Stromzähler oder Kamera-Auge
Produktübersicht: Cell Counter

Cell Counter im Überblickpdficon

Editorial

(10.12.2021) Automatische Cell Counter zählen Zellen mithilfe von Spannungsänderungen an einer Pore oder mit digitalen Kameras und intelligenten Bildauswerte-Programmen – die schnellsten brauchen dafür nur wenige Sekunden.

Zellen manuell mit einer Neubauer-Zählkammer beziehungsweise einem Hämocytometer zu zählen, ist eine ziemlich öde und zeitraubende Laborroutine. Wer sitzt schon gerne mehrfach am Tag am Mikroskop und starrt auf kleine, in ein Glasplättchen geritzte beziehungsweise gelaserte Quadrate, um darin Zellen zu suchen und zu zählen?

Schon früh machten sich deshalb Erfinder Gedanken über automatische Zellzähler. Zu den Pionieren gehörten die Brüder Wallace und Joseph Coulter, die sich Mitte der Vierzigerjahre in Chicago zusammentaten, um ein Gerät zu entwickeln, das Medizinern in klinischen Laboren das Zählen von Blutzellen abnehmen sollte. Der Plan der beiden sah vor, die Zellen in einer feinen Kapillare aufzutrennen und danach mit einem entsprechenden Detektor zu zählen.

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Steht inzwischen im Smithsonian-Museum: Coulter Counter „Model A" von 1973. Foto: Smithsonian

Die konkrete Ausführung der Messeinheit, die die vorbeiströmenden Blutzellen erfassen sollte, bereitete den beiden aber einiges Kopfzerbrechen. Ihr erster Gedanke, hierfür einen Lichtstrahl einzusetzen, lag zwar nahe, war aber zur damaligen Zeit schwierig umzusetzen. Erfolgversprechender schien den Coulter-Brüdern deshalb die Idee, einen elektrischen Strom durch die Kapillare zu leiten, um die von den Zellen verursachte Modulation des Stromflusses als Zählsignal zu nutzen. Hierzu benötigten sie jedoch eine winzige Öffnung von etwa hundert Mikrometern Durchmesser am unteren Ende der Kapillare, durch die die Zellen zusammen mit den elektrischen Ladungen gerade noch hindurchschlüpfen konnten.

Editorial

Für ihren ersten Zellzähler-Prototypen stachen die zwei mit einer heißen Nadel ein Loch in die Cellophan-Folie einer Zigarettenschachtel und fixierten sie mit einem Gummiband am Ende eines Glasröhrchens. Das Röhrchen tauchte in ein Gefäß mit einer leitfähigen Zellsuspension ein, in das Innere der Kapillare sowie in die Zelllösung ragte jeweils eine an einen Stromversorger angeschlossene Elektrode. Legten die zwei eine Gleichspannung an, konnte der Strom nur durch die Öffnung beziehungsweise Apertur in der Cellophan-Folie von der Zellsuspension ins Innere des Röhrchens fließen. Denselben Weg mussten auch die Zellen nehmen, die durch ein ausgeklügeltes Pumpsystem mit gleichbleibender Fließgeschwindigkeit von dem Gefäß in die Kapillare transportiert wurden. Sobald eine Zelle die Öffnung in der Cellophan-Folie passierte, löste sie einen Spannungs-Puls zwischen den Elektroden aus, den eine Elektronik aufzeichnete.

Glück gehabt

Dass der improvisierte Zellzähler aus Chicago überhaupt funktionierte, verdankten die Coulter-Brüder einer Eigenschaft der Zellmembran, von der die beiden damals noch gar nichts wussten: Zellmembranen sind sehr gute Isolatoren, die praktisch keinen Strom leiten. Zellen verhalten sich deshalb in leitfähigen Flüssigkeiten wie kleine diskrete Nichtleiter. Fließt die Lösung ohne Zellen durch die Apertur der Messkapillare, bleibt ihr elektrischer Gesamtwiderstand (Impedanz) konstant. Passiert jedoch eine Zelle die winzige Öffnung, verdrängt sie einen Teil der Flüssigkeit, wodurch sich die Impedanz minimal erhöht. Den hierdurch verringerten Stromfluss gleicht das Netzteil durch einen kurzen Spannungspeak aus, den die Zähleinheit des Instruments registriert.

Das entscheidende Bauteil des ersten automatischen Zellzählers war die Apertur in der Glaskapillare. Als die Brüder diese patentieren wollten, wurden sie anfänglich von den Patentanwälten mit dem Hinweis abgespeist, dass man ein Loch nicht patentieren könne. Sie ließen sich hiervon jedoch nicht beirren und erhielten im Oktober 1953 schließlich das Patent für den Coulter-Counter. Und natürlich blieb es auch nicht bei der improvisierten Mess-Apertur mit der perforierten Cellophan-Folie. Die Folie tauschten sie schon bald gegen einen durchbohrten Edelstein aus, der in die Glasröhre eingeschmolzen wurde. In modernen Coulter-Countern ist meist eine kleine Scheibe aus einem Rubin in die Apertur-Röhre eingelassen, die je nach Größe der zu messenden Zellen oder Partikel (0,2 bis 1.600 Mikrometer) mit einer Bohrung von zehn Mikrometern bis zwei Millimetern versehen ist.

Auch bei der Messelektronik hat sich seit den Anfängen in den Fünfzigerjahren viel getan. Die digital gesteuerte Elektronik zählt nicht nur Zellen, sondern erfasst auch andere Parameter, wie zum Beispiel das Zellvolumen oder die Größenverteilung, und misst zudem sehr kleine subzelluläre Partikel.

Ähnlich wie der Coulter-Counter funktioniert auch der 1988 von der Reutlinger Firma Schärfe System auf den Markt gebrachte CASY-Counter, den nach einer wechselhaften Geschichte inzwischen die Firma Omni Life Science (OLS) in Bremen herstellt.

Außer dem speziellen CASYton-Puffer ist der prinzipielle Aufbau mit Edelstein-Apertur, Messkapillare, zwei Elektroden sowie einem Pumpsystem, das den leitfähigen Puffer mit konstanter Fließgeschwindigkeit durch die Pore transportiert, nicht viel anders als beim Coulter-Counter. Der entscheidende Unterschied ist die äußerst raffinierte Messelektronik. Passiert eine Zelle die Pore der Messkapillare, zeichnet die Elektronik die Spannungsänderung mit einer Frequenz von 1 MHz auf und berechnet die Fläche unter der erhaltenen Spannungskurve. Das hieraus resultierende Integral ist nicht nur direkt proportional zur Größe der Zellen – es ist auch für lebende und tote Zellen sowie für Zelltrümmer unterschiedlich groß. Mit dem CASY-Counter kann man daher neben der Zellzahl auch weitere Zellparameter präzise bestimmen, etwa das Zellvolumen und daraus den Zelldurchmesser, die Größenverteilung der Zellen, ihre Viabilität sowie den Anteil an Zelltrümmern in der Lösung.

Die Durchmesser der kleinsten und größten Zellen, die man mit einer Standard-Apertur von 150 Mikrometern analysieren kann, liegen zwischen drei und 120 Mikrometern. Mit den zusätzlich angebotenen 45- sowie 60-Mikrometer-Aperturen, die auch Partikel und Zellen unter einem Mikrometer erfassen, ist praktisch das gesamte Zellspektrum abgedeckt.

Auch die Impedanz-Flusszytometer der im Technopark Luzern ansässigen Schweizer Firma Amphasys messen von Zellen verursachte Impedanz-Änderungen in einer Flüssigkeit – allerdings nicht mithilfe eines konventionellen Apertur-Röhrchens, sondern mit einem Impedanz-Chip.

Impedanz-Signal im Mikrokanal

Die Zellen werden auf dem Mikrofluidik-Chip zunächst in einem Mikrokanal fokussiert und gelangen danach in den Messkanal, der je nach Größe der zu messenden Zellen zwischen 15 und 400 Mikrometern breit und genauso hoch ist. An den Wänden des Kanals sind hintereinander zwei winzige Elektrodenpaare platziert, an denen eine hochfrequente Wechselstromspannung anliegt – im Gegensatz zum Gleichstrom oder niederfrequenten Wechselstrom in Coulter-Countern. Wie bei den Pendants im Makromaßstab lösen die Zellen ein Impedanz-Signal aus, wenn sie durch das elektrische Feld zwischen den Mikroelektroden des Kanals rauschen.

Die Schweizer Geräte messen die Veränderung der Impedanz gleichzeitig für vier Frequenzen zwischen 500 kHz und 20 MHz. Von der Frequenz hängt insbesondere die Polarisierung der Zellen ab, mit der sich ihr physiologischer Zustand charakterisieren lässt. Unter 500 kHz wandern negative Ladungen zur positiven Elektrode und sammeln sich an der Innenseite der Plasmamembran. Das Gleiche, jedoch in entgegengesetzter Richtung, passiert mit den positiven Ladungen, die sich in Richtung der negativen Elektrode bewegen. Die Zelle bildet hierdurch einen Dipol, dessen Impedanz-Signal zur Messung des Zellvolumens genutzt wird. Zwischen 500 kHz und 6 MHz schwächt sich die Polarisierung der Plasmamembran deutlich ab. Sie hängt innerhalb dieses Frequenz-Spektrums im Wesentlichen von den elektrischen Eigenschaften der Membran ab, die sich wiederum auf die Impedanz-Messung auswirken. Erreicht die Frequenz 20 MHz, findet keine Polarisierung der Plasmamembran mehr statt und der Strom fließt ungehindert über Membran sowie Cytosol durch die Zelle. In diesem Fall bestimmt die Leitfähigkeit des Cytosols, wie die Zelle die Impedanz im Messkanal moduliert.

Zellvermesser mit Kamera

Zunehmende Konkurrenz bekommen klassische Impedanz-Counter von bildgebenden Zytometern, die in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Ausgestattet mit hochauflösender digitaler Kamera und intelligenter Bildauswerte-Software können schon die einfachsten Instrumente in Windeseile Zellen zählen und tote von lebenden Zellen unterscheiden, wenn diese mit einem entsprechenden Farbstoff wie zum Beispiel Trypanblau gefärbt sind. Dazu muss man meist nur eine Zählkammer im Scheckkartenformat mit einigen Mikrolitern der Zellsuspension befüllen und in die Aufnahme des Imaging-Cytometers stecken. Den Rest übernimmt die Imaging-Software, die das Bild mithilfe künstlicher Intelligenz nach lebenden Zellen durchsucht und Zellschrott sowie Artefakte aussortiert. Noch einfacher ist die Viabilitätsbestimmung mit vollautomatischen Countern, die mehrere Proben parallel vermessen und dem Experimentator sogar die Zugabe der Färbelösung abnehmen.

Zellen auf traditionelle Weise mit einer Neubauer-Kammer zu zählen, ist zwar wesentlich zeitraubender und mühsamer, als dafür einen Cell Counter zu verwenden. In puncto Genauigkeit muss sich das Hämocytometer aber nicht hinter Cell Countern oder Durchflusscytometern verstecken. Jose Segu‑Simarros Gruppe von der Universität Valencia zählte Mikrosporen aus Auberginen (Solanum melongena) mit einer Neubauer-Kammer, einem automatischen Cell Counter sowie einem Durchflusscytometer und verglich anschließend die mit den drei Methoden erzielten Ergebnisse (Plant Methods 14: 30).

Cell Counter und Durchflusscytometer zählten die Zellen natürlich erheblich schneller als der Experimentator mit der Zählkammer und auch bei der Reproduzierbarkeit hatte insbesondere das Durchflusscytometer die Nase deutlich vorn. Hinsichtlich Richtigkeit und Präzision der Messergebnisse sah die Sache aber genau umgekehrt aus – in der Kategorie Genauigkeit lieferte das Hämocytometer die exaktesten Zahlen. Es kann also nicht schaden, hin und wieder auch einen Blick auf eine Neubauer-Kammer zu werfen, statt den Ergebnissen des automatischen Zellzählers blind zu vertrauen.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 12/2021, Stand: November 2021, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 10.12.2021