Editorial

SDS-Gele färben

Smoke in the water

Hubert Rehm



Die altbekannte Silberfärbung von Proteinen hat ihre Schattenseiten. Hubert Rehm beschreibt im Folgenden zwei pfiffige Alternativen.

Silber tötet nicht nur Werwölfe, man kann damit auch Gele anfärben. Und wenn Werwölfe unangenehme Gesellen sind, so ist auch die Silberfärbung nicht durchweg beliebt. Sie ist umständlich, langwierig, schwer zu reproduzieren und nicht quantifizierbar, da verschiedene Proteine mit unterschiedlicher Intensität färben. Außerdem können Sie mit den gefärbten Proteinen nichts mehr anfangen: kein Blot, keine Elution, 3H wird gequencht, der Verdau mit Proteasen gehindert. Ganz schlecht sieht es bei der Silberfärbung mit der Proportionalität zwischen Proteinkonzentration und Färbeintensität aus: Eine Größenordnung ist das höchste der Gefühle.

All dies hätten die Proteomiker der Silberfärbung noch verziehen, hätten sie die gefärbten Proteine wenigstens im Massenspektrometer untersuchen dürfen. Doch wegen der teilweise irreversible Fixierung der Proteine im Laufe einer Silberfärbung erwies sich das als dornenreiches Unterfangen. Ursache der irreversiblen Fixierung sind die Aldehyde, die zum Entwickeln verwendet werden. Sie, besonders Glutaraldehyd, vernetzen Proteine.

Silber kontra Massenspektrometer

Die Silberfärbungen nach Blum et al. (1987) Electrophoresis 8, 93-99 und Shevchenko et al. (1996) Anal. Chem. 68, 850-858 sollen jedoch mit der Massenspektrometrie kompatibel sein, sprich: Man soll aus den Banden bzw. Flecken noch analysierbare Peptide gewinnen können. Beide Methoden verwenden Formaldehyd zum Entwickeln des Gels.

Nun vernetzt aber auch Formaldehyd Proteine (über Methylen-Brücken). Die Histologen präparieren damit ja ihre Schnitte. Mit Formaldehyd dauert es allerdings Stunden bis Tage bis die Proteine vollständig vernetzt sind. Falls Sie Ihr Silbergel also mit Formaldehyd entwickelt haben und einzelne Flecken im Massenspektrometer untersuchen wollen, empfiehlt es sich, das Gel schnell weiter zu verarbeiten. Dennoch ist die Ausbeute an Peptiden aus z.B. Blum-Gelen wesentlich geringer als aus Coomassie gefärbten Gelen. Dumm nur, daß Coomassie nicht so empfindlich färbt wie Silber.


Entfärben hilft

Neben der Quervernetzung mit Aldehyden hemmt auch die Ag-Ablagerung selbst die Weiterverarbeitung der Proteine eines Silbergels. Es ist also zweckmäßig, das Gel zuvor zu entfärben.

Das ist machbar. Sumner et al. (2002) in Rapid Comm. Mass Spectrom. 16, 160-168 entfernen das Silber mit H2O2. Dabei oxidiert das H2O2 auch die Reste von Formaldehyd und Ammoniak komplexiert die entstehenden Ag+-Ionen. Beliebt zum Entfärben von Silbergelen ist auch die Methode von Gharahdaghi et al. (1999) in Electrophoresis 20, 601-605. Oxidationsmittel ist Ferricyanid und das Ag+-Ion wird mit Thiosulfat komplexiert.

Nach einer solchen Entfärbung zeigen sich die Proteine dem Verdau mit Proteasen zugänglicher – aber nur teilweise: Proteine, die durch die Aldehyde der Silberfärbung irreversibel quervernetzt wurden, sind und bleiben für Proteasen schwer verdaulich. Zudem oxidiert das H2O2 die Methioninreste.

Der Weisheit Schluß war also bisher: Wer die Flecken bzw. Banden in einem Silbergel analysieren will, der sollte nur mit Formaldehyd entwickeln und das Gel so schnell wie möglich wieder entfärben. Richtig glücklich scheinen damit aber nur genügsame Charaktere geworden zu sein.


Schlaflose Nächte?

Der Straßburger Forscherin Sophie Richert scheint dies schlaflose Nächte bereitet zu haben. Sie ist auf die Idee gekommen, das Silbergel nicht mit Formaldehyd zu entwickeln, sondern mit einer Substanz, die Proteine nicht vernetzt. Diese Substanz wäre Carbohydrazid, versichert Sophie in Proteomics 4, 909-916, (2004). Aus damit angefärbten Gelen erhielte man eine ähnliche Peptidausbeute für die Massenspektrometrie wie aus Gelen, die mit Coomassie gefärbt wurden. Dies besonders dann, wenn hinterher mit Ferricyanid entfärbt wurde. Die Sensitivität sei ähnlich der von Formaldehyd entwickelten Gelen. Allerdings hätten die mit Carbohydrazid entwickelten Gele einen höheren Hintergrund und eine geringere Farbhomogenität.

Die schlechte Proportionalität zwischen Färbung und Proteinkonzentration konnte allerdings auch Frau Richert nicht beseitigen. Viele Forscher sind deswegen der Silberfärbung untreu geworden und haben sich in die fluoreszierenden SYPRO-Farben verliebt. Die binden an SDS-Protein-Komplexe und eignen sich daher zur Färbung von SDS-Gelen. Es gibt zwei Klassen von SYPRO-Farben: Die rein organischen Verbindungen wie SYPRO Orange und SYPRO Red und die Ruthenium-Komplexverbindungen wie SYPRO-Ruby.

Der entscheidende Vorteil der SYPRO-Farben liegt in der Proportionalität zwischen Proteinkonzentration und Färbeintensität: Sie erstreckt sich über drei bis vier Größenordnungen und ist damit Coomassie und Silber weit überlegen. Zudem: Während die rein organischen SYPRO-Farben etwas besser als Coomas-sie färben, färben die Ruthenium-Komplexe fast so empfindlich wie Silber. Weder dem Blotten noch der Massenspektrometrie oder der Edman-Sequenzierung legen die SYPRO-Farben etwas in den Weg.

Wie beim Damenfriseur

Beim Färben mit SYPRO-Farben geht es zu wie beim Damenfriseur: fixieren, färben, waschen. Das kann bei SYPRO-Ruby mindestens fünf Stunden dauern. Sie sollten Plastikgefäße verwenden, denn SYPRO-Ruby bindet an Glas. Und noch ein Tip: Messen Sie die Fluoreszenz auf Py-rex-Glasplatten. Andere Glasplatten zeigen Eigenfluoreszenz. Das mindert Klarheit und Empfindlichkeit der Färbung.

Soweit die guten Nachrichten. Jetzt die schlechten: Ruthenium, ein Bestandteil von SYPRO-Ruby, ist giftig und krebserregend. Sie können die Brühe also nicht einfach in den Abguß kippen. Zudem werden die Gele mit SYPRO-Ruby ungleichmäßig gefärbt und geben oft ein tüpfeliges, gesprenkeltes Erscheinungsbild.

Gibt es eine noch idealere Färbungsmethode? Noch empfindlicher als Silber, noch größerer Proportionalitätsbereich wie SYPRO-Ruby, gleichmäßige Färbung und ungiftig? – Das gibt es nicht. Aber es gibt etwas, was besser zu sein scheint als SYPRO-Ruby: einen fluoreszierenden Farbstoff aus dem auf Getreidekörnern parasitierendem Pilz Epicoccum nigrum.

Dieser Farbstoff bindet mit hoher Affinität an Proteine und erhielt erst den zackigen Namen Lightning Fast". Inzwischen ist er als Deep Purple" bekannt – vermutlich weil er beim Auflösen in Wasser schwarze Wolken bildet: Smoke in the water. Der Song der Gruppe Deep Purple heißt zwar Smoke on the water", aber wir wollen das hier nicht so genau nehmen.



Deep Purple hat einen langen lipophilen Schwanz, ist aber dennoch wasserlöslich. Seine Fluoreszenz kann mit Wellenlängen von 300-550 nm angeregt werden, emittiert wird rotes Licht der Wellenlänge 610 nm.


Zwei Wege zu Deep Purple

Die Färbung mit Deep Purple beschreiben zwei verschiedene Protokolle. Beiden gemeinsam ist, dass die Färbung im Alkalischen entwickelt wird. Verschieden ist der Zeitpunkt der Alkalisierung des Gels: Einmal vor und einmal nach der Färbung mit Deep Purple.

Protokoll Nr. 1 (nach einer Vorschrift der Herstellerfirma):
  1. Gel für 1 h oder über Nacht in 10 % Methanol / 7,5 % Essigsäure fixieren.
  2. Gel in 150 ml 200 mM Na2CO3 für 30 min waschen.
  3. Gel in 100 ml Millipore Wasser suspendieren, 0,5 ml Deep Purple zugeben und für 1 h im Dunkeln inkubieren.
  4. Färbeflüssigkeit entfernen und das Gel zweimal je 15 min in 10 % Methanol / 7,5 % Essigsäure waschen. Das Gel ist jetzt fertig gefärbt und kann gemessen werden.

Protokoll Nr. 2 (nach (Mackintosh J. et al. (2003) Proteomics 3, 2273):
  1. Gel 1 h in 7,5 % Essigsäure fixieren.
  2. Gel zweimal je 30 min mit 100 ml Millipore-Wasser waschen.
  3. Gel in 50 ml Millipore Wasser suspendieren, 0,25 ml Deep Purple zugeben und 1 h im Dunkeln färben.
  4. Gel dreimal je 10 min in 0,05 % (v/v) Ammoniak entwickeln. Das Gel ist jetzt fertig gefärbt.
Welche der beideren Vorschriften die bessere ist und worin, darüber ließ sich die Herstellerfirma leider nicht aus. Sie müssen das wohl ausprobieren.

Lebhaft dagegen schildern Firma und Entdecker die Vorzüge der neuen Protein-farbe. Deep Purple färbe empfindlicher als SYPRO-Ruby oder Silber; es sollen damit noch Proteine nachgewiesen werden können, die nur in 12 Kopien pro Zelle vorhanden sind. Mit Deep Purple gefärbte Gele zeigten auch nicht das tüpfelige Erscheinungsbild der SYPRO-Ruby-Gele. Probleme mit der Entsorgung gibt es auch nicht. Wie die anderen Fluoreszenzfarben färbt Deep Purple linear über vier Größenordnungen. Es sei vergleichsweise ungiftig und natürlich könnten Deep Purple gefärbte Proteine für die MALDI-Massenspektrometrie und Edman-Sequenzierung eingesetzt werden.

Wenn das stimmt, dann hat sich Sophie Richert umsonst die Nächte um die Ohren geschlagen.


Letzte Änderungen: 10.05.2005