Editorial

Der Moritat dritter Teil

von Cornel Mülhardt


Füllest wieder das Journal
Still mit Nebelglanz
Windest endlich auch einmal
des Mollis Lorbeerkranz

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick
wenn des Professors Auge mild
zersäget mein Geschick

(Ode eines Lesers an Cornel Mülhardt)








Was bisher geschah: Max.Präp., Alk. Lys., CsCl.Grad., Et.Br., Ultr.zentr., Anion.säul., Vudu.Fakt.100!

So, diesmal werden wir das Thema Maxipräp endgültig abhaken, versprochen. Deswegen gibt’s heute weniger Einleitung, damit mehr Platz für Konfusion bleibt.

Im Grunde ist zu Anionenaustauschersäulen ja fast nichts zu sagen, mal abgesehen vom Ratschlag, die Gebrauchsanweisung aufmerksam durchzulesen. Der gewissenhafte Hersteller klärt einen dort darüber auf, nach welchem Prinzip die Reinigung funktioniert, woraus die Puffer bestehen und was man zu beachten hat, um erfolgreich zu sein. Abgesehen von den absolut notwendigen Informationen (Gib Lösung XYZ drauf und warte, warte, warte...“) kann man da allerlei Interessantes entdecken, wenngleich mitunter ein wenig zwischen den Zeilen.


Sieht alles ganz beruhigend aus

Schauen Sie sich beispielsweise die Abbildung mit dem Elutionsmuster in Abhängigkeit von der Salzkonzentration an. Sieht alles beruhigend aus, am einen Ende der Skala finden sich die bösen Proteine (ich sage nur: Exonukleasen, Endonukleasen...) und andere Sauereien, am anderen der Bauplan des Lebens“, die Erbsubstanz“, die Große Blaupause“, kurz: das Zeug, das die hellen Flecken auf dem Agarosegel verursacht. Fällt Ihnen auf, was sich da ganz in der Nähe der DNA tummelt? Richtig, die RNA. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass sich da weit mehr als eine RNA tummelt? In einer mir vorliegenden Abbildung wird zwischen vier verschiedenen Typen unterschieden. Macht nix, is ja alles in beruhigenden Abstand zum Bauplan des Lebens. Obwoooohl, wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass die Elutionspeaks um so näher rücken, je länger die RNA ist. Und was man sich dazu denken muss, sind die Mengenverhältnisse der verschiedenen Substanzen, wie man sie im realen Leben antrifft. Dieser nette Peak an ribosomaler RNA, der sich in der Abbildung gesittet um die 1 M Salz-Marke tummelt, ist in Wirklichkeit ein dicker fetter Klops. Er beinhaltet schätzungsweise 90% der Nukleinsäuren, die in der Ursuppe herumschwimmen. Würde man ein Elutionsmuster zeigen, wie es das Leben schreibt, würde sich dieser Peak von fast ganz rechts bis fast ganz links ziehen und alles unter sich begraben. Man muss kein Experte sein, um zu ahnen, dass eine Reinigung so nicht funktionieren kann.


Durch die Kraft der gemeinen RNase

Die Hersteller arbeiten daher mit einem Trick. Haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb Sie zu Beginn des Protokolls so dringend gebeten werden, der Lösung I (wie immer sie sich auch jeweils nennen mag) die mitgelieferte Menge RNase A zuzugeben? Diese Handlung erscheint auf den ersten Blick reichlich unsinnig, erfreuen sich doch die Bakterien nach dem Resuspendieren bester Gesundheit, was die RNase so nützlich wie eine Eismaschine in Grönland erscheinen lässt. So zu räsonieren heißt die destruktive Kraft der gemeinen RNase, wie sie sich auf uns und in unseren Lösungen tummelt, gefährlich zu unterschätzen. Die Biester sind fantastischerweise nicht nur in der Lage, das folgende Natronlaugebad zu überstehen, sondern fühlen sich anschließend in 1 M Kaliumacetat so wohl, dass sie ihrer Arbeit mit großem Eifer und Erfolg nachgehen (erstaunlich genug, denn ich kann Ihnen versichern, dass die Brühe wirklich eklig ist). Schon nach relativ kurzer Inkubationszeit werden auf diese Weise aus großen Mengen langer RNAs große Mengen kurzer RNAs, die sich wesentlich leichter von den Säulchen waschen lassen, sofern sie überhaupt daran binden. Auch der Gegenbeweis ist leicht zu führen: Lassen Sie die RNase weg, führen Sie Ihre Präp wie gewohnt durch und Sie werden schockiert sein, wieviel RNA sich in ihrer ach so sauberen DNA-Präp tummelt. Der kritische Leser greift nun natürlich sofort zur Beschreibung seines Kits und stellt pickiert fest: Da steht aber gar nichts von Inkubieren“. Tut’s im Regelfall auch nicht. Statt dessen wird dort nach der Lyse meist zentrifugiert. Haben Sie sich nie gefragt, wozu diese unsinnig langen Zentrifugationszeiten gut sein sollen? Man würde doch mit zwei Zentrifugationen à 5 Minuten viel bessere Ergebnisse, sprich sauberere Überstände erzielen.


Sie werden schockiert sein

Nun, es handelt sich um einen Kombi-Schritt oder, neudeutsch ausgedrückt, um einen dual use step: während die RNasen fleißig schneiden, geht der Experimentator mittagessen. Die Zentrifugation darf daher auch durchaus länger dauern, zum Vorteil der DNA-Präp und des Experimentators, der so ein Magengeschwür vermeidet. Für die Ungeduldigen, die nicht zu Mittag essen, wurden in den letzten Jahren verschiedene Formen von Filtern entwickelt. Mit denen spart man sich langwierige Zentrifugationen (zudem liefern sie, nebenbei gesagt, bei korrekter Anwendung auch klarere Überstände, was zu höheren Durchlaufgeschwindigkeiten bei der Säule führt). Daraus können sich bei flotten Arbeitern Probleme ergeben, vor allem, wenn die Lösung I nicht mehr taufrisch ist und womöglich alle Arbeiten brav auf Eis durchgeführt werden. Sollte man dann RNA in seinen DNA-Präps finden, braucht man nicht unter lautstarker Verteufelung des jeweiligen Herstellers das ganze Kit wegzuwerfen. Es reicht, etwas frische RNase zuzugeben und zwischen Lyse und Auftragen auf die Säule die Arbeitsgeschwindigkeit zu reduzieren.


Du kleines Sensibelchen, du!

A propos RNase. Völlig sorglos sollte man vielleicht doch nicht sein. Aus Kostengründen verwenden einige Hersteller (vermutlich sogar die Mehrheit) DNase-haltige RNase. Nun sind bekanntlich DNasen im Vergleich zu RNasen kleine Sensibelchen, denen die Bedingungen während einer Lyse nicht sonderlich gefallen dürften. Dennoch würde ich vorsichtshalber von übertrieben langen Inkubationen, beispielsweise über Nacht, absehen, oder zumindest vorher einen Test durchführen.

Ein weiterer interessanter Punkt ist die Wiederverwertung der Säulchen. Furchtsame Geister tun sowas natürlich nicht, weil furchtsame Geister prinzipiell nix tun, was nicht ausdrücklich erlaubt ist. Andere tun es aus ökonomischen Gründen, fühlen sich aber unwohl dabei.

Diesen allen sei versichert: Halleluja, es geht! Es ist von den Herstellern sogar ausdrücklich erlaubt - der Hinweis ist in den Anleitungen nur ein wenig versteckt. Offiziell sind die Säulchen über mehrere Stunden stabil, inoffiziell habe ich die Dinger aber schon mit Wasser gewaschen, zum Trocknen gehängt und Tage oder Wochen später wiederverwendet. Die Ausbeute leidet zwar darunter, aber damit kann man gut leben. Der Haken beim Recycling ist, dass man sie nur für die gleiche DNA verwenden kann. Bei der Elution verlässt nämlich nur schätzungsweise 95% der DNA die Säule. Will man nach Plasmid A das Plasmid B über die gleiche Säule reinigen, handelt man sich herrliche Kontaminationen ein. Dumpf erinnere ich mich, dass manche Zeitgenossen ihre Säulchen autoklavierten - was die Säule ruiniert, am Problem aber nichts ändert.


Dem Gulli empfehlen

Mitunter kann es nützlich sein, nach der hoffentlich erfolgreichen ersten Präp das Lysat ein zweites Mal auf die Säule aufzutragen. Dies vor allem, wenn man ein nahrhafteres Medium verwendet als das zwar weit verbreitete, aber überaus armselige LB. Bei nahrhaften Medien kann es durchaus sein, dass man einen großen Teil der Plasmid-DNA ungenutzt dem Gulli empfiehlt. Tragen Sie also ruhig ein zweites Mal auf und überprüfen Sie, wieviel DNA Sie jedesmal wegwerfen. Zum Abschluss noch ein Kommentar: Ich empfinde es als unschön, dass am Ende der Prozedur die DNA mit Unmengen Salz eluiert wird, das man dann mit einer lästigen Alkoholfällung wieder loswerden muss. Sicher, das liegt in der Natur des Ionenaustauschers, doch angesichts der tollen technischen Möglichkeiten heutzutage erscheint mir alkoholfällen ebenso altbacken wie zeitverschwenderisch - so eine Maxipräp kostet letztlich gut und gerne einen halben Tag. Wer präpt, sollte gut überlegen, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Brauchen Sie tatsächlich 500 µg DNA? Wozu? Die handelsüblichen silica-basierenden Minipräp-Säulchen liefern, wenn man sie ausreizt, mittlerweile Ausbeuten von gut 50 µg. Das ist für die meisten Anwendungen mehr als genug, bei deutlich weniger Zeitaufwand. Vielleicht gibt sich die heimische Industrie ja einen Stoß und entwickelt ein Silica-Säulchen, mit dem man flott 200 µg DNA reinigen kann. Damit könnte man mich sehr glücklich machen. Wirklich!




Letzte Änderungen: 08.09.2004