Editorial

Friedliche Koexistenz
Produktübersicht: Elektrophorese-Systeme

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Mikrochip für die Elektrophorese von Aminosäuren. Foto: Caltech

Trotz moderner Kapillar- und Mikrochip-Elektrophorese sind selbstgegossene Gele und puffergefüllte Gelkammern noch immer unverzichtbar.

Auch achtzig Jahre nach Arne Tiselius‘ bahnbrechenden Versuchen zur elektrophoretischen Trennung von Serum-Proteinen, zählen Elektrophorese-Systeme noch immer zu den wichtigsten und am meisten gebrauchten Analyse-Geräten in biowissenschaftlichen Laboren.

Die Trennleistung der von Tiselius eingesetzten U-förmigen, mit Puffer befüllten Elektrophorese-Röhren war aufgrund von Diffusions- und Konvektionseffekten in der Puffer-Flüssigkeit noch ziemlich bescheiden. Zur unverzichtbaren Routinemethode avancierte die Elektrophorese erst Mitte der sechziger Jahre. Harry Eagles Gruppe am Einstein College in New York kam damals auf die Idee, Proteinproben vor der Elektrophorese in Polyacrylamid-Gelen (PAGE) in Sodiumdodecylsulfat (SDS) zu lösen, um sie mit einer einheitlichen negativen Ladung zu versehen (SDS-PAGE).

Legendärer Lämmli-Puffer

Perfektioniert wurde die SDS-PAGE schließlich von dem Schweizer Biochemiker Ulrich Karl Lämmli. In seinem berühmten Nature-Paper von 1970 stellte er den „Lämmli-Puffer“ vor. Lämmlis Trick bestand darin, sowohl dem Gel, als auch dem Kathodenpuffer etwas SDS zuzufügen. Die Proteine sind hierdurch auch während der Elektrophorese durchgehend mit dem negativ geladenen SDS gesättigt und werden in der Matrix des Polyacrylamid-Gels nur nach der Größe getrennt.

Auf diesem Prinzip basiert auch die moderne Variante der SDS-PAGE, die Kapillargelelektrophorese (CGE). Statt in Flachbettgelen verläuft die elektrophoretische Trennung in feinen, 25 bis 150 Mikrometer weiten Glaskapillaren mit einer Länge von 25 bis 75 Zentimeter. Bei der ursprünglichen Kapillarzonenelektrophorese (CZE) ist die Kapillare nur mit Elektrodenpuffer gefüllt, bei der CGE mit vernetzten oder linearen Polymeren, etwa Polyacrylamid (LPA) oder Polydimethylacrylamid. Die Enden der Kapillaren sind über puffergefüllte Reservoire mit einer Spannungsquelle verbunden, die zwischen dem Pluspol des Kapillar-Einlasses und dem Minuspol des Auslasses ein extrem starkes elektrisches Feld von mehreren hundert Volt pro Zentimeter erzeugt.

Elektroosmotischer Fluss

Interessant ist, was sich im Inneren der Kapillare tut. An der Wandung der Glasröhre sammeln sich die Hydroxysilane (SiOH) des Glases als negativ geladene Schicht, an die sich hydratisierte Kationen des Puffers anlagern. Baut sich das elektrische Feld auf, so rasen die Kationen mitsamt ihrer Solvathülle als sogenannter elektroosmotischer Fluss (EOF) zur negativ geladenen Kathode.

Hierbei reißen sie alle Moleküle mit, die sich ebenfalls in der Kapillare befinden. Negativ geladene Moleküle werden aber gleichzeitig auch von der positiv geladenen Anode angezogen und hinken deshalb, je nach Stärke ihrer Ladung, der Front des EOFs etwas hinterher. Positiv geladene beschleunigt die Kathode dagegen zusätzlich. Sie sind deutlich schneller unterwegs als die negativ geladenen und marschieren vor der Front des EOFs auf die Kathode zu. Neutrale Moleküle wandern hingegen mit der Front des elektroosmotischen Flusses mit, werden hierbei jedoch nicht aufgetrennt.

Bei der klassischen Kapillarzonenelektrophorese (CZE) nutzt man diese unterschiedlichen Laufgeschwindigkeiten unmittelbar für die Trennung der Analyten. Mit DNA oder SDS-gesättigten Proteinen funktioniert dies jedoch nicht, weil sich das Masse-Ladungsverhältnis der einzelnen Moleküle nicht unterscheidet.

Hier verwendet man Gel-gefüllte Kapillaren, durch deren Maschen die kleinen DNA- oder Proteinmoleküle auf ihrem Weg zur Kathode schneller hindurch schlüpfen als die größeren. Die Trennung erfolgt deshalb, wie bei der klassischen ­SDS-PAGE, nur nach der Größe der Moleküle beziehungsweise ihrer elektrophoretischen Mobilität.

Noch winziger

Die verschiedenen Varianten der Kapillarelektrophorese trennen die Analyten äußerst scharf, benötigen nur wenige Nanoliter Probenvolumen und sind sehr schnell. Mit der Mikrochip-Elektrophorese (MCE) lässt sich aber auch das noch steigern. Diese funktioniert im Grunde wie die klassische CE – die in die Chips eingravierten Kapillaren sind jedoch noch feiner und kürzer, die Feldstärken sind noch höher, und die Elektrophorese dauert meist nicht viel länger als ein bis zwei Minuten.

Die Elektrophorese-Chips findet man nicht nur in unzähligen MCE-Prototypen und Konzeptstudien, sondern vermehrt auch in kommerziellen Elektrophorese-Systemen. Ein Beispiel hierfür ist Bio-Rads Experion-Instrument, dessen Vorläufer die amerikanische Firma Caliper Life Sciences bereits 2004 unter dem Namen LabChip vorstellte.

Gelelektrophorese-Chip

Das Experion-System basiert auf einem Kapillargelelektrophorese-Chip, dessen ­Mikrokanäle vor der Elektrophorese mit einer Gel-Lösung befüllt werden. Nach diesem Priming ist der Chip bereit für das Beladen der einzelnen Proben-Wells. Spannungsänderungen in den Näpfchen bugsieren die Proben in den Elektrophoresekanal.

Hier werden sie während der (Gel)Elektrophorese mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert, den ein Laser am Ende des Elektrophoresekanals anregt. Anhand der detektierten Fluoreszenz-Signale erstellt eine Software ein Elektropherogramm, aus dem das Analyseprogramm die Molekulargewichte der Proben ermittelt.

Das Experion-Gerät ist für die automatische Elektrophorese von Nukleinsäuren oder Proteinen ausgelegt. Proteomiker setzen die Kapillarelektrophorese aber auch häufig ein, um Proteine vor der massenspektrometrischen Analyse aufzutrennen (CE-MS). Auch hierfür gibt es inzwischen Mikrochip-basierte Lösungen. Eine der interessantesten stammt von dem amerikanischen Start-up 908 Devices und nennt sich ZipChip.

Einfaches Prinzip

Der prinzipielle Aufbau des ZipChips ist absolut simpel. In ein Glasplättchen mit der ungefähren Größe eines Objektträgers sind drei mikrofluidische Kanäle eingearbeitet: Ein Elektrophoresekanal, ein Injektionskanal sowie ein Elektrospraykanal. Der Elektrophoresekanal geht von einem Pufferreservoir im oberen rechten Eck des Glasplättchens aus und mündet nach einer langgezogenen S-förmigen Schleife in der unteren rechten Ecke in einen Auslass. Der waagrecht verlaufende Injektionskanal startet in einem Probenreservoir im oberen linken Eck des Plättchens, kreuzt den Elektrophoresekanal im Injektionspunkt und endet in einem Reservoir für den Probenabfall. Der Elektrospraykanal beginnt an einem Pumpenreservoir im linken unteren Eck des Glaschips und trifft kurz vor dem rechten unteren Eck auf den Elektrophoresekanal.

Ein Überdruck in Proben- und Pufferreservoir befördert Proteine und Puffer in den Elektrophoresekanal. In diesem erzeugt eine Spannungsquelle ein elektrisches Feld von gut 1.000 Volt pro Zentimeter, das die Proteine nach dem Prinzip der Kapillarzonenelektrophorese auftrennt.

Der Clou des Chips ist aber die integrierte Elektrospray-Ionisation (ESI). Unmittelbar nach der Injektion der Probe liegt am Pumpenreservoir des Elektrospraykanals eine Spannung von 3.000 Volt an, gleichzeitig wird die für die ESI nötige Flüssigkeit durch den Kanal gepumpt.

Die getrennten Proteine werden hierdurch direkt beim Austritt aus dem Elektrophoresekanal im unteren rechten Eck des Glasplättchens durch die ESI-Einheit des Chips ionisiert und in ein angeschlossenes Massenspektrometer gesprüht.

Vom ZipChip direkt ins MS

Dass der ZipChip ziemlich clever ist, hat inzwischen auch ThermoScientific erkannt, das ihn als Zusatzgerät für seine Massenspektrometer anbietet.

Trotz der immer stärkeren Konkurrenz durch Kapillar- und Mikrochip-Elektrophorese-Systeme dürfte die klassische Gelelektrophorese mit selbstgegossenen vertikalen oder horizontalen Gelen aber nicht so schnell aus den Laboren verschwinden. Die hierzu nötigen Utensilien finden sie auf den nächsten Seiten.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 05/2017, Stand: April 2017, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 08.05.2017