Editorial

Wie Pech und Schwefel
Produktübersicht: Affinitätsreinigungs-Kits

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Affinitäts-Harze kann man auch einfach in Teebeutel füllen und in Zellextrakte mit getaggten Proteinen hängen. Foto: Wikipedia

Die meisten verlassen sich bei der Affinitätsreinigung von Proteinen auf His-Tag und Ni2+-Säulen. Das ist aber nicht immer die beste Wahl.

Kaum zu glauben, dass die Affinitäts-Chromatographie bereits fünfzig Jahre alt ist. Aber es stimmt tatsächlich: Am 9. August 1968 veröffentlichten Pedro Cuatrecasas, Meir Wilchek und der Proteinfaltungs-Pionier und Nobelpreisträger Christian Anfinsen von den National Institutes of Health in Bethesda (USA), die erste Proteinreinigung mit einer Affinitäts-Säule.

Anfinsens Gruppe charakterisierte damals eine extrazelluläre Nuklease aus Staphylococcus aureus, deren Aktivität sich mit einem Nukle­ase-Inhibitor hemmen ließ. Cuatrecasas kam schließlich auf die Idee, den Inhibitor an ein Sepharose-Gel zu koppeln und den Nuklease-Rohextrakt auf eine Chromatographie-Säule mit dem modifizierten Sepharose-Gel aufzutragen. Theoretisch, so Cuatrecasas‘ Überlegung, sollte nur die Nuklease an den Inhibitor binden und sich danach mit einer Pufferlösung wieder von der Säule spülen lassen.

Anfinsen war anfangs skeptisch und traute der Sache nicht so recht, aber Cuatrecasas und Wilchek sollten recht behalten: Sie reinigten mit der neuentwickelten Affinitäts-Chromatographie nicht nur die S. aureus-Nuklease, sondern auch verschiedene weitere Proteine, wie zum Beispiel Chymotrypsinogen A und Carboxypeptidase A.

Neue Affinitäts-Paare

Fünfzig Jahre später zählt die Affinitätsreinigung von Proteinen und Antikörpern zu den meistverwendeten Verfahren im Labor. Die hierfür angebotenen Kits basieren zwar immer noch auf dem von Cuatrecasas und Wilchek entwickelten Prinzip – in den seltensten Fällen besteht das Affinitäts-Pärchen jedoch noch aus Inhibitor und Zielenzym.

Da Proteine meist als rekombinante Varianten in heterologen Expressionssystemen hergestellt werden, kann man sie sehr leicht mit einem kleinen Anhängsel (Tag) versehen, an das entsprechende Partner (Liganden) binden, die auf Säulenharzen oder der Oberfläche magnetisierter Beads immobilisiert sind. In der Hitliste vieler Labore ganz oben steht das Pärchen aus Histidin (His)-Tag und Nickel(II)-Nitrilotriessigsäure (Ni2+-NTA). Diese sogenannte Immobilisierte-Metallionen-Affinitätschromatographie (IMAC) funktioniert aber nicht nur mit Ni2+, sondern auch mit Co2+-, Cu2+-, Zn2+-, Ca2+- oder Fe3+-Ionen, sowie anderen Harzen wie zum Beispiel Iminodiessigsäure-Agarose (Ni2+-IMA) oder Carboxymethyl­aspartat-Agarose (Co2+-CMA).

Weitere Tag-Klassiker, die häufig in Affinitätsreinigungs-Kits auftachen, sind zum Beispiel Glutathion-S-Transferase (GST, Glutathion), Calmodulin-Binde-Protein (CBP, Calmodulin), Strep- und Nano-Tag (Streptavidin), FLAG-Tag (Monoklonaler Antikörper M1) sowie das Maltose-bindende Protein (MBP), das sich an kreuzvernetzte Amylose klammert.

Eigentlich sollte man meinen, dass es inzwischen genügend Tags für die Proteinreinigung gibt. Das hält Molekularbiologen jedoch nicht davon ab, ständig neue zu entwickeln, die mal mehr, mal weniger originell sind. Zu den interessantesten Newcomern zählt das Gespann aus dem Tag Colicin E7 DNAse (CE7) und dem Liganden Immunity Protein 7 (Im7), das Dmitry Vassylyevs Team von der University of Alabama, USA, im letzten Jahr vorstellte (PNAS, 114(26): E5138-E5147).

In Vassylevs Forschung dreht sich alles um den RNA-Polymerase (RNAP)-Komplex. Um dessen Struktur und seine Arbeitsweise während des Transkriptionsprozesses mit der Röntgenstrukturanalyse aufklären zu können, benötigt Vassylyev große Mengen blitz-blank geputzter Proteine, aus denen er geeignete Proteinkristalle züchten kann. Die mit der RNAP verbandelten Proteine und Proteinkomplexe zählen aber nicht gerade zu den Kandidaten, die man auf die Schnelle mit einer His-Tag-Säule reinigt. Um sie einigermaßen sauber zu bekommen, sind noch weitere zeitaufwändige Chromatographie-Schritte nötig, bei denen oft ein großer Teil der Proteine flöten geht.

Vassylyevs Gruppe hielt sich deshalb gar nicht lange mit Versuchen auf, die Proteine des RNAP-Komplexes mit His-Tag und Co. zu reinigen, sondern stellte ein eigenes Affinitätsreinigungs-System auf die Beine. Dazu durchsuchte die Gruppe zunächst die Literatur nach Protein-Ligand-Paaren mit möglichst niedriger Dissoziationskonstante (KD). Schon bald stieß sie auf das Duo aus der DNAse CE7 und dem CE7-Inhibitor Im7, das wie Pech und Schwefel zusammenhält. Die Dissoziations­konstante des Paares liegt zwischen 10-14 und 10-17 M – da ist es nicht mehr weit bis zur kovalenten Bindung.

Der Rest war letztlich Routine: Das Team fusionierte CE7 als Tag an das Zielprotein und koppelte Im7 an Agarose-Beads. Zwischen Tag und Zielprotein integrierte es eine zusätzliche SUMO-Domäne, die als Schnittstelle für die ­SUMO-Protease dient, um das Zielprotein vom gebundenen CE7-Tag entfernen zu können.

Vassylyev und seine Mitarbeiter testeten das System an verschiedenen schwer zu reinigenden RNAPs sowie Membranproteinen und erhielten immer das gleiche Ergebnis: Ein einziger CE7/Im7-Affinitätsreinigungs-Schritt, der etwa fünf bis sieben Stunden dauerte, genügte, um praktisch hundert Prozent reine Proteine zu isolieren. Die CE7/IM7-Technik ist damit nicht nur erheblich schneller als andere Affinitätsreinigungs-Verfahren – sie liefert auch wesentlich sauberere Proteine. Inzwischen versucht Vassylyev das CE7-Tag-System mit dem Start-up TriAltus Bioscience zu Geld zu machen, das er zusammen mit einem Kompagnon im Frühjahr gründete.

Einen Mini-Tag (CP5) aus lediglich fünf Aminosäuren (GQHVT) bastelte ein Team von der Ehime University in Matsuyama, Japan (PLoS ONE 12 (5): e0178246). Die Japaner kamen auf die Idee mit dem Mini-Tag, als sie das Epitop des Dopamin-Rezeptors D1 (DRD1), an das der anti-DRD1-Antikörper Ra62 bindet, genauer eingrenzten. Bei ihren Affinitätsexperimenten stellten sie fest, dass nur das kleine Peptid-Fitzelchen GQHPT (D1CE) des Epitops für die Bindung von Ra62 ausschlaggebend ist.

Das war natürlich eine Steilvorlage für ein neues Affinitätsreinigungs-System. Die Gruppe koppelte den Ra62-Antikörper an eine Sepharose-Matrix, fusionierte das D1CE-Pentapeptid an ein Testprotein und trug dieses auf eine Säule auf, die mit Ra62-Sepharose befüllt war. Wie erwartet klammerte sich das D1CE-Peptid an den Ra62-Antikörper – allerdings so stark, dass es sich mit den üblichen Elutions-Mitteln nicht mehr von der Säule spülen ließ. Die Japaner griffen deshalb zu einem Trick: Sie mutierten D1CE und erhielten schließlich das Peptid GQHVT, das eine geringere Affinität zu Ra62 aufweist. Diesen sogenannten C-terminus purification tag with 5 residues oder kurz CP5 hängten sie schließlich an das Zielprotein. Da D1CE eine wesentlich höhere Affinität zu Ra62 hat als CP5, mussten sie anschließend lediglich D1CE auf die Ra62-Säule auftragen, um die CP5-getaggten Proteine wieder von der Ra62-Sepharose-Matrix zu eluieren.

Proteinreinigung mit Teebeutel

Eine sehr originelle Affinitätsreinigungs-Technik ließ sich ein Team des englisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca einfallen. Die Gruppe von AstraZenecas Innovative Medicines and Early Development Biotech Unit in Mölndal, Schweden, nutzt mit Affinitäts-Harz gefüllte „Teebeutel“ für die Reinigung rekombinanter Proteine – klingt ziemlich schräg, funk­tioniert aber offensichtlich tadellos (Scientific Reports 6: 28887).

Als Teebeutel-Material verwenden die Schweden ein feines Kunststoffgewebe mit einer Maschenweite von 40 Mikrometern, das sich mit einem üblichen Folienschweißgerät versiegeln lässt. Aus dem Gewebe, das Proteine nur schwach bindet, schnitten sie 6 mal 12 Zentimeter große Streifen aus, die sie einmal in der Mitte falteten und danach an den Seiten verschweißten.

Den entstandenen Teebeutel füllte die Gruppe mit einem Ni2+-IMAC-Harz, versiegelte ihn mit dem Schweißgerät und hängte ihn dann in einen Rohextrakt aus Zellen, die ein His-getaggtes GFP-Protein exprimierten. Nach einer kurzen Inkubationszeit färbte sich das Harz in dem Teebeutel quietsch-grün. Die Schweden mussten das gebundene His-getaggte GFP-Protein anschließend nur noch mit einem üblichen Imidazol-Puffer aus dem Beutel spülen.

Die Teebeutel sind aber nicht nur auf Ni2+-IMAC-Harze und His-getaggte Proteine beschränkt: Sie funktionieren auch mit anderen Affinitäts-Systemen, sind für die Reinigung sekretierter oder cytosolischer Zielproteine geeignet, und auch die Art des Expressionssystems spielt offensichtlich keine Rolle. Da die sonst üblichen Zentrifugen-Schritte bei der Teebeutel-Methode wegfallen, spart sie zudem einiges an Zeit ein, ohne große Mehrkosten zu verursachen.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 12/2018, Stand: November 2018, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 06.12.2018