Editorial

Die DNA-Schnipselmacher
Produktübersicht: Kits zur Herstellung von NGS-Bibliotheken

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Nicht nur auf Fotos ist die Realität manchmal schief abgebildet. Auch NGS-Library Kits... Foto: Håkan Dahlström

Damit sich NGS-Sequenzierer nicht an zu langen DNA-Sequenzen verschlucken, müssen diese in maschinengerechte Portionen zerlegt werden. Die Kit-Hersteller freut‘s.

Was wäre die Molekularbiologie einfach, wenn sie sich auch in der Praxis immer an die schönen Schema-Bilder und protokollierten Arbeitsabläufe in wissenschaftlichen Publikationen halten würde. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Konstruktion von DNA-Bibliotheken für die Next Generation Sequenzierung.

Auf den ersten Blick sehen die in den Abbildungen illustrierten Arbeitsschritte sehr überschaubar aus: die DNA oder RNA wird zunächst extrahiert, RNA schreibt man mittels reverser Transkription in cDNA um. Anschließend fragmentiert man die extrahierte DNA beziehungsweise die hergestellte cDNA mit physikalischen oder enzymatischen Methoden. Mit einem der zahllosen NGS Library Preparation-Kits trimmt man im nächsten Schritt die Enden der erhaltenen DNA-Fragmente und fügt entsprechende Adapter an, die zur Chemie der gewählten Sequenzierplattform passen. Zum Abschluss vervielfältigt man die Schnipsel-Bibliothek schließlich mit einer PCR, den Rest erledigen Sequenziermaschine und Auswertesoftware.

Der Schreiber dieser Zeilen hat zugegebenermaßen ein Faible für diese auf das Wesentliche reduzierten Schemata, die seinen beschränkten molekularbiologischen Horizont nicht all zu sehr übersteigen und ihm dadurch seine Recherchearbeit sehr erleichtern.

Leider sieht die Realität im Labor zumeist etwas komplizierter aus und auch bei der Herstellung von NGS-Bibliotheken kämpfen die Experimentatoren mit zahlreichen Fallen und Fehlerquellen. Ihre größte Sorge gilt hierbei einer durch die einzelnen Arbeitsschritte verursachten Schieflage (Bias) der ursprünglichen DNA-Fragment-Zusammensetzung.

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Bei DNA als Ausgangsmaterial für die Sequenzierung resultiert diese zumeist aus der Vervielfältigung der NGS-Bibliotheken via PCR im letzten Schritt des Protokolls. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die Eigenheit von PCR-Polymerasen DNA-Fragmente mit neutralem GC-Anteil effizienter zu amplifizieren als Sequenzen bei denen GC- oder AT-Nukleotide unter- oder überrepräsentiert sind. Zu diesem sogenannten GC-Bias neigt auch die in vielen Kits zur Herstellung von NGS-Bibliotheken traditionell eingesetzte Phusion Polymerase.

Schräge Daten durch PCR-Bias

Deutlich weniger anfällig für ein GC-Bias sind alternative Polymerasen, die verschiedene Hersteller inzwischen anbieten. Insbesondere bei der Sequenzierung von Organismen mit AT- oder GC-reichen Genomen sollte man sich deshalb die Polymerase, die in dem hierzu eingesetzten Kit enthalten ist, genau anschauen und eventuell durch eine Polymerase mit geringerem GC-Bias ersetzen.

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... produzieren häufig ein schräges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen in der Zelle. Foto: Håkan Dahlström

Noch besser wäre es natürlich, den PCR-Schritt komplett aus dem Protokoll herauszuschmeißen. Das lässt sich auf zwei verschiedenen Wegen bewerkstelligen: einem umständlichen, bei dem man die Fragmente mit alternativen Methoden amplifiziert, und einem schnellen, bei dem man sich einfach einen PCR-freien Kit zur Herstellung von NGS-Bibliotheken zulegt.

Zu den alternativen Vervielfältigungsmethoden für DNA zählen zum Beispiel die Rekombinase Polymerase Amplifikation (RPA) und die Multiple Displacement Amplifikation (MDA). Bei diesen isothermen Amplifikations-Verfahren sind Polymerasen mit Strangverdrängungs-Aktivitäten für die exponentielle oder lineare Amplifikation der Fragmente verantwortlich. Aber auch diese beiden Methoden haben ihre Macken und können zu Schieflagen bei der Fragment-Zusammensetzung führen.

Wesentlich einfacher lässt sich der Amplifikations-Schritt mit PCR-freien Kits umgehen, die mittlerweile wie Pilze aus dem Boden schießen und von verschiedenen Firmen angeboten werden. Genaue Details zu den Komponenten verraten die Hersteller zwar nicht, das Funktionsprinzip der PCR-freien Kits ist aber immer ähnlich. Sie enthalten einen Enzym-Mix der für eine sehr effiziente Ligation der Plattform-spezifischen Adaptersequenzen an die beiden Enden der DNA-Fragmente sorgt. Hierdurch erübrigt sich die PCR mit der man bei den Standardkits DNA-Fragmente mit erfolgreich ligierten Adaptern amplifiziert. Selbst mit winzigen DNA-Ausgangsmengen von wenigen Nanogramm liefern PCR-freie Kits inzwischen ausreichend viele Adapter-bestückte-DNA Fragmente für die Sequenzierung. Bei noch kleineren Mengen muss man aber auch hier in der Regel mit einem zusätzlichen PCR-Schritt nachhelfen.

Viele Varianten

Ganz ohne separate Fragmentierung, Enden-Reparatur und Adapter-Ligation kommen Transposase-basierte Kits aus. Hier erledigt ein Transpososom-Komplex die Fragmentierung und das Anhängen der Adapter in einem Aufwasch. Mit Hilfe der kurzen Adaptersequenzen an den Fragment-Enden amplifiziert man die nach dieser sogenannten Tagmentation erhaltene DNA mit einer PCR. Über die PCR-Primer fügt man gleichzeitig plattformspezifische sowie als Barcode-dienende Index-Sequenzen an die Enden der DNA-Bruchstücke an.

Wesentlich variantenreicher als die Herstellung von DNA-Sequenzier-Bibliotheken gestaltet sich die Präparation von Bibliotheken für die RNA-Sequenzierung oder kurz RNA-Seq. Hier hängt das Protokoll nicht nur von der gewählten NGS-Plattform ab, sondern auch von der RNA-Spezies, auf die man es abgesehen hat. Bei miRNAs und anderen kleinen RNAs ist das Ganze noch recht übersichtlich. Hier ligiert man zumeist 3‘- und 5‘-Adapter an die Enden der miRNA und nutzt diese als Ausgangspunkte für eine RT-PCR. Einer der hierfür eingesetzten Primer enthält in der Regel eine zusätzliche Barcode-Sequenz mit der sich der Strang später identifizieren lässt.

Cleveres Spiel mit Primern

Auch bei der Konstruktion von RNA-Seq-Bibliotheken ist das Umschreiben der mRNA mit einer RT-PCR in cDNA der entscheidende Schritt, um plattformspezifische oder andere gewünschte Sequenzen an die Enden der mRNA anzuhängen. Im Gegensatz zu miRNA-Bibliotheken ist die RT-PCR hier jedoch zumeist der erste Schritt, der zudem über die Wahl der Primer die weitere Strategie vorgibt. So können die Primer gegen zufällige Sequenzen gerichtet sein oder als oligo-dT-Primer an poly-A-Schwänze der mRNA binden. Mit clever gestalteten Primern ist es sogar möglich, die Amplifikation ribosomaler RNA zu unterdrücken, die in RNA-Seq-Bibliotheken stören würde.

Welche Strategie und welcher der unzähligen Kits zur Herstellung von DNA- und RNA-Seq-Bibliotheken auf den nächsten Seiten am Besten zu Ihrer Fragestellung passt, müssen Sie jedoch selbst entscheiden − ein einfaches Schema, das Ihnen dabei helfen könnte, gibt es hier leider nicht.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 09/2014, Stand: Juli 2014, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 02.09.2014