Editorial

Auf den Punkt genau
Methoden-Special: Präzises Genom-Editieren mit Basen-Editoren

Karin Hollricher


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Kryo-Elektronenmikroskopie-Struktur eines Adenin-Basen-Editors, der mithilfe einer guideRNA an seine Zielsequenz bindet. Foto: Aditya Raguram, Liu lab

(08.02.2021) Die Entwicklung von Basen-Editoren schreitet so rasant voran, dass man kaum noch mitkommt. Auf die ersten Adenin- und Cytosin-Editoren aus David Lius Labor folgten Schlag auf Schlag zahlreiche Varianten, die Basen immer effizienter und präziser umschreiben.

Das Jahr begann mit einem Knüller. David Liu vom Broad Institute in Cambridge, USA, und Kollegen verschiedener weiterer Forschungsstätten berichteten, es sei ihnen bei Mäusen gelungen, einen auch bei Menschen vorkommenden Gendefekt, der zu frühzeitiger Alterung führt, exakt zu korrigieren (Nature, DOI: 10.1038/s41586-020-03086-7). Die verwendeten transgenen Mäuse trugen eine homozygote C-zu-T-Punktmutation im Exon 11 des für Lamin A codierenden Gens (LMNA). Bei Menschen führt dies zu der als Hutchinson-Gilford-Progerie bekannten Erkrankung, die spätestens im zweiten Lebensjahrzehnt zum Tod führt. Bei den Mäusen konnten die Forscher den Gendefekt in vielen Zellen löschen, den Phänotyp deutlich verbessern und die Lebenszeit der Tiere von 215 auf „normale“ 510 Tage verdoppeln. „Die Resultate waren weitaus besser, als wir zu hoffen gewagt hatten“, kommentierte Francis Collins, einer der Co-Autoren der Studie. Das Kunststück war mit Hilfe eines Basen-Editors gelungen.

Kein Doppelstrangbruch

Basen-Editoren sind Molekülkomplexe, die gezielt eine Base im Genom umwandeln können. Sie bestehen aus einer modifizierten CRISPR-Cas-Nuklease, die nur einen der beiden DNA-Stränge spaltet. Dieses Protein ist mit einer Einzelstrang-spezifischen Deaminase verknüpft. Eine guideRNA bestimmt das Ziel des Editors, das sich innerhalb des sogenannten Protospacers befinden muss. Diese RNA lenkt den Editor an sein Ziel und platziert die Nickase in unmittelbarer Nähe der umzuwandelnden Base. Dort schneidet sie den DNA-Strang, der mit der guideRNA hybridisiert. Der geteilte DNA-Strang bildet einen sogenannten R-Loop. In dem nicht-hybridisierten DNA-Strang befinden sich die Basen, die sich editieren lassen. Das Editier-Fenster ist in der Regel zwischen zwei und zehn Nukleotiden weit und liegt im Protospacer innerhalb der Positionen 2 bis 12.

David Liu ist unbestrittener Pionier der Basen-Editoren. 2016 stellte Alexis Komor, eine Postdoktorandin seiner Arbeitsgruppe, den ersten Basen-Editor vor: Mit ihm ließen sich gezielt Cytosine in Thymine verwandeln. Im Jahr darauf stellte Nicole Gaudelli aus demselben Team ein Molekül vor, mit dem sich Adenin durch Guanin ersetzen lässt. In rasanter Geschwindigkeit wurde dieser Prototyp durch chemische Evolution und mithilfe neuer Enzyme optimiert. Das Angebot an Editoren ist heute kaum noch überschaubar, es lässt sich aber zumindest in Klassen einteilen.

Adenin-Basen-Editoren (ABEs) ersetzen ein A-T-Paar durch G-C. Sie enthalten Deoxyadenosin-Deaminasen, die Adenosin zu Inosin modifizieren, das als Guanin erkannt wird.

Cytosin-Basen-Editoren (CBEs) ändern ein C-G-Basenpaar zu T-A. Sie wandeln Cytosin in Uracil um, das von DNA-Polymerasen wie Thymin „gelesen“ wird. Da allerdings das DNA-Reparatursystem einer Zelle Uracil in der DNA als „falsch“ erkennt und entfernt, werden CBEs mit ein bis zwei UGI-Proteinen ausgestattet. UGI steht für Uracil-Glykosylase-Inhibitor – er unterbindet die Reparatur durch die DNA-Glykosylase (UNG2).

Seit 2020 gibt es auch Editoren, die Cytosin in ein Guanin wandeln können. Dazu später mehr.

In Laborjournal 12/2018 (Link) beschrieben wir bereits die Entwicklung der ersten und zweiten Generation von Basen-Editoren. Viel molekularbiologische Ingenieurskunst wurde eingesetzt, um drei Kernprobleme dieser Werkzeuge zu lösen.

Drei Baustellen

PAM: Alle gängigen Basen-Editoren sind abhängig von einer PAM-Sequenz. Dies ist bei den SpCas-9 basierten Editoren die Sequenz NGG, die ein Cas9-Protein für die Bindung benötigt. Die Editierung kann an Basen erfolgen, die im Protospacer bis zu zwanzig Nukleotide 5’ der PAM lokalisiert sind. Im Abstand von maximal zwanzig Nukleotiden zur PAM kann die Editierung erfolgen. Verschiedene Cas-Varianten können alternative PAM-Sequenzen erkennen, damit ließ sich die Zugänglichkeit der Zielsequenzen erweitern.

Präzision: Alle Editoren machen Fehler, sowohl an der Zielposition (Bystander-Mutationen) wie auch an anderen Stellen im Genom (Off-target-Mutationen). Dies versucht man durch Optimierung der Cas-Domänen und der funktionellen Deaminase-Domänen zu reduzieren.

Effizienz: Bei der Mutagenese von Tieren ist hohe, für eine Gentherapie sogar sehr hohe Effizienz gefragt. Für andere Anwendungen, etwa In-vitro-Studien mit Zellen oder in der Pflanzenforschung und -züchtung, ist Effizienz nicht ganz so wichtig, denn man kann ja mehr Zellen oder Linien testen.

Forscher können heute aus einer großen Anzahl unterschiedlicher Editoren denjenigen aussuchen, der zum jeweiligen Experiment am besten passt. In einer Übersicht entwickelten Liu und Kollegen ein Fließdiagramm, das die Auswahl des passenden Editors aus dem inzwischen reichhaltigen Angebot erleichtert. Mit den seit Mitte 2020 zur Verfügung stehenden Molekülen könne man bis zu 95 Prozent der pathogenen Transitionsmutationen bei Menschen ansteuern, schrieben die Forscher der Harvard University und des MIT (Nat. Biotechnol. 38: 824-44).

Auch die Arbeitsgruppe von Ralph Bock vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam veredelte Editoren (Nat. Commun. 11: 629). Er berichtet: „Wir beschäftigen uns ja schon sehr lange mit der Editierung von RNA in den Mitochondrien und Chloroplasten von Pflanzen. Da lag es nahe, sich auch mal Editoren anzuschauen. Wir entfernten beispielsweise das für die Editoren überflüssige nukleäre Exportsignal der Deaminasen. Das machte die Konstrukte kleiner und es verbesserte deren Sequenzspezifität. Außerdem tauschten wir Aminosäuren in den Linkern. In den ersten Editoren hat man kleine Aminosäuren verwendet, weil man sich vorstellte, dass der Linker möglichst flexibel sein müsse. Wir haben eher starre Aminosäuren wie Prolin genommen. Das hat sich bei vielen Konstrukten günstig auf die Präzision der Erkennung ausgewirkt.“

2020 beschrieben drei Arbeitsgruppen gleichzeitig duale Editoren, die die Funktionen von CBEs und ABEs in einem Konstrukt vereinen (Nat. Biotechnol. 38, 856-60, 865-69, 861-64). „Diese sind natürlich eher nicht für die Reparatur einzelner Punktmutationen gedacht, sondern für die Erzeugung dualer Mutationen und genetischer Diversität bis hin zu einer sättigenden Mutagenese. Es sind also in erster Linie Werkzeuge für die Forschung“, sagt Julian Grünewald, Co-Erstautor einer der Publikationen und Postdoktorand im Labor von Keith Joung am Massachusetts General Hospital in Charlestown und der Harvard Medical School.

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Ralph Bocks Team am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam entfernte unnötige nukleäre Exportsignale von Basen-Editoren und fügte Prolin-Reste in ihre Linker ein, um deren Sequenzspezifität zu verbessern. Foto: MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie
Jetzt auch Cytosin zu Guanin

Grünewald gehört auch zu dem Team um Ibrahim Kurt und Ronghao Zhou, das die ersten C-zu-G-Editoren (CGBE) entwickelte, also Moleküle, die eine Pyrimidin- durch eine Purinbase ersetzen können (Nat. Biotech. 39, 41-6). Der erste Editor dieser Art besteht aus einer guideRNA-gesteuerten Cas9-Nickase, einer aus E. coli gewonnenen Uracil-DNA-N-Glykosylase (eUNG) sowie einer Variante der APOBEC1-Deaminase. „Wir hatten zuvor gesehen, dass ABEs, die Adenine in Guanine editieren, an der Position 6 im Protospacer öfter auch Cytosin zu Guanin wandeln. Und so fragten wir uns, ob wir das nicht gezielt nutzen könnten, indem wir ABEs oder CBEs fortentwickeln, die Cytosine an Position 6 effizienter deaminieren und gleichzeitig das Zellreparatursystem eben gerade nicht daran hindern, dieses Uracil durch ein Guanin zu ersetzen“, erzählt Grünewald.

Also verglichen die Wissenschaftler die C-zu-T-Edition an dieser Protospacer-Position durch drei verschiedene Editoren: einen CBE mit Uracil-Glykosylase-Inhibitoren, einen CBE ohne Inhibitoren (miniCGBE1) sowie einen CBE, an den der Gegenspieler der Inhibitoren eUNG fusioniert war (CGBE1). Das Ergebnis dieses Experiments war wie vorhergesehen: Ohne Inhibitor erhielten die Forscher häufiger den erwünschten C-G-Basenaustausch als mit ihnen, und mit fusionierter UNG sogar noch etwas häufiger. „Auf der Basis dieses Moleküls können nun verbesserte C-zu-G-Editoren entwickelt werden“, so Grünewald.

Übrigens bearbeiten Deaminasen nicht nur DNA- sondern auch RNA-Moleküle. Dies ist lange bekannt, blieb aber im Kontext der Basen-Editoren unbeachtet. Erst kürzlich adressierten Grünewald und Kollegen diese Eigenschaft. Kann ein CBE auch in RNA-Molekülen Cytosin zu Uracil umwandeln? Die Forscher testeten den CBE BE3, der die aus Ratten stammende Deaminase APOBEC1 enthält. Eine Transkriptomanalyse von damit transfizierten menschlichen Zellen offenbarte eine sehr beachtliche Aktivität für RNA-Cytidine: Die Forscher fanden zehntausende Editierungen. Die Frequenz der C-zu-U-Deaminierung lag zwischen 0,07 und 100 Prozent und betraf 38 bis 58 Prozent aller exprimierten Gene. Die RNA-Editierung produzierte Missense- und Nonsense-Mutationen sowie Veränderungen an den Spleiß-Sequenzen und in den 5’- und 3’-untranslatierten Abschnitten der Gene (Nature 569, 433-37).

Neue CBE-Varianten

Daraufhin testeten die Forscher diese Editoren mit verschiedenen APOBEC1-Mutanten und fanden tatsächlich Moleküle, die weniger RNA editierten, ohne dabei ihre Leistungsfähigkeit als DNA-Editoren einzubüßen. Diese SECURE (selective curbing of unwanted RNA editing) genannten CBE-Varianten editierten ihre DNA-Ziele erstaunlicherweise sogar präziser als die Editoren, von denen sie abstammten.

Als Nächstes entwickelten die Wissenschaftler SECURE-ABE- und weitere SECURE-CBE-Versionen. Bei den Tests entdeckten sie, dass Editoren bei hoher Expression sogar ihre eigenen Transkripte editieren. Dadurch entsteht eine heterogene Population an Basen-Editoren in der Zelle (Nat. Biotechnol. 37: 1041-48). Auch dieses sogenannte „Self-Editing“ konnte mithilfe von SECURE-Varianten minimiert werden. In Versuchen mit primären menschlichen Zellen konnte man zeigen, dass sich Self-Editing reduzieren oder vermeiden lässt, wenn man den Komplex nur kurz exprimiert (Nat. Biotechnol. 38: 892-900).

Beinahe ohne PAM

Neben Effizienz und Präzision war auch die Abhängigkeit von der PAM-Sequenz neben dem Ziel im Protospacer eines der Kernprobleme. Auch diesem rückte man zu Leibe. Mitte letzten Jahres publizierte Russell Walton von der Arbeitsgruppe um Benjamin Kleinstiver vom Massachusetts General Hospital in Boston „near-PAMless“ Editor-Varianten (Science 368: 290-96). Diese SpRY-Editoren arbeiten mit den weniger genau definierten NRN-PAMs, wobei R für Adenin oder Guanin steht. Damit sind folglich mehr genomische Loci einer Basen-Editierung zugänglich geworden.

Eine ganz neue Technologie, mit der sich nicht nur einzelne Basen verändern lassen, entwickelten Andrew Anzalone und Kollegen aus dem Labor von David Liu (Nature 576: 149-57). Die Forscher nannten die dafür verwendeten Werkzeuge Prime-Editoren. Damit lassen sich alle Arten von Basen-Substitionen auslösen, bis zu 40 Basenpaare einsetzen und bis zu 80 Basenpaare ausschneiden.

Prime-Editoren bestehen aus einer Cas9-Nickasedomäne, einer Prime Editing guideRNA (pegRNA) und einer auf das Nötigste zurechtgeschnittenen reversen Transkriptase. Letztere setzt am freien 3’-Ende des von der Nickase aufgebrochenen DNA-Strangs an und synthetisiert ein Stückchen DNA, wobei die pegRNA als Template dient. Die zellulären DNA-Reparatursysteme sorgen dafür, dass das neu synthetisierte Stückchen DNA samt der gewünschten, darin enthaltenen Editierung in den DNA-Strang eingebaut und der gegenüberliegende DNA-Strang entsprechend geändert wird.

Aus grün wird türkis

Verschiedene Varianten wurden in humanen und tierischen Zelllinien getestet, beispielsweise von der Arbeitsgruppe von Frank Buchholz von der Technischen Universität Dresden. Dort prüfte man die Arbeitsweise der Editoren an menschlichen induzierten pluripotenten (iPS) Zellen. Als Indikator verwendete man ein sehr einfaches System, nämlich das Grün-fluoreszierende Protein (GFP). Bei korrekter Editierung eines Codons TAC zu TGG im GFP-Gen wird auf Proteinebene aus dem GFP-Protein ein Cyan-fluoreszierendes Protein (CFP). Diese Konversion kann man mit den bisherigen Basen-Editoren nicht erreichen. Die mit einem Prime-Editor transfizierten und korrekt editierten Zellen fluoreszieren nicht grün sondern türkis. Dies gelang im Experiment in Abhängigkeit von den jeweils verwendeten Primer-Bindungssequenzen bei 0,3 bis 7,5 Prozent der eingesetzten Zellen (Genes 11 (5): 511).

Mit diesen Editoren ist man möglicherweise auf dem richtigen Weg zu dem von Gentechnologen schon sehr lange gehegten Wunsch: Der zielgenauen Reparatur beziehungsweise Modifikation beliebiger Sequenzen auf der Basis eines Templates – wobei man mehr als ein Nukleotid verändern und alle möglichen Substitutionen vornehmen kann, ohne einen Doppelstrangbruch in der DNA zu induzieren.




Erste Gentherapie-Versuche mit Basen-Editoren

Es gibt bereits erste Studien, bei denen Basen-Editoren zur Beseitigung oder Verbesserung eines medizinisch-pathogenen Zustands eingesetzt wurden. Beam Therapeutics und Verve Therapeutics (beide in Cambridge, USA) stellten präklinische Daten mit hohen Editier-Raten vor. In der von Beam geführten Studie konnte man primäre humane T-Zellen ex vivo mit einem Cytosin-Basen-Editor an vier Stellen mit 96 bis 99 Prozent Effizienz editieren. In einer Presseerklärung teilte Beam mit, dass man darauf aufbauend eine CAR-T Zelltherapie zur Behandlung der akuten lymphoblastischen Leukämie entwickeln will.

Verve berichtete in einer Pressemitteilung über eine erste Langzeitstudie an Affen (6 Monate follow-up). Die Adenin-Basen-Editoren wurden in Nanopartikel verpackt und den Tieren verabreicht. Sie erreichten die Leber und editierten dort das Gen PCSK9 (proprotein convertase subtilisin/kexin type 9), was zur Inaktivierung des von PCSK9 codierten Enzyms führte. Der Ausfall des Enzyms durch natürlich vorkommende Mutationen, beziehungsweise eine pharmakologische Reduktion seiner Aktivität senkt die LDL-Konzentration. Menschen ohne PCSK9-Aktivität entwickeln keine koronaren Herzkrankheiten. Im Tierexperiment gelang das Editier-Experiment weitgehend. Dies ist die Basis für eine zu entwickelnde Therapie für Patienten mit familiärer Hypercholesterämie. Da man deren Cholesterinspiegel mit konventionellen Medikamenten nicht genug senken kann, versterben sie oft frühzeitig an Herzinfarkten.



Letzte Änderungen: 08.02.2021