Editorial

Der todkranke Lichtheiler

Winfried Köppelle


Rätsel

(18.09.2013) Seit Jahren chronisch leidend, überlebte der Mediziner seinen eigenen Nobelpreis nur um neun Monate.

Erst wenn ein Institut Ihren Namen trägt, haben Sie es geschafft: Ihr wissenschaftlicher Ruhm wird Ihr Ableben überdauern. Sie selbst haben allerdings meist nichts davon. Gregor Mendel etwa musste geschlagene 116 Jahre über den Tod hinaus warten, ehe ihm die österreichische Akademie der Wissenschaften in Form des Wiener GMI die Ehre erwies. Und auch Charles Darwin musste sich gedulden: Die nach dem britischen Naturforscher benannte Forschungs- station auf den Galapagos-Inseln öffnete erst 82 Jahre nach dessen Tod ihre Pforten.

Gut, bei manchen klappt es schon zu Lebzeiten. Etwa bei stinkreichen Mäzenen, die sich ihre millionenschwere und vielleicht doch nicht so ganz uneigennützige Spende in Form einer wohlfeilen Instituts- oder Lehrstuhlbenennung vergolden lassen. Ist man kein Millionär, so sollten zumindest zwei Nobelpreise in der Vita stehen, wie zum Beispiel beim inzwischen 95-jährigen Hobbygärtner Frederick Sanger. Den britischen Sequenzierungspionier machte man bereits vor zwei Jahrzehnten zum Namenspatron eines britischen Genforschungszentrums mit inzwischen weit über tausend Mitarbeitern.

Dem hier gesuchten Mediziner hat man ebenfalls ein Institut samt angegliedertem Krebsforschungslabor gewidmet. In diesem durchleuchten vier dutzend Grundlagenforscher, gefördert mit Spezialprogram- men der Europäischen Union, das molekulare Umfeld von Metastasen.

Strahlen gegen die Schwindsucht

Auch der Gesuchte durchleuchtete einst seine Patienten – und erkannte, dass hoch- energetische Strahlung sowohl vorteilhafte wie auch schädliche Effekte auf mensch- liches Gewebe hat. Heute klingt dies banal. Vor 120 Jahren hingegen war die Erkenntnis, dass Licht tödliche Krankheiten, etwa bestimmte Schwindsucht-Ausprägungen, zu kurieren vermag, eine Sensation. Hatte der große Robert Koch doch erst wenige Jahre zuvor mit seinem „Wundermittel“ Tuberkulin ein Debakel erlitten.

Die esoterisch anmutende Therapie unseres Mannes hingegen wirkte. Mit Rotlicht verminderte er die entstellende Narbenbildung bei Pockenpatienten und mittels ultra-violetter Strahlung vermochte er sogar die entsetzlichen Folgen der Hauttuberkulose zu verhindern. Immer mehr Patienten aus dem In- und Ausland steuerten sein Privatinstitut an, um sich dort mit der von ihm konstruierten Bogenentladungs-Lampe behandeln zu lassen. Bis heute spielen die Behandlungsmethoden des Gesuchten eine Rolle bei der Behandlung vieler Hautkrankheiten wie Akne und Schuppenflechte. Mit seiner eigenen Gesundheit hingegen ging es stetig bergab; schon als Mittzwanziger hatte er an chronischer Herzschwäche und Bauchwassersucht gelitten. Als er bereits todkrank im Rollstuhl saß, noch keine 43 Jahre alt, kam die frohe Kunde aus Stockholm. Wer hätte gedacht, dass es der Gouverneurssohn von den Schafsinseln so weit bringen würde? Sein einstiger Schuldirektor bestimmt nicht – dieser hatte dem 15-jährigen versichert, er sei zwar ein netter Junge, habe aber keinerlei Talent oder Ehrgeiz.

Der Geschwächte schaffte es nicht mehr zur Preisverleihung; neun Monate später starb er, der bis heute einzige Nobelpreisträger seines Archipels. Die Metropole, in der er den zweiten Teil seines Lebens und seine komplette wissenschaftliche Laufbahn verbrachte, ließ ihm zu Ehren ein umstrittenes Denkmal errichten. In Granit und Bronze zeigt es drei Nackte, die sich nach der Sonne strecken – die wissenschaftliche Theorie unseres Gesuchten symbolisierend, dass bestimmte Wellen- längen heilende Eigenschaften besitzen.

In der deutschen Wikipedia findet sich übrigens seit Jahren ein dicker Fehler samt falschem Link, die langjährige Krankheit unseres Mannes betreffend. Vielleicht mag ja ein Leser die überfällige Korrektur übernehmen? Na, wer ist gesucht?




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Der gesuchte, todkranke Lichtheiler ist der färöisch-dänische Arzt Niels Ryberg Finsen (1860-1904). Als erster skandinavischer und bisher einziger färöischer Nobelpreisträger erhielt er den Preis für Physiologie oder Medizin im Jahre 1903 „in Anerkennung seines Beitrags an der Behandlung von Krankheiten, insbesondere Lupus vulgaris, mit konzentrierter Lichtstrahlung, durch die er der medizinischen Forschung einen neuen Weg eröffnete“. Finsen zeigte, dass Sonnenstrahlung in Maßen eine stimulierende Wirkung auf Gewebe haben kann (was er zur medizinischen Therapie nutzte), entdeckte aber auch die schädigende Wirkung von zu starker Strahlung. Erst posthum wurde entdeckt, dass die Ursache seines schlechten Gesundheitszustands eine langjährige perikarditische Pseudoleberzirrhose war (der im Rätsel erwähnte Wikipedia-Fehler ist inzwischen korrigiert).