Editorial

Kolonie-PCR

von Cornel Mülhardt


Cornel Mülhardt, Autor des Experimentators Molekularbiologie“ sowie der bisherigen sieben Folgen, hat von uns eine Ausgabe Serien-Urlaub bekommen. Und Hubert Rehm, Verfasser des Experimentators Biochemie“, der eigentlich in solchen Fällen einspringen wollte, schreibt derzeit andere Dinge. Zum Glück erinnerte sich Sylvia Pieplow daran, wie die Ergebnisse ihrer Kolonie-PCR-Experimente sie während ihrer Doktorarbeit immer wieder in Entzücken versetzten. Das hat Mühlhardt in seinen PCR-Folgen gar nicht erwähnt“, beschwerte sie sich bei uns. Okay, dann schreib´ Du doch was darüber“, gaben wir grinsend zurück. Sie tat´s - und stellt nebenbei gleich ein ganzes Institut voller illustrer Forscher vor.

Jeden Tag das gleiche Spiel: Animpfen, Minis machen, schneiden, aufs Gel schauen, schreien. Seit Wochen ist Jungforscher Kai Neknete auf der Suche nach dem ultimativen Klon. Exotische Inserts soll er auf exotische Art und Weise in exotische Vektoren bringen. Die schöne Geschichte aus dem Hörsaal von blauen und weißen Kolonien, klingt jetzt fast wie ein Märchen. In der Praxis sind alle Kolonien gleich, von außen zumindest. Wie also soll er den kleinen aber feinen Unterschied herausfinden? Alles hat er schon probiert: Die Ligation optimiert, neue kompetente Zellen gemacht, geflucht, gedroht und gut zugeredet. Sogar die Tipps seiner treuen Labor-Abschnittsgefährten ließ er nicht unversucht. Sophie le Klone nimmt grundsätzlich nur jede dritte Kolonie. Wenn das nicht klappt, denkt sie sich neue Abzählreime aus. Axel Schweiß glaubt seine Positiven am Geruch zu erkennen (Die riechen ganz zart nach Mundgeruch“). Britt Stift und ihre ostdeutsche Kollegin Gitti Fix meinen, daß nur die etwas Klebrigeren genau die richtigen wären. Bei Kai Neknete war bisher alles umsonst. Grinsende Kolonien verfolgen ihn bis in seine Träume. Puffer und Enzyme hat er schon eimerweise verbraucht. Und erst die Zeit, die er verjuchtelt hat. Die halbe Sahara ist durch seine Sand-Uhr geronnen. Wie hätte er so schön mit Tom Morrow, Franz Branntwein und der schnuckligen Chinesin Mitse Kase im Biergarten sitzen können. Ob er mal seinen Betreuer Theo Retisch fragt? Aber der betritt ja das Labor nur noch, um die Feuer-Duschen zu kontrollieren. Versuchs doch mal mit Kolonie-PCR“, hatte die ewig schnippische Klara Fall neulich zu ihm gesagt. Da sparst Du Dir ein Haufen Zeit.“

Also gut: Kai Neknete hört sich um: bei seinem Kumpel Atze Ton und den anderen Spezialisten im Institut. Viele seiner Kollegen nutzen die Methode für unterschiedliche Zwecke. Atze Ton will wie er in möglichst kurzer Zeit den Klon seiner Träume finden. Die Zwillinge Ali und Rudi Mente durchforsten Hefe-Kolonien mit Kolonie-PCR und der Ire Paddy O‘Phil sogar Xanthomonaden. Die feiste Anna Bolika wagt sich damit ans Chromrosom und überprüft, ob sich ihr Repressor-Gen richtig integriert hat. Was Kai Neknete am meisten erstaunte: Jeder macht es ein bisschen anders, aber es klappt immer. Selbst die stille Anne Mone schwört lauthals auf die Methode. Skeptiker wie Phil O‘ Soph werfen ein, die Taq und auch die Primer wären zu teuer. Aber man spart Zeit und Restriktionsenzyme“, sagen Lasse Machen und die anderen. Und für Vektoren, die man häufig benutzt, sollte man eh die passenden Primer immer parat haben. Braucht man dringend viel Fragment zum Weitermachen oder soll gar eine neue Schnittstelle über die Primer eingebaut werden, sollte man aber lieber Pfu oder andere Polymerasen mit Proof-Reading benutzen.

Kolonie-PCR geht ganz einfach. Zuerst macht man einen Mastermix, bestehend aus den Komponenten für einen Ansatz mal der Anzahl der Kolonien, die man testen will. Besser ist, Du rechnest ein oder zwei Ansätze mehr“, rät die stets erfolgsverwöhnte April Schertz, denn beim Pipettieren bleibt doch das ein oder andere Mikroliterchen an oder in der Pipette kleben. Mach´ lieber einen 11-fachen Ansatz für 10 Kolonien oder einen 22-fachen für 20“. Den mixt man gründlich und verteilt ihn dann auf die Tubes (Beschriften nicht vergessen!) 25 µl Gesamtvolumen pro Einzel-Ansatz sind völlig ausreichend. In den Konzentrationen von Primern, dNTPs usw. unterscheidet sich die Kolonie-PCR nicht vom normalen PCR-Ansatz. Der einzige Unterschied: Das Template schwimmt nicht, mühsam isoliert, in irgendwelchen Puffern rum, sondern im Cyto- bzw. Karyoplasma der Zellen. Die pickert man sich frisch von der Platte; der Hitze-Schock am Anfang jeder PCR sorgt schon dafür, dass die Polymerase ihr Ziel findet. Nach zwei bis drei Stunden weiß der Forscher, was gehauen und gestochen ist.


Elegantes Schütteln

In der Menge des eingesetzten Zellmaterials divergieren die Ansichten beträchtlich, wie Kai Neknete verwirrt feststellen musste. Bei High copy-Plasmiden reicht auf jeden Fall ein Hauch von einer Kolonie. Will man die PCR am Chromosom machen, darf es ruhig etwas mehr sein. Wichtig ist, dass die Zellen anständig in der Suppe verteilt sind. Einige resuspendieren die Kolonien vorher in Wasser. Manche lösen sie in 100 µl auf und geben dann davon 1 µl zum Reaktionsansatz, andere nehmen 3 aus 30. Wieder andere sparen sich diesen Schritt ganz und gehen mit der Kolonie direkt in den Ansatz. In diesem Fall ist es besonders wichtig, wenig zu nehmen. Auflösen lassen sich die Kolonien nur schlecht, indem man mit der Pipette den Ansatz hoch und runter saugt; es ist zu wenig Flüssigkeit im Tube und man kriegt Blasen rein oder verliert die Hälfte des Ansatzes. Die typische Handbewegung eines solchen PCR-Spezialisten ist eine ausgiebige Schüttelbewegung aus dem Handgelenk. Wer’s besonders eilig hat, setzt mit der selben Pipetten-Spitze gleich die entsprechende Übernachtkultur an. Am nächsten Morgen isoliert man dann nur noch die Positiven, der Rest wird (zur Strafe) totautoklaviert. Das Kreuzeln der Kolonien auf eine Platte kann man ebenfalls gleich mitmachen. Auf jeden Fall sollte man die Ansätze von Anfang an auf Eis halten, denn das Aufnehmen der Kolonien dauert seine Zeit. Jetzt wird noch mal kräftig gemixt, kurz runterzentrifugiert und rein mit den Proben in den PCR-Block. Damit während der PCR nicht das ganze Wasser verdunstet (die Polymerase will ja anständig am Template hin und her schwimmen), sollte man auf jeden Fall den Deckel beheizen oder vorher noch ein Tröpfchen Öl auf die Ansätze geben. Die meisten machen beides. Dann das PCR-Programm einstellen wie immer. Manche kochen die Suppe vor dem ersten Zyklus noch fünf Minuten richtig auf. Andere meinen, die 1-2 Minuten wie bei der normalen PCR tun’s auch. Jetzt nur noch ein Stoßgebet zum Himmel und das Gel fertig machen.

Bei den Kontrollen sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Positivkontrolle könnte ein Klon sein, bei dem es bisher immer geklappt hat. Wenn man es das erste Mal macht, finden sich bestimmt Experten in der Umgebung, die einem mal eine Kolonie borgen. Ansonsten muss man eben DNA nehmen, das ist zwar nicht direkt vergleichbar, aber man kann wenigstens checken, ob die PCR läuft, und nicht etwa die Polymerase schon hinüber ist. Auf die Negativkontrollen verfällt man in diesem Fal l sowieso meistens erst, wenn irgendwas nicht hinhaut – wenn man zum Beispiel andere Fragmente kriegt, als erwartet oder gar keine (aber dann sollte man auch in der Annealing-Temperatur hoch bzw. runtergehen). Ein Stamm ohne Plasmid oder einer mit anderer DNA könnte parallel als Kontrolle mitgeführt werden.


Heben und Springen

Kai Neknete hat’s probiert. Und – Murphy lässt grüßen – bei dieser Transformation waren fast alle seine Klone positiv. Heute Abend geht er mit Ellen Bogen, Claus Thaler, und der reizenden Conni Fähre einen heben. Und anschließend springt er beruhigt ins Bett: Mit Ute Nacht.




Letzte Änderungen: 08.09.2004