Editorial

Testen, Testen, Testen
COVID-19-Methoden-Special: SARS-CoV-2-Detektion

Andrea Pitzschke & Harald Zähringer


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Der Biosensor einer südkoreanischen Gruppe erkennt SARS-CoV-2 mithilfe von Anti-Spike-Protein-Antikörpern, die mit einem Feldeffekttransistor aus Graphen verknüpft sind. Illustration: ACS Nano

(08.05.2020) SARS-CoV-2-Tests basieren beinahe ausschließlich auf molekularbiologischen Verfahren. Mit Immunoassays werden hingegen IgM- oder IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut nachgewiesen. Noch in den Kinderschuhen stecken Antigentests, die das Virus mithilfe spezifischer Antikörper aufspüren.

Die einschlägigen Hersteller von Detektions-Kits für RNA-Viren reagierten ziemlich flott, als es darum ging, die Kits auf den Nachweis von SARS-CoV-2 umzustellen. Da die RNA des Virus üblicherweise mit einer RT-PCR detektiert wird, mussten sie lediglich die Primer für die RT-PCR tauschen und auf Zielsequenzen des SARS-CoV-2-Genoms ausrichten. Noch Positiv- und Negativ-Kontrollen dazu und die Sache konnte losgehen.

Ganz so einfach war es in der Realität natürlich nicht, denn die Auswahl der Zielsequenz muss wohlüberlegt sein. Das knapp 30.000 Nukleotide große Genom von SARS-CoV-2 beherbergt etwas mehr als ein Dutzend offene Leserahmen (ORF). Als Zielsequenzen eingesetzt werden davon jedoch nur etwa eine Handvoll, wobei die Referenzlabore der einzelnen Länder teilweise unterschiedliche Ziele favorisieren. In China sind dies zum Beispiel ORF1ab sowie N-Gen (Nukleoprotein). An der Charité in Berlin sind die Primer dagegen auf RdRP- (RNA-dependent RNA Polymerase) sowie E- (Envelope) und N-Gen gerichtet. Die Centers for Disease Control in den USA favorisieren hingegen Ziele im N-Gen, während das Institut Pasteur in Paris zwei Sequenzen in RdRP anvisiert. Ausschlaggebend ist letztendlich aber nur, dass die SARS-CoV-2-Sequenzen mit der RT-PCR spezifisch amplifiziert werden. Um auf Nummer sicher zu gehen, rät Christian Drostens Gruppe von der Charité in Berlin zu einer dreistufigen Real-Time-RT-PCR (Euro Surveill. 25(3): pii=2000045).

Die häufig manuell durchgeführten RT-PCR-Tests kann man mit einem ziemlich simplen und eigentlich sehr alten Trick erheblich beschleunigen: Dazu poolt man die Abstriche mehrerer Testpersonen und analysiert diese als Sammelprobe. Ist der Sammeltest negativ, spart man sich den Material- und Zeitaufwand für die Einzeltests. Ist er positiv, führt man zusätzliche Tests mit den zurückbehaltenen Proben durch.

Auf diesem Prinzip basiert zum Beispiel das Mini-Pooling Verfahren, das eine Gruppe um Marcus Panning vom Institut für Virologie der Universität Freiburg vorstellte (www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.30.20043513v1). Eine ähnliche Strategie schlug bereits eine israelische Gruppe vor sowie ein gemischtes Team aus Forschern der Stanford University sowie von Oracle und Google (www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.27.20043968v1). Sinnvoll ist das Pooling aber nur für Tests von Bevölkerungsgruppen, in denen der Durchseuchungsgrad noch sehr gering ist.

Wer verzweifelt nach neuem Nachschub für die qRT-PCR sucht, sollte ab und zu einen Blick auf die Diagnostik-Webseite FIND werfen, die sämtliche verfügbaren qRT-PCR-Kits zusammenträgt und in einer endlos langen Liste aufführt (www.finddx.org/covid-19/pipeline).

Natürlich schlägt bei einer Pandemie, in der hunderttausende Virus-Tests durchgeführt werden müssen, auch die Stunde der großen Diagnostik-Gerätehersteller. Es dauerte zwar ein paar Wochen, bis sie aus den Startlöchern kamen. Danach meldeten aber auch Roche, Cepheid, Qiagen, Abbott, Bosch und Co., dass ihre Diagnose- oder Point-of-Care-Geräte für die SARS-CoV-2-Diagnostik bereit sind.

In diesen wird aber auch nur mit Wasser gekocht, beziehungsweise mit Puffern und Polymerasen für die RT-PCR. Die meisten, wie zum Beispiel Roches Cobas-6800- und 8800-Systeme, Qiagens QIAstat-Dx Analyzer oder auch das als großer Durchbruch angekündigte Vivalytix-System von Bosch, basieren auf der etwas angestaubten RT-PCR, die meist zwischen zwei und drei Stunden dauert.

Zudem sind die Kisten nicht gerade billig und meist nur etwas für große Diagnostik-Labore. So kostet zum Beispiel Qiagens qRT-PCR-Instrument QIAstat-DX etwa 32.000 Euro. Das dazugehörige QIAstat-Dx SARS-CoV-2-Panel, das neben zwei Zielgenen von SARS-CoV-2 auch 21 weitere Erreger von Atemwegserkrankungen detektiert, schlägt mit weiteren 700 Euro zu Buche.

Neben den Diagnostik-Riesen hat die Coronakrise auch kleinere Firmen auf den Plan gerufen. So umschifft zum Beispiel der DNA-Diagnostik-Experte Michael Traugott von der Universität Innsbruck mit seinem Spin-off Sinsoma Reagenzien- und Geräteengpässe mithilfe der Kapillarelektrophorese-PCR (CE-PCR). Sinsoma verwendet für die CE-PCR fluoreszenzmarkierte Primer, mit denen sich die PCR-Produkte über die Kapillarelektrophorese detektieren lassen (https://sinsoma.com/de/news/covid-19-tests). Sobald die staatliche Validierung vorliegt, will Traugotts Team bis zu tausend Tests pro Tag schaffen.

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Die isothermale Amplifikation von SARS-CoV-2-Sequenzen bietet sich insbesondere für Schnelltests im Point-of-Care-Format an. Die oberste rote Linie zeigt den erfolgreichen Testverlauf an, die Linie darunter im Teststreifen rechts außen eine positive Probe. Foto: Front Microbiol.
Amplifikation ohne PCR

Eine interessante Alternative zur qRT-PCR sind isothermale Amplifikations-Verfahren, die bei gleichbleibender Temperatur ablaufen. Ein inzwischen schon klassisches Beispiel hierfür ist die RT-Loop-Mediated Isothermal Amplification (RT-LAMP). Reverse Transkription sowie DNA-Amplifikation finden bei einer konstanten Temperatur von meist 63°C in einem einzigen Reaktionsgefäß statt, das alle für die Reaktion nötigen Komponenten enthält: Reverse Transkriptase (RT), Strang-verdrängende DNA-Polymerase, dNTPs, Template-RNA sowie zwei innere und zwei äußere Primer.

Die LAMP-Reaktion erfolgt in drei Schritten: Im ersten wird das Startmaterial für die zyklische Amplifikation der Zielsequenz hergestellt, das aus einer doppelsträngigen DNA mit einer Haarnadelschlaufe an einem Ende besteht. An der Haarnadel bindet im zweiten Schritt der sequenzspezifische Vorwärts-Primer und startet die zyklische Amplifikation. An die hieraus resultierenden Produkte bindet schließlich der Backward-Primer und leitet ihre Verlängerung sowie das Recycling des Startmaterials ein. Am Ende entsteht eine Mischung unterschiedlich langer DNA-Sequenzen mit Haarnadelschlaufen.

Der genaue LAMP-Ablauf ist nur etwas für hartgesottene Molekularbiologie-Freaks, die Spaß an wilden Reaktionsabläufen und Schaubildern haben (Nucleic Acids Res. 28(12):e63). Für Praktiker ist viel entscheidender, dass man mit RT-LAMP beliebige Zielsequenzen sehr schnell und effektiv amplifizieren kann. Das Design der passenden Primer erleichtern zudem freie Software-Tools, wie zum Beispiel der PrimerExplorer (https://primerexplorer.jp/e).

Inzwischen entwickelten verschiedene Gruppen SARS-CoV-2-Tests auf Basis von RT-LAMP. Zu diesen gehört auch ein Team um Yi Wang vom Beijing Children’s Hospital (medRxiv, DOI:10.1101/2020.03.17.20037796).

Die Chinesen wählten F1ab und N-Gen als Zielsequenzen und verwendeten Primer, die mit FITC und Biotin (F1Ab) oder Digoxigenin und Biotin (N-Gen) gelabelt waren. Die auf diese Weise markierten Amplifikate detektierte die Gruppe mit einem Nanopartikel-Biosensor im typischen Point-of-Care-Teststreifenformat.

Der Streifen ist etwa so groß wie ein Objektträger und steckt in einer Plastikhülle mit einer runden Öffnung auf der Vorderseite, in die die Probe aufgetropft wird. In der Mitte der Hülle befindet sich eine rechteckige Aussparung, auf der das Ergebnis des Tests zu sehen ist. Der Streifen selbst besteht aus Probenzone, Konjugationszone, einem Stück Nitrozellulose sowie einer Absorptionszone.

Die aus dem RT-LAMP-Produkt bestehende Probe wird in die Öffnung pipettiert, die sich direkt über der Probenzone befindet. Angetrieben von der Kapillarkraft (Lateral Flow) wandert sie in Richtung der Absorptionszone am anderen Ende des Teststreifens. Durchschreitet die Probe die Konjugationszone, rehydriert sie in dieser Nanopartikel (SA-DPNs), die mit einem Streptavidin-beladenen Farbstoff ummantelt sind. Die Biotin-Gruppen aus der Probe binden an das Streptavidin und wandern mit den SA-DPNs im Schlepptau weiter. Freie SA-DPNs werden ebenfalls abgelöst und folgen der Kapillarkraft.

Nachweis im Schnelltestformat

Im Nitrozellulose-Abschnitt führt der Weg über drei horizontale Testlinien mit einem Abstand von je fünf Millimetern. Die erste enthält immobilisierte Anti-FITC-Antikörper zum Aufspüren von F1ab-Amplifikaten, die zweite Anti-Digoxigenin-Antikörper zur Detektion von N-Gen-Amplifikaten und die dritte schließlich Biotin-BSA als Kontrolle. Enthält die Probe F1ab- und N-Gen-Antigene, bleiben die Nanopartikel an der jeweiligen Testlinie hängen, wodurch sich diese rot färbt. Für freie SA-DPNs endet die Reise an der Kontrolllinie, die durch ihre Rotfärbung bestätigt, dass die Wanderung der Nanopartikel funktioniert hat. Nach Angaben der Autoren ist der Test sehr sensitiv sowie spezifisch und dauert von der Probennahme bis zum Ergebnis eine Stunde.

Die isothermale Amplifikation ist auch in kommerziellen Point-of-Care-Diagnostik-Geräten angekommen. So gab der amerikanische Pharma- und Diagnostik-Riese Abbott Ende März bekannt, dass seine ID-Now-Plattform für den SARS-CoV-2-Test fit ist. ID Now wurde ursprünglich von der Firma Alere entwickelt, die sich Abbott 2017 einverleibte. Im Gegensatz zu den RT-PCR-basierten Geräten der Konkurrenz nutzt ID Now die isothermale Amplifikation von Zielsequenzen mit der sogenannten Nicking Enzyme Amplification Reaction (NEAR).

Die von David Galas und seiner Gruppe 2003 am Keck Graduate Institute of Applied Life Science in Kalifornien entwickelte NEAR-Technik spielt sehr geschickt mit der Längen- und Temperatur-abhängigen Hybridisierung von DNA-Fragmenten an ein Template (PNAS 100(8): 4504-9).

Das Nicking Enzyme zerschneidet zunächst einen Strang der Zielsequenz, wodurch ein längerer und ein kürzerer Einzelstrang entsteht. Bei der eingestellten Temperatur hybridisiert das längere Fragment gerade noch mit dem Template und dient als Primer für die Strang-verdrängende Polymerase. Das kürzere löst sich hingegen ab und bildet das Produkt der Reaktion. Da sich der Primer bei diesem Prozess immer wieder erneuert, stellt sich eine zyklische Reaktion ein, mit der das freigesetzte Oligo amplifiziert wird.

NEAR ist nicht nur superclever, sondern auch unglaublich schnell. Nach Angaben von Abbott steht ein positives Testergebnis in fünf Minuten, ein negatives in dreizehn Minuten fest. Das dürfte im Moment der Geschwindigkeitsrekord bei den SARS-CoV-2-Tests sein.

CRISPR-Cas darf bei neuen Nachweisverfahren von SARS-CoV-2 natürlich auch nicht fehlen. Eine Gruppe um Charles Y. Chiu von der University of California, San Francisco, zu der auch Forscher von Abbott sowie der amerikanischen Biotech-Firma Mammoth Biosciences gehörten, wies die mit RT-LAMP amplifizierten Zielsequenzen mit einer modifizierten CRISPR-Cas-Technik namens SARS-CoV-2-DETECTR nach (Nat. Biotechnol. https://doi.org/10.1038/s41587-020-0513-4).

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Minimalausrüstung für den SARS-CoV-2-DETECTR. Foto: Chiu et al.
Cas12a statt Cas9

Startmaterial ist extrahierte RNA aus dem Nasen- oder Rachenraum von der mithilfe der RT-LAMP zwei Regionen im N- beziehungsweise E-Gen amplifiziert werden. Um sie nachzuweisen, versetzt man die LAMP-Produkte mit einer SARS2-spezifischen gRNA sowie der Nuklease Cas12a. Die gRNA bildet einen Komplex mit Cas12a und leitet die Nuklease zur Zielsequenz. Bindet der Komplex an die Zielsequenz, wird Cas12a aktiviert.

Im Gegensatz zu Cas9, die nur den gebundenen DNA-Strang schneidet, zerlegt die aktivierte Cas12a alles, was in ihre Nähe kommt. Dazu gehört auch eine modifizierte Einzelstrang-DNA (ssDNA), die als Reporter beigemischt wird. Die ssDNA besteht aus einem am 5‘-Ende mit Fluorescein-Amidit (FAM) und am 3‘-Ende mit Biotin gelabeltem Oligonukleotid (FAM-TTATTATT-Biotin). Durch die Faltung des Oligos wird FAM durch Biotin daran gehindert zu fluoreszieren. Wird es jedoch von Cas12a zerschnitten, fällt das als Quencher agierende Biotin weg. FAM sendet hierauf ein Fluoreszenzsignal aus, das detektiert wird und eine positive Probe anzeigt.

Ganz ähnlich funktioniert auch das SHERLOCK-Detektionssystem, das Feng Zhangs Gruppe am Broad Institute of MIT and Harvard, Cambridge, USA, entwickelte. Das Verfahren basiert jedoch auf amplifizierter RNA und nutzt statt Cas12a die RNAse Cas13 für die Detektion (Nature Protocols 14: 2986-3012).

Zhangs Gruppe hat auch noch ein schnelles RNA-Extraktionsverfahren parat, das ohne die derzeit raren RNA-Extraktions-Kits auskommt. Sein Team nimmt für die RNA-Extraktion aus Nasen-Abstrichen einfach eine DNA-Extraktionslösung, die eins zu eins mit der Probe gemischt wird, und inkubiert die Mischung fünf Minuten bei 95 °C. Anschließend geht‘s direkt mit der qRT-PCR weiter.

Die Idee für diese Abkürzung hatte aber auch schon die Gruppe der Molekularbiologin Xiaoxia Cui von der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA (bioRxiv, DOI: 10.1101/2020.04.02.022384). Ihre Mitarbeiter verwenden ebenfalls einen DNA-Extraktionspuffer für die RNA-Extraktion aus Nasen-Abstrichen, erhitzen die Ansätze aber zunächst fünfzehn Minuten bei 65 °C und dann nochmal zwei Minuten bei 98 °C, um die in dem Puffer enthaltene Proteinase K zu inaktivieren.

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Der gebürtige Österreicher Florian Krammer ist seit letztem Jahr Principal Investigator am Sinai-Emory Multi-Institutional Collaborative Influenza Vaccine Innovation Center in New York. Seine Gruppe veröffentlichte sehr rasch ein ausführliches Protokoll für einen ELISA-basierten SARS-CoV-2-Antikörpertest. Foto: Sebastian Krammer
Grundsätzlich nicht Neues

Wie bei RT-PCR-Tests ist auch bei Antikörpertests der grundsätzliche Ablauf eigentlich Routine: Ein möglichst spezifisches Fragment eines SARS-CoV-2-Proteins wird auf dem Boden einer ELISA-Platte oder auf einem Kügelchen aufgebracht. Sind in einer Probe Antikörper gegen das Virus vorhanden, binden sie an das immobilisierte Virus-Peptid. Mit einem sekundären konjugierten Antikörper, der eine Farbstoff-Reaktion auslöst, weist man die gebundenen Antikörper schließlich nach.

Was sich theoretisch sehr einfach anhört, ist in der Praxis äußerst diffizil. Die Reaktion zwischen SARS-CoV-2-Antigen und Antikörper muss so spezifisch wie nur möglich sein, um Kreuzreaktionen insbesondere mit anderen Coronaviren auszuschließen.

An wasserdichten SARS-CoV-2-Antikörpertests arbeiten derzeit viele Gruppen und Firmen, die wenigsten verraten jedoch Details ihrer Assays. Eine Ausnahme bildet Florian Krammers Team von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York. Es stellt ein ausführliches Protokoll zur Verfügung – von der Expression und Reinigung des ausgewählten SARS-CoV-2-Peptids, bis zum genauen Ablauf des ELISAs (Stadlbauer and Amanat COVID19 antigen expression and serology protocol 3_24_20).

Zweistufiger ELISA

Im kommerziellen SARS-CoV-2-ELISA-Kit der Lübecker Firma Euroimmun, der derzeit häufig für Antikörpertests eingesetzt wird, dient nach Angaben der Euroimmun-Marketingchefin Johanna Fraune die gesamte S1-Untereinheit des Spike-Proteins als Antigen. Krammers Gruppe verwendet dagegen die Rezeptor-Bindedomäne (RBD), die zur S1-Untereinheit des Spike-Proteins gehört, sowie das vollständige Spike-Protein in einem zweistufigen ELISA.

Für Krammers ELISA-Assay beschichtet man eine 96-Well-ELISA-Platte mit etwa 0,1 Mikrogramm des RBD-Proteins pro Well, blockiert mit PBS/Milchpulver und inkubiert danach für zwei Stunden mit dem aus Sicherheitsgründen bei 56 °C hitzeinaktivierten Serum oder Plasma der Testpersonen. Nach dem Waschen wird zunächst ein mit Meerrettich-Peroxidase gelabelter Sekundär-Antikörper (anti-Human-IgG-HRP) und nach einer weiteren Inkubationszeit und etlichen Waschschritten das übliche HRP-Substrat OPD (o-Phenylendiamindihydrochlorid) zugegeben.

Anschließend misst man die Signalstärke in den Wells. Eine Probe ist positiv, wenn das Signal eine anhand der Negativkontrollen und deren Standardabweichungen festgelegte OD überschreitet.

Mit diesen vorläufig als positiv eingestuften Proben wird ein zweiter Bestätigungs-ELISA mit dem vollständigen Spike-Protein als Antigen durchgeführt. Dazu beschichtet man die Platte zunächst mit dem vollständigen Spike-Protein. Die hierfür nötige Menge von 0,1 Mikrogramm pro Well würde bei kommerziellen Lieferanten knapp 300 Euro kosten.Die weiteren Schritte verlaufen wie beim ersten ELISA, die Proben werden jedoch in mehreren Verdünnungsstufen getestet. Insgesamt finden neben Positiv- und Negativkontrollen vierzehn Proben auf der Platte Platz. Von diesen wird vorab in einer separaten 96-Well-Platte eine stufenweise Verdünnungsreihe angelegt. Anschließend überträgt man Aliquots der Verdünnung auf die ELISA-Platte. Inkubation, Waschen und Detektion laufen dann genau wie beim ersten ELISA-Test mit RBD als Antigen ab. Verdünnte Proben, die ein Signal über einem festgelegten Schwellenwert liefern, gelten endgültig als positiv.

Antigen-Produktion in Tabak

Krammers Gruppe konnte das vollständige Spike-Protein in Säugerzellen nur mit geringen Ausbeuten exprimieren. In pflanzlichen Expressionssystemen sollten diese deutlich höher ausfallen, da auf Säuger spezialisierte Viren für Pflanzen nicht bedrohlich sind und eine Produktionshemmung daher unwahrscheinlich ist. Krammer schickte seine Plasmide deshalb an Eva Stöger vom Institut für Pflanzenbiotechnologie und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien.

Stöger nutzt transgene Tabakzellkulturen als Protein-Fabriken und produziert mit diesen unter anderem Antikörper gegen das HI-Virus. Inzwischen exprimieren ihre Mitarbeiter das Spike-Protein in den Tabakzellen im Schichtwechsel, bei dem immer nur ein Forscher isoliert von den anderen arbeitet.

Von Antigen-Tests, die SARS-CoV-2 mithilfe von spezifischen Antikörpern gegen ausgesuchte Proteine oder Epitope des Virus nachweisen, rät die Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit noch ab. Sie befürwortet aber ausdrücklich deren Weiterentwicklung. Zuverlässige Antigen-Tests böten tatsächlich einige Vorteile gegenüber qRT-PCR-Tests: Sie wären wesentlich schneller, kämen ohne teure Geräte aus und könnten auch von Laien durchgeführt werden. Zudem ist ihr Format perfekt für die blitzschnelle Vor-Ort-Diagnose geeignet.

Eine interessante Strategie für die Entwicklung eines Antigen-basierten Schnelltests, allerdings für die Detektion von Dengue- und Zika-Viren, stellte eine internationale Gruppe um Lee Gehrke von der Harvard Medical School in Boston bereits 2017 in Science Translational Medicine vor (9, eaan1589). Die damalige Erstautorin Irene Bosch hat inzwischen zusammen mit Gehrke und dem Virus-Test-Entwickler Bobby Brooke Herrera das Start-up E25Bio gegründet, das die Technik derzeit für einen SARS-CoV-2-Antigen-Test modifiziert.

Unspezifische Schnelltests

Gehrkes Gruppe stand damals vor dem Problem, dass kommerzielle Schnelltests das Zika-Virus (ZIKV) nicht von dem ebenfalls zu den Flaviviren zählenden Dengue-Virus unterscheiden konnten – das in den Tests als Infektionsmarker für Flaviviren eingesetzte Protein NS1 reagierte über Kreuz. Hinzu kam, dass die Tests auch die vier verschiedenen Serotypen des Dengue-Virus (DENV1-4) nicht zuverlässig erkannten.

Um einen spezifischen Schnelltest für die vier Dengue-Virus-Serotypen sowie das Zika-Virus zu entwickeln, injizierten die Forscher zwei unterschiedlichen Mäusegruppen rekombinantes rNS1 aus DENV1-4 sowie ZIKV-rNS1. Anschließend entnahmen sie den Tieren B-Zellen aus Milz und Lymphknotengewebe, fusionierten sie mit Krebszellen und erhielten hierdurch Hybridomazellen, die monoklonale Antikörper (mAb) gegen NS1 produzierten. Mithilfe von ELISAs fischte das Team die geeignetsten Hybridoma-Klone heraus und testete deren Antikörper ausgiebig auf ihre Spezifität für ZIKV-NS1 sowie DENV1-4-NS1.

Die vielversprechendsten DENV- sowie ZIKV-mABs verwendete die Gruppe auf einem Teststreifen für die Diagnose von Patientenproben. Dazu konjugierte sie einen Anti-NS1-Antikörper an Goldnanopartikel und immobilisierte einen zweiten auf dem Teststreifen. Erkennen die beiden Antikörper ein NS1-Protein in der Probe, entsteht ein Sandwich aus Antikörpern und NS1-Protein, das mithilfe der Goldnanopartikel sichtbar wird.

Nach diesem Prinzip dürfte auch der von Boschs Firma E25Bio entwickelte SARS-CoV-2-Schnelltest funktionieren.

An einem Smartphone basierten SARS-CoV-2 Antigen-Schnelltest arbeitet das texanische Start-up Luminostics. Die von den Biochemikern Andrew Paterson und Bala Raja von der University of Houston gegründete Firma tüftelt schon seit einigen Jahren an einem Point-of-Care-Virustest, der mit einem Smartphone ausgewertet wird – besser gesagt mit Taschenlampe, Blitzlicht und Kamera des Smartphones (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5476460/).

Die Texaner verwenden auf ihrem Teststreifen keine Goldnanopartikel zur Konjugation der Antikörper sondern sogenannte persistente lumineszente Phosphore. Der Streifen wird in eine kleine Kartusche eingeführt, die über eine spezielle Halterung aus dem 3D-Drucker mit dem Kamerateil des Smartphones verbunden ist.

Für die Aufnahme wird er zunächst drei Sekunden lang mit der Lampe des Smartphones beleuchtet. Anschließend wird das Blitzlicht ausgelöst und mithilfe optischer Fasern schräg auf den Streifen geleitet, um die Nanophosphore zum Leuchten anzuregen. Nach einer winzigen Verzögerung von hundert Millisekunden, in der unspezifisches Hintergrundleuchten abklingt, nimmt die Kamera ein Foto auf. Damit dieses trotz der kurzen Distanz scharf wird, hat die Gruppe eine Makrolinse in die Halterung integriert, die den Kamerafokus unter vier Zentimeter verschiebt.

Testauswertung mit Smartphone

Luminostics hat die Smartphone-Technik bereits an Teststreifen für den Nachweis des Schwangerschaftshormons Choriongonadotropin erprobt und erzielte eine zehnfach höhere Sensitivität als der beste kommerzielle Schnelltest. Derzeit arbeitet die Firma an einem SARS-CoV-2-Schnelltest, der mit dem Smartphone ausgewertet wird.

Den bisher ausgefallensten Antigentest präsentierte Ende April ein Team um Seung Il Kim von der University of Science & Technology in Südkorea (ACS Nano, https://dx.doi.org/10.1021/acsnano.0c02823). Kims Mitarbeiter konstruierten einen Biosensor für SARS-CoV-2, der auf einem sogenannten Feldeffekttransistor (FET) aus Graphen basiert.

SARS2-Nachweis mit Biosensor

Was sich zunächst ziemlich kompliziert anhört, ist im Grunde recht simpel. Eine elektrisch leitende Graphenschicht, auf der Antikörper gegen das Spike-Protein verankert sind, ist über elektrische Anschlüsse mit einem Source- sowie einem Drain-Kontakt verbunden. Tropft man eine Pufferlösung als Elektrolyt auf das Graphen und legt an der Lösung mithilfe eines weiteren Kontakts eine kleine Gate-Spannung an, fließt zwischen Source und Drain ein charakteristischer Drain-Strom, den ein Messgerät aufzeichnet.

Bindet das Spike-Protein von SARS-CoV-2 an den Antikörper, verändert sich der Stromfluss des Sensors sofort und zeigt die Gegenwart des Virus in der Probe an. Der FET-Sensor ist zwar noch nicht ganz so empfindlich wie eine qPCR, reagiert aber bereits auf eine Viruskonzentration von 242 Kopien pro Milliliter.

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Obwohl der Feldeffekttransistor (FET)-Biosenor für die Detektion von SARS-CoV-2 futuristisch erscheint, ist die grundlegende Technik nicht neu. Statt Graphen wurden früher aber meist klassische Halbleiter für FET-Sensoren verwendet, die mit biologischen Komponenten kombiniert wurden. Illustration: ACS Nano

Unabhängig von der Art des Antigentests kostet die Herstellung der dafür nötigen Antikörper aber nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit. Schneller ginge es mit Antigen-bindenden Molekülen, wie zum Beispiel Affimeren oder Aptameren.

Affimere sind künstlich erzeugte Proteine, die sehr spezifisch an Zielmoleküle binden. Sie sind deutlich kleiner als Antikörper und können beliebig modifiziert werden. Nach ihrer Expression in Bakterien stehen sie innerhalb von zwölf bis vierzehn Wochen zur Verfügung. Einer der Vorreiter der Affimer-Technologie ist die englische Firma Avacta, die auf Basis von Affimeren Immunwirkstoffe entwickelt. Offensichtlich arbeitet Avacta schon geraume Zeit an Affimeren gegen SARS-CoV-2 und will diese gemeinsam mit der Firma Cytiva (ehemals GE Healthcare Life Sciences) in eine Point-of-Care-Plattform integrieren.

Aptamere statt Antikörper

Ein weiterer Hoffnungsträger für SARS-CoV-2-Schnelltests sind DNA- oder RNA-Aptamere, die sich ebenfalls sehr schnell herstellen lassen und äußerst selektiv an ausgewählte Zielmoleküle binden. So werkelt zum Beispiel die englische Aptamer Group an einem Aptamer gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 und hat auch schon eine Konzeptstudie für einen entsprechenden Schnelltest in der Schublade. Für die Weiterentwicklung fehlt der Firma aber noch ein finanzkräftiger Partner (www.aptamergroup.co.uk/covid-19-reagents).



Letzte Änderungen: 08.05.2020