Editorial

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Produktübersicht: Mikroplatten-Reader

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Mit ausgefeilten optischen Tricks versuchen die Konstrukteure von Mikroplatten-Readern die Empfindlichkeit und Genauigkeit der Geräte zu erhöhen. Noch in der Minderheit sind Reader mit labelfreien Detektionstechniken.

Wenn es eine Verkörperung des „Hans Dampf in allen Gassen“ im biowissenschaftlichen Labor gibt, dann ist es sicher das Mikroplatten-Lesegerät beziehungsweise der Mikroplatten-Reader. Kaum ein biochemischer oder zellbiologischer Assay, der sich nicht mit einem Mikroplatten-Reader auswerten ließe. Ob Protein-und DNA-Quantifizierung, ELISAs, FRET, BRET, Alpha-Screen, zeitverzögerte Fluoreszenz und sonstige abgefahrene Absorptions-, Fluoreszenz- und Lumineszenz-Messungen: der Mikroplatten Reader kann (fast) alles. Er gehört deshalb zurecht zur Laborgrundausstattung und keine Arbeitsgruppe, sei sie noch so abgebrannt, wird freiwillig auf ihn verzichten.

Nicht ganz einfach ist es aus der Fülle der angebotenen Geräte das zu den jeweiligen Bedürfnissen passende auszuwählen. Mikroplatten-Reader lassen sich grob in Instrumente einteilen, die nur eine Detektionsmethode beherrschen, etwa Absorption, Fluoreszenz oder Lumineszenz (Single-mode-Reader) und multifunktionelle Geräte, die verschiedene Leseverfahren ermöglichen (Multi-mode-Reader). Sowohl Single- als auch Multi-mode-Reader können mit zusätzlichen Schikanen ausgestattet sein, zum Beispiel Schüttel- oder Heizfunktionen.

Filter oder Monochromatoren

Das Herzstück des Mikroplatten-Readers ist ein optisches System, das weißes Licht in die gewünschte Wellenlänge zerlegt und die resultierenden monochromatischen Lichtbündel in die einzelnen Näpfchen der Mikroplatte leitet. Die einfarbigen Lichtstrahlen erzeugen die Konstrukteure entweder mit Filtern oder Monochromatoren, entsprechend unterscheidet man auch Filter- und Monochromator-basierte Reader. In Multi-mode-Readern installieren die Gerätehersteller häufig beide Systeme, um ihre jeweiligen Vorteile optimal zu nutzen.

Bei Filter-basierten Readern fällt das Licht einer Lampe auf einen farbigen Filter, der nur für einen sehr engen Ausschnitt des Lichtspektrums durchlässig ist. Ein System aus Spiegeln oder Glasfasern lenkt den aus dem Filter austretenden, einfarbigen Lichtstrahl in die einzelnen Wells der Mikrotiterplatte. Die Vorteile optischer Filter liegen auf der Hand: Lichtstrahlen mit der passenden Wellenlänge passieren den Filter nahezu verlustfrei, während das restliche Spektrum sehr effektiv zurückgehalten wird. Da Filter zudem nicht allzu teuer und schnell auszuwechseln sind, werden sie in sehr vielen Readern verbaut, einige Hersteller verwenden sie sogar ausschließlich.

Flexible Farbenwahl

Die Wellenlängen-Selektion lässt sich aber auch mit Monochromatoren bewerkstelligen, die wie Prismen oder optische Gitter funktionieren. Sie bestehen aus einer Eingangsblende, einem beweglichen Beugungsgitter und einer Ausgangsblende. Das Lampenlicht fällt durch das winzige Loch der Eingangsblende auf das optische Gitter. Dieses erzeugt ein Lichtspektrum und projiziert die einzelnen Spektralfarben auf den schmalen Spalt der Ausgangsblende. Dreht man das Gitter in winzigen Schritten, so wandert auch das Lichtspektrum über die Ausgangsblende. Auf diese Weise kann man die Lichtfarbe, die auf die Lochblende fallen und auf der anderen Seite austreten soll, in winzigen Schritten einstellen.

Doppelt genäht hält besser

Das Streulicht versuchen die Hersteller mit einem simplen Trick zu minimieren: Sie schalten einfach zwei Monochromatoren hintereinander. Die Ausgangsblende des ersten dient hierbei als Eingangsblende für den zweiten, der den bereits einfarbigen Lichtstrahl nochmals aufsplittet.

Zumeist über Glasfasern gelangt das doppelt gebrochene Licht schließlich in die Näpfchen der Mikrotiterplatte und löst eine entsprechende Reaktion aus, die zur Emission eines Lichtstrahls führt. Wie auf der Anregungsseite wird das Licht auch hier über ein Monochromator- oder Filtersystem geleitet und landet schließlich in einem Photoelektronenvervielfacher (PMT). Dieser wandelt das optische Signal in ein elektronisches um, das letztendlich aufgezeichnet wird. Auch hier setzen die Konstrukteure zumeist Doppelmonochromatoren ein, die entsprechenden Geräte werden deshalb auch als Quadrupol-Reader bezeichnet.

Kurz- und Langpass

Ein Monochromator-System, das auf zwei gegeneinander verschiebbaren Lang- und Kurzpassfiltern beruht, setzt der im Nordschwarzwald beheimatete Hersteller BMG Labtech seit kurzem in seine Edelmodelle ein. Die Grundidee dieser so genannten Linear Variablen Filter (LVF)-Mono­chromatoren ist eigentlich nicht neu. Der Kurzpassfilter lässt das Licht unterhalb einer Grenzwellenlänge passieren, der Langpassfilter oberhalb. Verschiebt man die parallel hintereinander angeordneten Filter zueinander, so kann man eine beliebige Grenzwellenlänge einstellen, die beide Filter passiert. Die variablen Filter ersetzen somit einen kompletten Filtersatz und bieten gleichzeitig die Vorteile eines Filtersystems. Zudem lässt sich mit ihnen auch die Bandbreite des transmittierten Lichts in einem Korridor von einigen wenigen bis hundert Nanometer variieren. Durch eine höhere Bandbreite gelangt mehr Licht in die Wells der Mikrotiterplatte wodurch sich die Empfindlichkeit des Readers erhöht.

Resonante Wellenleiter

Nahezu alle gängigen Mikroplatten-Reader nutzen Absorptions-, Fluoreszenz- oder Lumineszenzphänomene als Messgrößen, die von entsprechend gelabelten Molekülen in den Reaktionsansätzen der Mikrotiterplatten ausgehen. Zu dem noch sehr kleinen Gerätekreis mit ­labelfreier Detektionstechnik zählt der von Corning entwickelte Wave-Guide-Reader, der resonante Wellenleitergitter (Resonant Waveguide Gradings, RWG) als Biosensoren nutzt.

Resonante Wellenleitergitter sind hauchdünne Beschichtungen, in die ein periodisches Beugungsgitter in Form einer Rechteckwelle eingearbeitet ist. Fällt Licht schräg auf die Fläche des planaren Wellenleiters, so koppelt sich eine spezifische (resonante) Wellenlänge in diesen ein, wandert ein kurzes Stück entlang der Gitterstruktur und wird dann vollständig reflektiert. Das Interessante hieran ist, dass die Einkopplung der resonanten Wellenlänge vom Brechungsindex an der Oberfläche der Wellenleiterschicht abhängt. Ändert sich der Brechungsindex nur minimal, so verschiebt sich sowohl die Wellenlänge des eingekoppelten als auch die des reflektierten Lichts um einige Picometer.

Eingekoppeltes Licht

Diesen vermutlich nur Optik-Nerds geläufigen Zusammenhang nutzen die Ingenieure von Corning für ihren Reader. Das Wellenleitergitter ist hier in den Boden spezieller Mikrotiterplatten integriert, die von unten mit einer entsprechenden Lichtquelle beleuchtet werden. Wachsen in den Wells der Platten Zellen, so erhält man hieraus einen Basiswert für die resonante Wellenlänge. Binden während eines Experimentes Moleküle an die Zellen, so ändert sich die Verteilung der Zellmasse und damit auch der Brechungsindex. Zu sehen ist dies an einer minimalen Verschiebung der resonanten Wellenlänge (Picometer-Shift), die das Gerät aufzeichnet.

Verschobene Wellenlänge

Dieses Prinzip funktioniert auch bei ­biochemischen Assays. Hier koppelt man die Zielmoleküle an die Oberfläche der Wells und misst die Wellenlänge des reflektierten Lichts vor und nach der Zugabe eines Analyten, der an die Ziele bindet. Auch in diesem Fall führt die winzige Gewichtszunahme zu einem Picometer-Shift der reflektierten Wellenlänge.

Auf einem ähnlich abgefahrenen optischen Phänomen basiert auch der von Thomas Bruns im Rahmen seiner Doktorarbeit (in Humanbiologie!) an der Universität Ulm konstruierte Mikroplatten-TIRF-Reader (http://vts.uni-ulm.de/docs/2013/8366/vts_8366_12304.pdf). Die innere Totalreflexion zur Fluoreszenzanregung oder kurz TIRF dürften die meisten von dem entsprechenden TIRF-Mikroskopieverfahren kennen. Ganz ähnlich funktioniert auch der TIRF-Reader.

Dahinschwindende Welle

Der Glasboden der Mikrotiterplatte wird hier von unten mit einem schräg einfallenden Laserstrahl beleuchtet. Bei einem exakt definierten Einfallswinkel breitet sich das Licht in dem Glas aus, bis es schließlich an der Grenzfläche zwischen Zellmedium und Glasboden vollständig reflektiert wird (Totalreflexion). Ein winziger Bruchteil des reflektierten Lichts dringt jedoch als sogenannte evaneszente Welle einige hundert Nanometer tief in adhärent auf der Well­oberfläche wachsende Zellen ein und regt in der Zellmembran sitzende Fluorophore zur Fluoreszenz an. Das von diesen ausgehende Licht fängt eine CCD-Kamera ein, die es zur Auswertung an eine entsprechende Recheneinheit weiterleitet.

Noch ist der TIRF-Reader nur als Prototyp am Institut für Angewandte Forschung der Hochschule in Aalen im Einsatz. Aber wer weiß, vielleicht ergänzt er eines Tages die immer bunter werdende Mikroplatten-Reader-Palette.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 06/2014, Stand: Mai 2014, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 10.06.2014