Editorial

Eintritt frei!

Open-Access-Journale

Katharina Hiehn und Steffen Rümpler


"Publiziere oder sterbe", lautet das Mantra der Naturwissenschaftler. Für Zeitschriftenverleger erfüllt sich dadurch das Märchen vom Goldesel. Bibliotheken ächzen dagegen unter den exorbitanten Preisen vieler Journale. Bieten Open-Access-Journale einen Weg aus dieser Zwickmühle?

Seit Mitte der 1990er Jahre steigen die Preise für gedruckte Journale kontinuierlich an, inzwischen liegt die jährliche Teuerungsrate im zweistelligen Prozentbereich. Ein Jahresabo einer der führenden STM-Zeitschriften (Science-Technics-Medicine) kostet heute so viel wie ein Mittelklassewagen. Die Verlage rechtfertigen ihre Preise mit dem aufwändigen Peer-Review-Verfahren und den hohen weiteren Kosten. Diese Argumente sind jedoch nicht besonders stichhaltig, da die Verlage in der Regel weder den am Peer-Review-Verfahren beteiligten Wissenschaftlern noch den Autoren ein Honorar zahlen. Häufig müssen letztere ihre Artikel sogar nach Verlagsvorgaben druckfertig einreichen. Durch die Preissteigerungen mussten Bibliotheken und Institute ihren Etat-Gürtel enger schnallen. So verdoppelten sich zum Beispiel die Kosten an der Universität Regensburg für die wissenschaftliche Literatur innerhalb eines Jahrzehnts auf 2,3 Millionen Euro (c't 12/2006, S. 190). Die Uni musste 2005 deshalb 230 Zeitschriftentitel abbestellen und kündigte ihren Konsortialvertrag mit dem Elsevier-Verlag.

Substanzverlust

Diese Krise zehrt sowohl an der Substanz als auch an der Qualität von wissenschaftlichen Arbeiten. Es wird immer schwieriger, sich die gesamte Literatur zu einem Forschungsthema zu beschaffen. Da Wissenschaftler darauf angewiesen sind, möglichst viel zu publizieren und zitiert zu werden, konzentrieren sie sich auf die wenigen, einflussreichen Zeitschriften und stärken damit deren Position im STM-Segment weiter.

Eines der Grundanliegen der Open-Access-Bewegung (OA) ist deshalb der freie Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. In ihren 2002 und 2003 verfassten BBB-Deklarationen (beschlossen in Budapest, Bethesda und Berlin) verlangt sie ferner, dass auch Primärdaten frei zugänglich und online abrufbar sein sollten.

Wie sehen Open-Access-Journale in der Praxis aus? Bisher gibt es zwei komplementäre Strategien, den "Goldenen" und den "Grünen Weg". Beim "Goldenen Weg" veröffentlichen Online-Fachzeitschriften die Artikel frei zugänglich im Netz, berechnen von den Autoren jedoch eine Gebühr. Der Springer-Verlag verlangt zum Beispiel etwas mehr als 2.000 Euro (3.000 Dollar) für eine Veröffentlichung bei "Open Choice". Die OA-Journalszene findet dies völlig überzogen und hält rund 300 Euro (500 Dollar) für kostendeckend. Bei anderen Geschäftsmodellen übernehmen Fachgesellschaften, Hochschulen oder weitere Forschungseinrichtungen die Veröffentlichungskosten.

Mit dem "Grünen Weg" zeichnet sich ein tiefgreifender Wandel im Publikationswesen ab. Die Grundidee ist, dass Veröffentlichungen auf einer Plattform abgelegt werden. Die Autoren archivieren ihre Artikel selbst nach einem standardisierten Verfahren auf ihren Institutsservern. Nicht nur Wissenschaftler können sich aus dem Archiv bedienen. Auch kommerzielle Dienstleister wie Journale können darauf zugreifen und daraus Zusatzangebote wie News- oder Abstract-Services generieren. Über "Zitierbäume" erzeugt der "Grüne Weg" sogar einen Mehrwert gegenüber den Print-Journalen. Wer will, kann entlang der Zitierpfade vorwärts und rückwärts navigieren und so Arbeiten anderer Gruppen finden, die dem Leser von gedruckten Journalen entgehen. Mit Verknüpfungen zu später erschienenen Artikeln lässt sich auf diese Weise der "Citation Impact" berechnen.


Informationsplattform

Die Infrastruktur dazu liefert die Directory of Open Access Repositories (OpenDOAR), bei der man auf rund 1.200 institutionelle Publikationsserver zugreifen kann. In der RoMEO-Liste (Rights MEtadata for Open archiving) können Wissenschaftler nachlesen, welche Bedingungen etablierte Zeitschriften an Zweitveröffentlichungen im Netz knüpfen. Inzwischen steht eine große, von der DFG geförderte Open-Access-Plattform im Internet zur Verfügung, auf der sich Autoren, Hochschulen, Bibliotheken, Herausgeber und Andere informieren können (siehe unten).

Viele Worte, wenig Taten

Die Open-Access-Idee stößt in der Wissenschaftsgemeinde auf breite Zustimmung. Die Taten, sowohl beim "Grünen" als auch beim "Goldenen Weg", lassen jedoch noch auf sich warten. So stellte Karin Weishaupt vom Institut Arbeit und Technik der Fachhochschule Gelsenkirchen in einer im August erschienenen Studie zur Akzeptanz von Open-Access-Zeitschriften fest, dass es noch viele Vorbehalte gegenüber dem freien Publizieren gibt. Ihrer Meinung nach seien die meisten Bedenken jedoch grundlos.

OA-Zeitschriften können sehr viel schneller publizieren als Printjournale, die auf Redaktionsschluss und Druck warten müssen. Zahlreiche Studien belegen zudem, dass Zitierungen von Aufsätzen aus derselben Zeitschrift, von denen ein Teil frei verfügbar war und ein Teil nicht, eindeutig zugunsten der frei zugänglichen ausfällt. Wer in einer OA-Zeitschrift publiziert behält die Verwertungsrechte. Forscher können ihre Texte dadurch mehrfach verwenden. Bei einem Verlag treten sie ihre Nutzungsrechte häufig an den Verlag ab. Wer in OA-Zeitschriften veröffentlicht kann meist bestimmen, ob er die kommerzielle Nutzung des Artikels zulässt oder Dritten das Recht einräumt, den Text zu verändern. Die Open-Access-Bewegung ist jedoch kein rechtsfreier Raum. Ganz im Gegenteil. Sie bietet Autoren sogar weitreichendere Rechte als viele Verlage. Bei Fragen zu Open-Access können sich Forscher häufig an spezielle OA-Beauftragte ihrer Universität wenden.

Publikations-Tantiemen

Wissenschaftler erhalten normalerweise keine Honorare für ihre Artikel. Bei Open-Access ist seit 2007 jedoch eine Vergütung über die Verwertungsgesellschaft Wort (VG-Wort) möglich. Die Voraussetzung für eine Verwertung der Texte bei der VG-Wort sind mindestens 1.800 Anschläge bei 1.500 Zugriffen im Kalenderjahr (siehe Kasten). Nicht zu unterschätzen ist der kollektive Nutzen von OA-Zeitschriften, da mit ihnen auch arbeitslose Akademiker, Emeriti und Wissenschaftler in armen Ländern Anschluss an die aktuelle Forschung halten können.

Viele OA-Redaktionen erhalten zu selten hochkarätige Manuskripte, weil das Renommee von OA-Journalen noch niedrig ist. Mit einigen erstklassigen Publikationen von angesehenen Forschern, würde sich diese Situation jedoch schnell ändern. Deshalb sollten, so Karin Weishaupt, auch die "Stars" der Wissenschaftsgemeinde vermehrt in OA-Zeitschriften publizieren.

Ähnliches gelte für den Impact Factor, der jedes Jahr von Thomson Scientific neu berechnet wird. Nur ein kleiner Teil der OA-Zeitschriften werde bei dieser Berechnung berücksichtigt, obwohl sie im Netz präsenter seien als die traditionellen Journale.

Viele Wissenschaftler hegten zudem noch Vorbehalte gegen die Qualitätsbeurteilung von Open Access-Publikationen. Die Redaktionen von OA-Journalen sollten die eingereichten Arbeiten deshalb sorgfältig prüfen beziehungsweise prüfen lassen. Darüber hinaus hätten OA-Journale die Chance, auch alternative Review-Systeme einzuführen, etwa transparente Verfahren oder gänzlich offene Begutachtungsprozesse.


Kritik an Institutionen

Weishaupt kritisiert auch die Haltung vieler Forschungseinrichtungen. Einerseits würden diese OA-Journale fördern und hätten die Berliner Erklärung unterschrieben. Andererseits nähmen viele, so Weishaupt weiter, kaum oder gar keinen Einfluss auf das Publikationsverhalten ihrer Wissenschaftler. Sie plädiert deshalb für Anreize damit mehr Wissenschaftler in OA-Journalen veröffentlichen. So könnten zum Beispiel OA-Veröffentlichungen als Kriterium bei der Mittelzuweisung dienen oder bei Förderprojekten sogar verpflichtend sein. Zu einer "Revolution" würde es führen, wenn jede Hochschule und jedes größere Forschungsinstitut eine bisher kommerziell vertriebene Zeitschrift übernähme und als OA-Journal weiterführe. Das durch den Wegfall teurer Abonnements freiwerdende Geld könnte man dann für die Herausgabe der Zeitschrift verwenden.


Informationsquellen zu Open-Access
  • Informationsplattform Open-Access (www.open-access.net): Von der DFG gefördert

  • Elektronische Zeitschriftenbibliothek Regensburg (www.bibliothek.uni-regensburg.de; unter "Digitale Bibliothek"): Zusammenstellung aller Elektro- nischer Fachzeitschriften mit einem Ampelsystem, das anzeigt ob die Artikel frei, eingeschränkt oder nur kostenpflichtig zur Verfügung stehen.

  • Directory of Open Access Journals Lund (www.doaj.org): Beinhaltet ausschließlich wissenschaftliche Zeitschriften mit Begutachtungsverfahren.

  • Romeo-Liste (www.sherpa.ac.uk/romeo.php): Liste der Bedingungen renommierter Zeitschriften, unter denen Wissenschaftler Zweitveröffentlichungen im Web vornehmen können.

  • VG Wort (www.vgwort.de/metis.php): Tantiemen für frei zugängliche Internet-Texte









Letzte Änderungen: 17.10.2008