Editorial

Ein Stamm fünf Klassen - Korrigierte Fassung

Publikationsvergleich 1997-99: Mikrobiologen
von Ralf Neumann, Laborjournal 5/2001


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Die Mikrobiologen Deutschlands und der Schweiz erregen bisher auch ohne starke Genomik gute Resonanz.

Was deutsche und Schweizer Mikrobiologen jüngst veröffentlichten, war überdurchschnittlich. Dies sagt jedenfalls das Institute for Scientific Information (ISI). Nach dessen Daten hatten an allen mikrobiologischen Artikeln der Jahre 1995 bis 99 deutsche oder Schweizer Autoren einen deutlich höheren Anteil als an allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zusammen genommen. Und sie schreiben nicht nur viel, sie werden auch gut gelesen und zitiert. Standen unter einem mikrobiologischen Paper Autoren aus einer der beiden Nationen, wurde es im Schnitt auch öfter zitiert als der globale mikrobiologische Durchschnitts-Artikel.

Noch steht die deutsche Traditions-Disziplin also gut da im internationalen Vergleich - auch wenn einige warnen, dass man wegen allzu großer Zögerlichkeiten in der mikrobiellen Genomik bald insgesamt an Boden verlieren werde.

Das indes werden die nächsten Jahre zeigen. Was jetzt schon fest steht: Mikrobiologen zu vergleichen ist nicht leicht. Denn, grob gesagt, gibt es von diesem Stamm mindestens fünf Klassen:

Zum einen sind da die"reinen" Mikrobiologen, die sich schlichtweg für die grundlegenden Lebensprozesse der einzelligen Multitalente interessierer - und mit vorwiegend bioche. mischen und molekularbiologischen Methoden immer wieder neue verblüffende Stoffwechselleistungen zutage fördern. Beispiele hierfür sind etwa Rolf Thauer, Direktor am Marburger MPI für terrestrische Mikrobiologie auf Platz 8 der meistzitierten Köpfe, sowie der Erlanger Wolfgang Hillen (10), der Tübinger Friedrich Götz (17) oder der Regensburger Karl Stetter (29). Auch den Greifswalder Mikroben-Proteomiker Michael Hecker auf Platz 14 muss man dazu rechnen, sowie den einzigen Forscher der Top 50 mit Dienststelle an einer Chemischen Fakultät: Mohamed A. Marahiel aus Marburg auf Platz 5.

Dann natürlich diejenigen, die ausschließlich pathogene Mikroorganismen im Visier ihrer Experimente haben. Wie diese in den Organismus eindringen, dessen Abwehr überlisten, ihn schließlich "krankmachen" und wie man sie bekämpfen kann - das sind, kurz gesagt, deren vordringliche Fragestellungen. Zu dieser Klasse gehören die meisten der fünfzig Meistzitierten - sowie auch der meistzitierte Artikel 1997 bis 99, geschrieben von Adolf Bauemfeind am Max-von-Pettenkofer-Institut, und der meistzitierte Review des Würzburgers CJ Hueck. Doch nicht nur in den Instituten für medizinische oder klinische Mikrobiologie findet man sie - wie beispielsweise der Gießener Trinad Chakraborty auf Platz 4, der Würzburger Helge Karch (15) oder die fünf unter den Top 50 vertretenen Forscher des Münchner Max-von-Pettenkofer-Instituts. Auch die beiden Direktoren des Berliner MPIs für Infektionsbiologie, der Infektionsimmunologe Stefan Kaufmann auf Platz 2 sowie der Neisseria-Spezialist Thomas Meyer auf 3, gehören hierher. Genauso etwa Mark Achtman vom Berliner MPI für molekulare Genetik (18), Werner Goebel vom Würzburger Biozentrum (21) oder Jürgen Wehland (6) und Carlos Guzman (13) vom Braunschweiger GBE.

Schließlich sind da die Systematiker, die bei den Mikrobiologen wirklich noch Arbeit haben. Schließlich schätzt man, dass bisher lediglich etwa 10 bis 20% aller Mikroorganismen bekannt sind. Auch ein Grund, weswegen Forscher dieser Klasse gut zitiert werden. Deren Beste hierzulande zwischen 1997 bis 99: Fred Rainey (12) und Erko Stackebrandt (20) von der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig.


Starke Ökologen

Durchaus überlappend mit den Systematikern arbeiten bisweilen diejenigen, die man unter dem Stichwort "mikrobieller Ökologie" zusammenfasst. Hier geht es vor allem um Diagnostik: Welche Populationen von Mikroorganismen findet man in welchen Ökosystemen? Und warum? Am stärksten hervorgetan in dieser Klasse hat sich seit Mitte der Neunziger Rudolf Amann, der 1997 von der TU München als Nachwuchsgruppenleiter an das Bremer MPI für marine Mikrobiologie wechselte. Bereits 1995 erhielt er mit seinem damaligen Chef an der TU, Karl Heinz Schleifer (19), sowie vier weiteren Mikrobiologen den Körber Preis für europäische Wissenschaft.

Deren besondere Leistung damals: Die Entwicklung von Gensonden zur Identifizierung bis dato kaum nachweisbarer Mikroorganismen in Mischkulturen. Amann und Schleifer nahmen dazu vor allem die Sequenzen ribosomaler RNA ins Visier und bastelten Gensonden für die unterschiedlichsten Bakteriengruppen. Was in der Folgezeit vor allem Rudolf Amann damit aufspürte, weckte in der Fachwelt so viel Resonanz, dass er nicht nur unter den "Mikrobenökologen" am besten abschnitt, sondern Deutschlands meistzitierter Mikrobiologe der Jahre 1997 bis 99 überhaupt wurde. Doch Amann und Schleifer sind nicht die einzigen dieser Klasse, die unter die besten Fünfzig sprangen: Kenneth Timmis vom Braunschweiger GBF (9) gehört ebenfalls hierher, genauso Schleifers Mitarbeiter Wolfgang Ludwig an der TU München (11), oder Ralf Conrad vom Marburger MPI (25) - sowie Kornelia Smalla von der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig (45), eine von zwei Frauen unter den besten Fünfzig.

Bleibt als letzte Klasse noch die mikrobielle Biotechnologie. Mikroorganismen zu gezielter Produktion oder Abbau von Stoffen heranzuziehen - darum geht es deren Vertreter in der Regel. Alexander Steinbüchel aus Münster (27) gehört dazu, Hermann Sahm vom Forschungszentrum Jülich (34), aus dessen "Küche" auch das am zweithäufigsten zitierte Paper 1997 bis 99 kommt, oder der Würzburger Roland Benz (36).

Und die Schweizer? Sieben Forscher brachten sie in die "Köpfe-Liste". Deren Bester, Peter Dimroth von der ETH Zürich, erscheint auf Platz 22. Die Gruppe um Peter Philippsen (30) von der Angewandten Mikrobiologie am Basler Biozentrum brachte überdies zwei Paper mit jeweils genau hundert Zitierungen gemeinsam auf Platz vier der meistzitierten Artikel - Thema in beiden: Hefe-Genomik.

Vergleicht man also Apfel mit Birnen, wenn man Mikrobiologen vergleicht? Man kann es so sehen. Auf jeden Fall aber zeigt der Vergleich, welche Themen der deutschen und Schweizer Mikrobiologie gerade international beachtet werden. Und, dass sie vielleicht gar nicht einbrechen wird, wenn sie nicht so viel mikrobielle Genomik betreibt.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004