Editorial

Auf dem Weg zur Demokratisierung

Spezial: Neues aus der Welt der Nanoskopie

Karin Hollricher


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DNA-PAINT erreicht auch ohne sündhaft teures Nanoskop eine Auflösung von etwa zehn Nanometer.
Foto: Ralf Jungmann

Bunte Bilder von kleinsten zellulären Strukturen sind echte Hingucker. Forscher und Firmen tun ihr Bestes,die technologisch anspruchsvolle hochauflösende Mikroskopie einfacher und effizienter zu machen.

Die Nanoskopie hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Die prinzipiellen Ideen dazu stammen aus den neunziger Jahren, 2014 waren sie nobelpreiswürdig. Inzwischen kann man Mikroskope, die eine Auflösung von 100 Nanometer und darunter erreichen, bei verschiedenen Herstellern kaufen. Fast künstlerisch anmutende Bilder aus den innersten Strukturen von Zellen zieren zahlreiche Berichte in hochrangigen Journals. Die Techniken sind in vielen Reviews genau beschrieben. Das wollen wir hier nicht wiederkäuen, sondern wir fragten uns: Was gibt es denn Neues aus der Nanoskopie?

Superauflösende Mikroskopie ist, allen Anstrengungen von Forschern und Mikroskopherstellern zum Trotz, keine Standardmethode. Der Weg zu einem tollen superaufgelösten Bild ist mit vielen Hindernissen gepflastert. Speziell das Imaging lebender Zellen ist nicht trivial, weil man für die hohe Auflösung entweder eine hohe lokale Lichtleistung benötigt oder bei geringerer Leistung entsprechend lange belichten muss. Hohe Lichtleistung ist phototoxisch, lange integrieren kann man wegen der zellulären Dynamik nur mit fixierten Proben. „Um ein erfahrener Anwender der Lokalisationsmikroskopie zu werden, braucht man viel Training und eine neue Art des Denkens hinsichtlich Vorbereitung und Durchführung des Experiments“, heißt es in einem Editorial zum Thema (Nat Methods 11, 235). Umso wichtiger ist es für die Anwender, dass einfachere, nutzerfreundliche und gerne auch preiswerte Mikroskope auf den Markt kommen.

Wellenleiter-Mikroskop

Diese Anforderungen erfüllt nach Angaben der Arbeitsgruppe von Thomas Huser in Bielefeld ein Chip-basiertes Mikroskop, das mit einer Technik namens Entropy-based Super-resolution Imaging (ESI) arbeitet (ACS Photonics 2, 1049; Nat Photonics 11, 322). Mitentwickler Mark Schüttpelz erklärt, warum er die Chip-Mikroskopie für eine grandiose Idee hält: „Die gängigen Nanoskopie-Techniken setzen auf komplexe Mikroskope, während die Probe auf einem einfachen Objektträger liegt. Wir machen das anders: Wir benutzen einen zwar kompliziert aufgebauten, aber maschinell herstellbaren optischen Chip mit einem flachen Wellenleiter als Lichtquelle, auf den die Probe aufgebracht wird, sowie ein einfaches Mikroskop mit sehr preiswerter Kamera. Da der Wellenleiter mit geringer Lichtleistung auskommt, ist ESI schonender für Zellen und Phototoxizität ist kein Thema.“

Und so funktioniert ESI: Der Wellenleiter ist in den Chip integriert. Wird Laserlicht durch den Wellenleiter geführt, tritt ein geringer Teil des Lichts als sogenanntes evaneszentes Feld entlang des Wellenleiters aus. Das reicht schon, um die Fluorophore in der Probe anzuregen. Das Belichtungsprinzip basiert auf örtlich fluktuierender Fluoreszenzintensität. Änderungen in der Intensität erreicht man, indem man das Interferenzmuster der Modenverteilung im Wellenleiter – und damit das evaneszente Feld – für jede Aufnahme ändert. Aus rund 200 Aufnahmen lässt sich dann mit statistischen Methoden das Bild berechnen. Selbst mit einem 20x-Objektiv liegt die Auflösung weit unter 200 Nanometern. Schaltet man das Gerät auf den dSTORM-Modus um, steht auch der ­superaufgelösten Mikroskopie nichts mehr im Weg. Mit dem Wellenleiter-basierten dSTORM erreichten die Wissenschaftler in Bielefeld Auflösungen von 50 Nanometern mit einem 60x-Objektiv (1,2 NA, numerische Apertur).

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Das Chip-basierte ESI-Mikroskop, das Thomas Husers Gruppe in Bielefeld zusammen mit Physikern der norwegischen Universität Tromsø entwickelte, nutzt das evaneszente Feld eines Lichtwellenleiters, um Fluorophore anzuregen.
Foto: Universität Bielefeld

Das ist genauso gut wie mit einem klassischen Setup für hochauflösende Mikroskopie. Bei der dSTORM-Weitfeld-Mikroskopie einer größeren Probe (50 Zellen einer Fläche von 0,5 x 0,5 mm2) erreichten sie immerhin noch rund 140 Nanometer. Sie verwendeten dafür ein 20x/0,45NA-Objektiv. Um diese Angaben richtig einordnen zu können, muss man wissen, dass Objektive mit hoher numerischer Apertur die Auflösung verbessern – leider steigt damit auch der Preis des Objektivs. Schüttpelz: „Dass wir die Probe auch im Weitfeld mit wirklich guter Auflösung abbilden können, ist von erheblichem Vorteil, wenn man seine Proben erst einmal nach interessanten Stellen durchmustern muss.“ Die Chip-basierte Nanoskopie mit Wellenleitern ist unabhängig von teuren Objektiven mit hoher numerischer Apertur; eine teure High-End CCD-Kamera ist auch überflüssig (Sci Rep 7, 14425). „Wir haben gezeigt, dass man mit einer gewöhnlichen CMOS-Kamera sehr gute Bilder erhält“, so der Physiker. Die Wellenleiter-Chips kann man übrigens mehrfach verwenden, autoklavieren und mit Zellen inkubieren. Das Verfahren haben die Forscher zum Patent angemeldet. Ende 2018 sollen die Chips auf dem Markt sein.

Es geht noch einfacher

Einfacher und preiswerter als mit klassischen Nanoskopen könne man 3D-Superauflösung auch mit umgebauten Spinning ­Disc Confocal (SDC)-Mikroskopen bekommen, meinen die Autoren eines Ende letzten Jahres publizierten Papers (Nat Comm 8, 2090). Die Auflösung liege bei 20  Nanometern lateral und 80 Nanometern axial. Zur Fluoreszenzmarkierung kam hier DNA-PAINT zum Einsatz (dazu später mehr). „Dieser Ansatz kann die superaufgelöste Mikroskopie ganzer Zellen und Gewebe demokratisieren“, ist Senior-Autor Ralf Jungmann überzeugt. Der Forscher vom Max-Planck-Institut für Biochemie in München entwickelte diese Idee gemeinsam mit Kollegen vom Wyss Institut der Harvard Universität, an der er vorher tätig war.

Die Firma LIG Nanowise präsentierte das, wie sie meinen, „weltweit leistungsstärkste optische Mikroskop, das mit SMAL (Super-resolution Microsphere Assisted Lens)“ arbeitet. Dieses Gerät sieht die Firma in Manchester (UK) in direkter Konkurrenz zu STED- und STORM-Instrumenten. Dabei sei es, so schreiben sie, bis zu fünfmal billiger als das erste und zehnfach als das zweite. „Es ist das vielseitigste Gerät und preiswerteste superaufgelöste System, das jemals gebaut wurde“, sind die Hersteller überzeugt. Als Auflösungsgrenze geben sie unter 100 Nanometer an (J. Phys.: Conf. Ser. 902 012014).

Damit konkurriert dieses Instrument allerdings nicht mit der STED/STORM-Klasse, sondern mit Lichtscheibenmikroskopie und SIM (Structured Illumination Microscopy).

Auch Oxford Nanoimaging brachte mit dem Nanoimager ein neues Gerät auf den Markt. Das sei, so der Hersteller, eine kosten­effektive Lösung für den Labortisch, die für viele Anwender funktioniere. Die Auflösung liege bei 20 Nanometern und besser. Es könne Einzelmolekül-Lokalisation wie dSTORM und PALM, außerdem TIRF (Total Internal Reflection Fluorescence) und FRET.

HyVolution ist das neue Angebot von Leica. Es ist ein mit allen Optionen eines klassischen konfokalen Mikroskops ausgestattetes Nanoskop, das dank einer ausgefuchsten Software eine Auflösung von 140 Nanometer erreichen soll.

Eine total andere Idee entwickelten Forscher vom MIT in Cambridge, USA: Wieso nicht einfach die Probe physikalisch vergrößern? Wie bitte? Wie soll das funktionieren? Ist anscheinend ganz einfach. So wie man einen Ballon mit Luft aufblasen kann, lassen sich Zellen mit quellbaren Hydrogelen vergrößern, ohne dass sie dabei ihre Struktur verändern.

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Philip Tinnefelds Gruppe entwickelte mithilfe der DNA-Origami-Technik Nanolineale mit Farbstoffmolekülen, die im Abstand von wenigen Nanometern leuchten. Die Nanolineale sind so genau, dass sie als Längen-Standard eingesetzt werden können.
Foto: TU Braunschweig

Aufgeblähte Zellen

Auf diese Weise erreichten die MIT-Wissenschaftler Auflösungen von 70 Nanometern und weniger, und zwar mit einem beugungsbegrenzten (also nicht-hochauflösenden) Mikroskop. Expansions-Mikroskopie, ExM, tauften sie ihre Technik, die man im Auge behalten sollte (Science 347, 543). Mit der Korrelation von ExM und STED stieß die Gruppe von Helge Ewers von der Freien Universität Berlin zusammen mit Alf Honigmanns Team vom Institut für Biochemie der Universität Dresden übrigens gerade in den Bereich von 10 Nanometern und weniger vor (bioRxiv http://dx.doi.org/10.1101/278937).

Nicht nur die Geräteentwickler sind fleißig, auch die Chemiker und Zellbiologen, die sich mit Farbstoffen befassen, legen sich mächtig ins Zeug. Für die Nanoskopie markiert man Proteine entweder genetisch durch Fusion mit fluoreszierenden Proteinen oder man weist sie mit fluoreszierenden Antikörpern nach. Weil klassische Antikörper vergleichsweise riesig und für die Nanoskopie nicht unbedingt geeignet sind, hat man begonnen, nur ein Zehntel so große Nanobodies zu testen.

Mit einem ganz anderen Konzept warteten Alexey Sharonov und Robin Hochstrasser von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia auf. Sie schlugen vor, Proben mit Farbstoffen zu inkubieren, die nur dann leuchten, wenn sie mit einem Zielmolekül kollidieren. Ohne die Zielmoleküle an fluoreszierende Marker zu binden, erreichten sie mit dieser PAINT genannten Methode Auflösungen von etwa 25 Nanometern (PNAS 103, 18911).

Auf dieser Basis entwickelten Ralf Jungmann, damals noch an der TU München und seine Kollegen DNA-PAINT (Nano Lett 10, 4756). Dabei wird der Farbstoff an ein Oligonukleotid gebunden. Wenn dieser Imager-Strang an einen passenden Antisense-Docking-Strang bindet, gibt es ein Lichtsignal. Die auf ein paar Nanometer genaue Lokalisation eines Fluorophors gelingt nur dann, wenn die Nachbarschaft stockdunkel ist. Dazu schaltet man die Nachbarmoleküle gezielt aus und nutzt das stochastische Blinken von Fluorophoren. Bei DNA-PAINT verwendet man auch ein stochastisches Verfahren, allerdings beruht es auf der Reversibilität der Hybridisierung der Oligos. Über die Länge und Sequenz der Oligonukleotide sowie ihre Konzentration kann man die Hybridisierung beziehungsweise die Dissoziation und somit die Dichte der Signale steuern.

Jungmann, inzwischen am MPI für Biochemie in München, entwickelte und verbesserte die Technologie für die Zellbiologie. Mit ihr lassen sich sogar individuelle Moleküle in Proteinclustern nachweisen (Nat Nanotech 11, 798). Und es kommt noch besser: Man kann multiplexen, also nacheinander die Zelle mit Oligos unterschiedlicher Sequenzen und Markierungen hybridisieren und damit verschiedene zelluläre Moleküle abbilden.

Dieses multiplexed Exchange-PAINT genannte Verfahren liefert phantastische Bilder (Chem Sci 8, 3080). Mit einer Kombination aus modernster Exchange-DNA-PAINT und altgedienter Spinning-Disk konfokaler Mikroskopie gelang es seinem Team, auch ohne Nanoskop hochaufgelöste 3D-Bilder von Zellen anzufertigen (Nat Comm 8, 2090).

Der heilige Gral in der Welt der Nanoskopiker ist die Auflösung. dSTORM, PALM und STED erreichen standardmäßig zwischen 70 und 20 Nanometer. Eine optische Auflösung von weniger als fünf Nanometern schafften Nano­skopiker vom Wyss-Institut mit einer Technik namens Direct Imaging Microscopy (Nat Nanotech 11, 798). Sie sei einfacher als die klassischen Nanoskopie-Techniken, meinen die Autoren. Ob das so stimmt, mag man bezweifeln. Auf Mikroskopiekonferenzen erzählen nämlich selbst Experten, sie hätten Monate wenn nicht Jahre gebraucht, bis sie mit dieser oder jener Technik gescheite Bilder produziert hätten.

Mit weniger Photonen auskommen und somit für Zellen verträglicher sein soll MINFLUX (Maximally Informative Luminescence Excitation Probing), das Stefan Hell und sein Team in Göttingen entwickelte (Science 355, 606). Es ist eine abgewandelte STED-Mikroskopie, bei der man sich ein fluoreszierendes Molekül mehrfach anschaut. Der Lichtfokus hat die Form des für STED typischen Dough­nuts, ist also innen dunkel und wird nach außen hin ringförmig heller. Man nimmt das Molekül dreimal auf, wobei man den Doughnut für jedes Bild leicht verschiebt. Aus dem Verhältnis der Intensitäten der Signale und unter Berücksichtigung der Struktur der Belichtung lässt sich die Position des Moleküls in der X/Y-Ebene ziemlich genau berechnen. Mit einem molekularen Maßstab belegten die Forscher, dass sie eine Auflösung von bis zu drei Nanometern erreichen können. Besser geht es bisher nicht mit einem Lichtmikroskop, bestätigt Philip Tinnefeld von der LMU München, selber Nanoskopie-Experte (Physik Journal 5, 22).

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Aufnahme fluoreszenzgefärbter Mikrotubulifilamente mit einem konfokalen Fluoreszenzmikroskop (l.) sowie einem STED-Mikroskop. Da der Durchmesser der Filamente bekannt ist, können sie als Größenmaßstab für die Nanoskopie dienen.
Foto: Gruppe Mike Heilemann

Verschmierte Lichtpunkte

Die für die Auflösungsfähigkeit eines Nanoskops entscheidenden Faktoren sind die mittlere Dichte der emittierenden Moleküle und ihre photophysikalischen Eigenschaften (Photobleaching, Schalt- beziehungsweise Blink-Eigenschaften). Sitzen die Farbmoleküle zu dicht aufeinander oder ist das Signal-Hintergrund-Verhältnis zu schlecht, verschmieren die Lichtpunkte ineinander und man kann leicht mehrere Emitter als ein Fluorophor interpretieren. Damit ist dann nicht nur die höchste Auflösung zunichte, sondern man produziert auch noch Artefakte.

Wie bestimmt man eigentlich das maximale Auflösungsvermögen eines superauflösenden Mikroskops? Man kann ja nicht einfach ein Lineal drunter legen. Und mit den klassischen physikalischen Theorien kommt man auch nicht weiter, denn die gelten ja nur bis zum beugungsbegrenzten Limit von etwa der halben Wellenlänge des eingesetzten Lichts.

Um die erreichte Auflösung nachzuweisen, eignen sich DNA-Origami-Lineale und Biomoleküle, deren Dimensionen man aus anderen Versuchen kennt. Die molekularen DNA-Origami-Maßstäbe entwickelten Philip Tinnefeld und seine Mitarbeiter in Braunschweig und München.

Es sind komplexe Strukturen aus Doppelstrang-DNA, deren Faltung man auf der Basis ihrer Sequenzen vorherbestimmen kann. Aus dem Entwurf der Konstrukte kann man Größen und Abstände ziemlich präzise ableiten. Wenn man markierte Einzelstrang-Oligos an gezielt positionierte Anker-Stränge des Origami andocken lässt, kennt man also auch den Abstand zwischen den Molekülen. Bei Gattaquant (bei München) kann man solche DNA-Origami Nanometer-Lineale, auch Nanoruler genannt, kaufen.

Allerdings ist die Übereinstimmung von Modell und Realität im Experiment nicht hundertprozentig perfekt. Denn sowohl Modell als auch Messung sind mit Unsicherheiten behaftet. Wie groß ist beispielsweise die Pixelgröße? Wie groß sind die chromatischen Fehler? Wie berücksichtigt man sich ändernde Umgebungsbedingungen, zum Beispiel Temperaturschwankungen? Wie groß ist der Drift? Auch die Geometrie der Origamis unterliegt geringen Schwankungen. Ferner hängen Helligkeit und Signal-Rausch-Verhältnis vom Fluo­rophor und den Versuchsbedingungen ab. „Will man DNA-Origami-Nanometer-Lineale als Messstandards verwenden, muss man auf SI-Einheiten rückführbar quantifizieren können, wie groß die Abstände und ihre Unsicherheit nun tatsächlich sind. Man kann die Abstände zwar aus der Theorie gut abschätzen und die Abweichungen dieser Werte zu Mess­ergebnissen sind auch nicht groß, für einen Messstandard reicht das jedoch nicht aus“, erklärt Mario Raab.

Kalibrierte Nanolineale

Raab ist Erstautor des Papers, in dem er und seine Kollegen aus der Arbeitsgruppe Tinnefeld und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig ein solches Kalibrierverfahren beschreiben (Sci Rep 8, 1780). „Dabei wird mithilfe einer Kalibrierkette sichergestellt, dass das Ergebnis auf die SI-Einheit Meter zurückzuführen ist. Von zentraler Bedeutung ist die Analyse der Mess­unsicherheit nach der ’Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement’, der GUM.“ Mit einem kalibrierten Lineal kann man die Genauigkeit von Mikroskopen prüfen sowie die tatsächliche Auflösungsgrenze eines Experiments belegen. Raab und seine Kollegen testeten beispielsweise drei verschiedene, superauflösungsfähige TIRF-Mikroskope. „Alle drei lieferten übereinstimmende Abstände in einem Intervall von etwa einem Nanometer, was innerhalb der Fehlergrenzen unserer Kalibrierung liegt. Somit war die Messgenauigkeit aller drei Mikroskope optimal. Ferner zeigt dies, dass die Kalibrierung erfolgreich war und ein sinnvolles Ergebnis liefert“, fasst der Forscher die Arbeit zusammen.

Wie man die Auflösung mithilfe von Zellstrukturen abschätzen kann, erklärt Mike Heilemann von der Universität Frankfurt. „Es gibt zelluläre Strukturen, deren räumliche Geometrie sehr regelmäßig ist. Mikrotubulifilamente haben beispielsweise einen Durchmesser von 25 Nanometern. Werden die Proteine mit Antikörpern oder anderen farbstoffmarkierten Molekülen markiert, so ergibt sich in der Projektion des hochaufgelösten Fluoreszenzbildes bei ausreichender räumlicher Auflösung eine ‚Doppellinie‘. Die Distanz zwischen den Linien kann als ein direktes Maß für die Auflösung an dieser Stelle herangezogen werden.“ Man kann auch dünnere Objekte wie den filamentösen Bakteriophagen M13 oder den zentralen Kanal einer Kernpore als Referenz nutzen.

Heilemann und sein Team am Institut für Physikalische und Theoretische Chemie arbeiten mit PALM und können über die Auflösungsgrenze hinaus aus den Signalen die Anzahl markierter Proteine quantifizieren (Sci Signal 10, eaan1308). „Aus dem Flackern der ­Fluorophore können wir ablesen, wie viele Proteine sich in einem Cluster aufhalten. Das ist bisher noch nicht gelungen.“ Wie geht das? „Wir kennen die Photokinetik, wissen also, wie oft ein Fluorophor blinkt. Aus einem einfachen kinetischen Modell lässt sich direkt ablesen, ob an einem Ort ein oder mehrere Farbmoleküle sind. Aus einem solchen Experiment kann man die Stöchiometrie von Proteinen in Oligomeren genau bestimmen, wenn die betreffenden Moleküle mit jeweils genau einem Fluorophor markiert sind.“

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Unter dem Lichtmikroskop (l.) sieht man die TLR4-Rezeptoren als kleine blaugefärbte Punkte auf der Oberfläche von Hirntumorzellen. Mit der PALM-Mikroskopie (m.) kann man erkennen, dass ein Teil der Rezeptoren als Dimere vorliegt. Die Kristallstruktur der Dimere illustriert die rechte Abbildung.
Foto: Widera/Heilemann

Mit diesem Verfahren untersuchten die Forscher TLR4-Rezeptoren, die zur angeborenen Immunabwehr beitragen. Die zentrale Frage war: Agieren TLR4-Rezeptoren in vivo solo oder als Team? Und wie ändert sich die Organisation der TLR4-Rezeptoren, wenn unterschiedliche Liganden binden? Mit In-vitro-Studien fand man Monomere und Dimere. Einer früheren Mikroskopie-Studie zufolge sollten TLR4-Rezeptoren sogar größere Konglomerate bilden. „Das konnten wir in unserem System nicht beobachten. Sind die Co-Rezeptoren anwesend, finden sich etwa die Hälfte der Rezeptoren zu Dimeren zusammen. Besonders interessant ist die Wirkung verschiedener Liganden auf dieses Gleichgewicht: Wir konnten zeigen, dass Agonisten zu mehr Dimeren führen, während Antagonisten zu Monomeren führen. Das konnte man so direkt in intakten Zellen noch nicht nachweisen“, sagt Heilemann.

Vorsicht vor Artefakten

Die hohe Kunst der Nanoskopie ist es, die Realität abzubilden und möglichst keine Artefakte zu produzieren. Offensichtlich beherrschen nicht alle Nanoskopie-Nutzer diese Kunst. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls beim Studium des zehnseitigen Papers von Talley Lambert und Jennifer Waters (JCB 216, 53). Die beiden leiten eine Serviceeinrichtung für hochauflösende Lichtmikroskopie an der Harvard Universität und haben anscheinend in der Literatur schon eine Menge unsinnige Bilder gesehen. Sie wundern sich: „Einige Publikationen geben theoretisch unmögliche Auflösungen an [...]. Es gibt SRM-Bilder in Publikationen mit vermeidbaren Artefakten und ohne Kontrollen und Bildkorrekturen.“ Die Qualität der hochaufgelösten Bilder sei sehr variabel, selbst innerhalb einer Publikation.

Die Autoren drücken sich sehr vorsichtig aus, doch zwischen den Zeilen steht: Es wird eine Menge Quatsch veröffentlicht und nur wenige merken es. „Superauflösung benötigt Super-Optimierung“, verkünden die Autoren und raten den weniger geübten Nanoskopikern dringend, für jedes Experiment das Signal-Rausch-Verhältnis, den Kontrast, die Markierungsdichte und die Bestimmung der Auflösung zu optimieren. Und sie müssten auch „[...] die Algorithmen, die sie benutzen, deren Eigenschaften, Stärken und Schwächen gut verstehen,“ stellten Heilemann und seine Kollegin Ulrike Endersfelder schon vor Jahren fest (Nat Methods 3, 234).

Überhaupt: Hochaufgelöste Mikroskopie ist zwar total hip, aber braucht die jeder? „Einige publizierte Studien enthalten SRM-Bilder mit Größenbalken, die zeigen, dass die beugungsbegrenzte Mikroskopie ausgereicht hätte“, so Lambert und Waters. Anscheinend sind viele Forscher der Ansicht, sie könnten ihre Studien besser publizieren, wenn sie ein hochaufgelöstes Bild hätten. Lambert und Waters geben zu bedenken, dass Nanoskopie nicht immer die beste Wahl sei. Oft benötige man nämlich nicht eine bessere Auflösung sondern bessere Sensitivität beziehungsweise höheren Kontrast – und das könne man auch mit konfokaler Lichtmikroskopie erreichen, vorausgesetzt das Mikroskop sei ausreichend leistungsfähig und gut eingestellt. Wenn das nicht reicht, kann man sich an der technisch vergleichsweise simplen Re-scanning konfokalen Mikroskopie (RCM) versuchen, die etwa um 40 Prozent besser aufgelöste Bilder als die simple konfokale Lichtmikroskopie liefert.

Es gibt also viele Möglichkeiten, tolle bunte, hochaufgelöste Bilder aus dem Innersten von Zellen zu machen. Man sollte aber, bevor man ein Mikroskop anschaltet, sich gut darüber informieren, welches für das jeweilige Experiment die sinnvollste Technik ist.



Letzte Änderungen: 04.04.2018