Editorial

Mischen mit Schall oder Strom
Produktübersicht: Laborschüttler und -rührer

Laborschüttler im Überblick pdficon
Rührer im Überblick pdficon

Rühren und Schütteln sind uralte Mischtechniken, die in kleinen Volumina jedoch an ihre Grenzen stoßen. Für Mikrotiterplatten wurden deshalb interessante neue Mischmethoden entwickelt.

Die Natur nimmt sich für die gleichmäßige Verteilung von Molekülen in Flüssigkeiten sehr viel Zeit. Bis sich neu in Flüssigkeiten hinzugegebene Stoffe oder Lösungen allein durch Diffusionsprozesse vermischt haben, können Stunden oder sogar Tage vergehen. Im Labor hilft man der Natur deshalb etwas auf die Sprünge und rührt oder schüttelt Reaktionsansätze, Puffer oder Assays ziemlich heftig, um die einzelnen Bestandteile möglichst schnell homogen zu verteilen. Zwar sind Schütteln und Rühren rein strömungsmechanisch nicht dasselbe – das wusste bereits James Bond, der seinen Martini lieber geschüttelt als gerührt trank. Das Resultat ist aber bei beiden Verfahren identisch: Die chemisch oder physikalisch in den Flüssigkeiten gelösten Moleküle werden von dem erzeugten Flüssigkeitsstrom mitgerissen und hierdurch gründlich durchmischt.

Dass chemische Reaktionen hierdurch beschleunigt werden, erkannten schon Steinzeitmenschen, die ihren Getreidebrei über der Feuerstelle mit einem Holzstab rührten. Auch Biowissenschaftler nehmen manchmal noch einen Glasstab, um eine Lösung schnell von Hand zu mischen. In der Regel verwenden sie hierfür jedoch elektrische Laborschüttler und Rührer, die es in unterschiedlichsten Ausführungen gibt. Vom praktischen Magnetrührer über Rührwerke fürs Grobe bis hin zu sanft wippenden Plattformen für Western Blots. Bei den einschlägigen Herstellern findet man Geräte, die alle erdenklichen Mischbewegungen ausführen: rotieren, waagrecht oder wippend kreisen, wippen, dreidimensional taumeln, über Kopf drehen oder einfach nur hin und her schaukeln.

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Der Marangoni-Effekt ist für die Weintränen verantwortlich, die knapp über der Weinoberfläche am Weinglas herunterlaufen. Kaum zu glauben, aber mit diesem physikalischen Phänomen lassen sich auch Flüssigkeiten in Mikrotiter-Wells mischen. Foto: Roy J. Nates
Nanowelt mit eigenen Gesetzen

Diese rein mechanischen Mischtechniken funktionieren im Labor-üblichen Milliliter- bis Liter-Maßstab tadellos. Problematisch wird das Mischverhalten von Flüssigkeiten jedoch, wenn die Volumina sehr klein werden, etwa in den in biowissenschaftlichen Laboren allgegenwärtigen Mikrotiterplatten. Mit ein bisschen hin und her schaukeln der Platten ist es dann nicht mehr getan. In den winzigen Volumina von 384- oder 1.536-Mikrotiterplatten übernehmen zunehmend adhäsive sowie kohäsive Flüssigkeitskräfte das Kommando und dominieren über Zähigkeitskräfte (Viskosität), die in größeren Flüssigkeitsmengen das Mischen erleichtern. Die kleinen Tröpfchen haften hierdurch sehr stark an den Wandungen der Wells und lassen sich mit der Drehbeschleunigung der üblicherweise für Mikrotiterplatten verwendeten Orbitalschüttler nicht mehr so leicht in eine rotierende Strömung versetzen wie größere Volumina.

Bei Orbitalschüttlern entsteht die kreisförmige Bewegung der Schüttel-Plattform durch eine in ihrer Mitte angebrachte Achse, die exzentrisch mit der rotierenden Antriebs-Welle verbunden ist. Die Umlaufbahn (Schütteldurchmesser) beziehungsweise der Orbit entspricht der doppelten Länge des Exzenters. Je nach Größe der geschüttelten Gefäße, liegen die gängigen Schütteldurchmesser zwischen wenigen Millimetern und einigen Zentimetern. Kritisch wird es insbesondere bei Mikrotiterplatten mit 384 oder 1.536 und mehr Wells, deren Inhalte sich nur noch mit sehr kleinen Orbits und hohen Umdrehungszahlen beziehungsweise Schüttelfrequenzen mischen lassen. Um zum Beispiel den Inhalt einer 1.536-Mikrotiterplatte gründlich und schnell zu durchmischen, darf der Orbit nicht viel mehr als einen Millimeter betragen. Je nach Füllvolumen muss man die Schüttelfrequenz dabei auf mindestens 2.500 bis 5.000 Umdrehungen pro Minute einstellen.

Inzwischen haben sich Ingenieure und Geräteentwickler etliche alternative Mischtechniken für Mikrotiterplatten einfallen lassen. Hierzu zählen ziemlich exotische Methoden wie zum Beispiel die Marangoni-Konvektion. Bei dieser füllt man die Wells zunächst mit den gewünschten Lösungen und gibt danach einen kleinen Tropfen einer mit Wasser mischbaren organischen Flüssigkeit auf die Oberfläche. Der Trick dabei ist, dass sich die Oberflächenspannung des Flüssigkeitstropfens sehr stark von der des Well-Inhalts unterscheidet. Der Tropfen breitet sich hierdurch mit rasender Geschwindigkeit auf der Flüssigkeitsoberfläche aus und mischt die Flüssigkeiten durch die entstehenden Turbulenzen. Den Marangoni-Effekt kann man auch sehr schön an einem mit Wein gefüllten Glas beobachten, vorausgesetzt, man trinkt nicht gerade den übelsten Fusel mit niedrigem Alkoholgehalt. An der knapp über der Oberfläche des Weins gelegenen Glaswandung entstehen sogenannte Weintränen, die tropfenförmig an der Innenseite des Glases herunterlaufen. Auch hierfür ist der Marangoni-Effekt verantwortlich, den der italienische Physiker Carlo Marangoni bereits Ende des neunzehnten Jahrhunderts beschrieb (und nicht wie oft kolportiert, im Wein enthaltendes Glycerin).

Ähnlich ausgefallen klingt zunächst auch der Burt-Lancaster-Trapez-Mixer. Dahinter verbirgt sich aber nur ein ziemlich unspektakulärer Deckel für Mikrotiterplatten, in den kleine trapezförmige Rührer integriert sind, die in die Wells eintauchen und sich in den darin befindlichen Flüssigkeiten drehen. Offensichtlich ließen sich die Entwickler von dem Spielfilm "Trapez" inspirieren, in dem Burt Lancaster einen Trapez-Artisten spielt.

All diese Mischmethoden haben jedoch ein großes Manko: Die Flüssigkeiten in den Wells geraten in direkten Kontakt mit Materialien, die in die Wells eintauchen, wodurch die Gefahr für Kontaminationen erheblich ansteigt. Vermieden wird dies durch kontaktfreie Verfahren, zu denen neben Orbitalschüttlern auch akustische Mischtechniken zählen. Eines der ersten akustischen Mischverfahren für Mikrotiterplatten, das auf akustischen Oberflächenwellen (SAW) basiert, entwickelte die Gruppe des Physikers Achim Wixforth an der Universität Augsburg bereits vor gut fünfzehn Jahren. Um seine Idee zu vermarkten, gründete Wixforth die Firma Advalytix, die schon bald von Olympus übernommen wurde und schließlich unter die Fittiche von Beckman Coulter geriet. Die Idee der SAW-Mikrotiterplaten verschwand aber letztlich wieder in den Firmen-Schubladen.

Strömung durch platzende Minibläschen

Auch die sogenannte Adaptive Fokussierte Akustik (AFA) die Ingenieure der amerikanischen Biotech-Firma Covaris entwickelten, konnte sich bisher als Mischtechnik für Mikrotiterplatten noch nicht richtig durchsetzen. Bei der AFA sendet ein Ultraschallwandler gezielt hochfrequente Ultraschallwellen in die Wells, die in den darin befindlichen Flüssigkeiten Millionen winziger Blasen erzeugen. Erreichen diese eine kritische Größe, kollabieren sie und fallen wieder in sich zusammen. Die hierdurch entstehende Mikroströmung führt schließlich in sehr kurzer Zeit zur vollständigen Durchmischung der Flüssigkeit. Covaris verwendet die AFA-Technik aber im Wesentlichen in Ultraschall-Geräten, mit denen sich zum Beispiel DNA-Stränge in kleine Stücke zerlegen lassen, die für das Next Generation Sequencing geeignet sind. Um die hierzu nötigen Scherkräfte aufzubringen, wird die Energie des AFA-Ultraschalls einfach etwas höher eingestellt als beim reinen Mischen.

Eine weitere akustische DNA-Fragmentierungs-Technik, die ebenfalls für das Mischen in Mikrotiterplatten geeignet ist, stammt von dem kalifornischen Ultraschall-Spezialisten Microsonic Systems. Bei dessen sogenannter Bulk Lateral Ultrasonic (BLU)-Technik erzeugt der Ultraschallwandler seitliche Druckwellen, die Flüssigkeiten in Mikrotiter-Wells in rotierende Wirbel versetzen, wodurch sie sich sehr schnell und effektiv mischen.

Ein gänzlich anderes, aber äußerst interessantes Mischverfahren für Mikrotiterplatten hat sich das Team des Strömungsmechanikers Igor Mezic von der University of California in Santa Barbara ausgedacht. Mezic erforscht mit seinem Team das Verhalten nicht-linearer dynamischer Systeme. Zu diesen gehören nicht nur weltumspannende Meeresströmungen, sondern auch die winzigen Flüssigkeitsströme in mikrofluidischen Chips oder sehr dicht angeordneten Mikrotiterplatten. Da man kleine Flüssigkeitsströme mit elektrischen Feldern elektrokinetisch lenken kann, kam er auf die Idee, mehrere Elektroden in die Wells einer Mikrotiterplatte einzubauen und diese über eine mit Leiterbahnen versehene Grundplatte an ein steuerbares Spannungsgerät anzuschließen.Fließt ein Strom durch die senkrecht in die Wells ragenden Elektroden, treten in der umgebenden Flüssigkeit aufgrund der entstehenden elektrischen Felder sowohl elektrothermische als auch elektroosmotische Effekte auf, die die Flüssigkeit elektrokinetisch in Bewegung versetzen. Über die Art des Stroms (Wechsel- oder Gleichstrom), Spannungsstärke, Frequenz der elektrischen Felder sowie Form und Anordnung der Elektroden lässt sich die Flüssigkeitsbewegung exakt steuern. Mezics elektrokinetische Mikrotiterplatte (iPlate) ist deshalb nicht nur zum Mischen geeignet, sondern auch für Konzentrations-, Separations oder Transportprozesse.

Inzwischen hat der gebürtige Kroate das Start-up Integrated Fluidics (ifluidics) gegründet, das die iPlates zusammen mit der Steuersoftware sowie dem Netzteil vertreibt und den Markt für Mikrotiterplatten damit gehörig aufmischen will. Glaubt man iFluidics jüngstem Flyer, so erhöhen die iPlates die Sensitivität von Assays um mehrere Größenordnungen, beschleunigen Reaktions-Kinetiken um das Zigfache und sparen zudem erhebliche Mengen Proben- und Verbrauchsmaterial ein.

Laborschüttler im Überblick pdficon
Rührer im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 04/2019, Stand: März 2019, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 08.04.2019