färbungen zur Verfügung. Die Antikörper setzten wir während des Kurses unter anderem für die Färbung intrazellulärer Signalproteine sowie Zytokine ein.

Kursbegleitende Experimente

Der fast fünftätige Zytometrie-Kurs am EMBL beschäftigte sich mit den praktischen Grundlagen der Zytometrie. Obwohl er sehr viele technische Inhalte vermittelte, stieß er bei den Teilnehmern auf eine gute Resonanz. Für jedes Thema hatten wir uns begleitende Experimente ausgedacht, die die Teilnehmer selbstständig durchführten (Färben, Messen, Auswerten). Die Experimente beschränkten sich auf grundlegende Anwendungen und Techniken – um die Prinzipien zu verdeutlichen, muss man nicht unbedingt eine spezielle Zwölf-Parameterfärbung durchführen. Mit einem geeigneten Farbstoffpanel und einer entsprechenden Kompensationsschaltung reichen dafür auch fünf bis sechs Farben aus.

Intensiver Austausch mit Kursleitern

Auf dem Stundenplan standen darüber hinaus Zellzyklus-Messungen (mit und ohne BrdU-Färbung), Zellzählungen (beadgestützt und volumetrisch), Proliferationsfärbungen inklusive Phosphoproteinen sowie Eigenschaften von Fluoreszenzproteinen. Die Pausen nutzten die Kursteilnehmer zum intensiven Austausch mit den Trainern, um die gerade besprochenen Themen zu vertiefen oder Probleme und Schwierigkeiten bei der eigenen Arbeit zu erörtern. Da auf drei Teilnehmer ein Trainer kam, gab es genügend Gelegenheit für den direkten Kontakt mit den Kursleitern.

Die Bewertungen des Kurses zeigen, dass er von den Teilnehmern gut aufgenommen wurde. Zur Erstauflage des Durchflusszytometrie-Kurses im Februar diesen Jahres hatten sich fast hundert Bewerber aus allen Teilen der Welt angemeldet – vom Doktoranden bis zum Arbeitsgruppenleiter war alles vertreten.

Im November findet ein zusätzlicher Basiskurs zur Zellsortierung im Rahmen des EMBO Curriculums statt. Wer daran teilnehmen möchte, sollte den Anmeldeschluss am 28. Juli 2017 nicht verpassen (www.embl.de/training/events/2017/CES17-01/).

(Malte Paulsen ist Chef der Flow Cytometry Core Facility am Heidelberger EMBL)






Letzte Änderungen: 12.06.2017