Editorial

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Publikationsvergleich 1997-99: Krebsforscher
von Ralf Neumann, Laborjournal 7/2001


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Melanome, Apoptose, Angio-genese und Signaltransduktion - das sind die top-zitierten Themen der Krebsforschung in Deutschland und der Schweiz.

Wo wird nicht überall Krebs-relevant geforscht? In Medizinischen Kliniken sowieso, aber bei weitem nicht nur in der Hämatologie und Onkologie. Gastroenterologen untersuchen Darm, Magen- und Lebertumoren, die Dermatologen rücken dem Hautkrebs auf die Pelle, während so mancher Neurologe sich auf Hirntumoren spezialisiert hat. Und weit darüber hinaus haben auch mannigfach Pathologen, Immunologen, Biochemiker, Humangenetiker sowie Zell- und Molekularbiologen ihre Forscherleben dem Kampf gegen die wuchernde Geißel der Menschheit" verschrieben.

Wer also - das ist das Problem - gehört hinein in einen Zitationsvergleich Krebsforscher". Bei vielen ist es klar: Egal was am Klingelschild ihres Institutes steht, sie forschen an Krebs oder grundlegenden Zellprozessen, die bei deren Entartung außer Kontrolle geraten. Weniger klar ist es bei so manchem Kliniker. Der Chef einer Klinik für Gastroenterolgie und Hepatologie beispielsweise zeichnet zwar auch Artikel über Darmkrebs, daneben aber jede Menge über Hepatitis, Morbus Crohn oder Leberzirrhose. Ähnlich halten es seine Kollegen aus Neurologie oder Dermatologie: Gut zitierte Paper über Hirntumoren oder Melanome zieren ihre Namen, aber insgesamt doch mehr über Multiple Sklerose, Parkinson oder Alzheimer sowie Allergien oder Schuppenflechte. Diese sind somit zunächst keine Krebsforscher", zumal sie auch noch ihren jeweils eigenen Zitationsvergleich bekommen. Hat aber ein solcher Kliniker seinen Forschungsschwerpunkt eindeutig auf bestimmten Krebsformen, so gehört er aufgenommen in den Vergleich.

Beim meistzitierten Krebs-Paper" aus den Jahren 1997 bis 1999 trifft das schon zu. Erstautor Frank O. Nestle sowie sein Kollege Reinhard Dummer und sein Chef Günter Burg arbeiten in der Hautklinik der Uni Zürich. Dort leiten sie unter anderem das Melanom-Referenzzentrum der Schweiz und richten zurzeit gerade den Weltkongress für Hautkrebs aus. Also: Tätigkeitsschwerpunkt eindeutig Krebsforschung". Bei Letztautor Dirk Schadendorf von der Hautklinik Mannheim wird dies immerhin deutlicher, da er überdies die Dermato-Onkologische Kooperationseinheit am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg leitet und zudem Mitglied des Tumorzentrums Mannheim/Heidelberg ist. Ihr 98er-Artikel über die Vakzinierung von Melanom-Patienten mit Dendritischen Zellen, die zuvor mit Peptiden oder Tumorlysaten Melanom-scharf gemacht" wurden, ist auf dem Weg zu einem echten Zitationsklassiker: Knapp 600mal wurde er in den vier Jahren nach Publikation zitiert.


Krammers Netzwerk

Da kommt nicht einmal Peter Krammer, Leiter des Schwerpunkts Tumorimmunologie" am DKFZ mit, einer der meistzitierten Forschern weltweit nach Daten des Institute of Scientific Information (ISI). Aber der Apoptose-Spezialist wird es verschmerzen - immerhin belegen Artikel mit seinem Namen in der Autorenzeile die Plätze 2, 3, 4 und 7. Und, er gewann die Gesamtwertung: Über 2.600 mal wurden seine 97-99er Paper bis heute zitiert. Platz eins, mit großem Abstand.

Wie stark Krammers Ergebnisse tatsächlich sind, dokumentieren zusätzlich die Ränge seiner Mitarbeiter und Kooperationspartner. Sein ehemaliger Gruppenleiter Marcus E. Peter scheffelte die zweit meisten Zitate, sein aktueller Gruppenleiter Henning Walczak rangiert auf Platz 15. Zudem landeten die ehemaligen Krammer-Mitarbeiter Carsten Scaffidi und Jan Paul Medema auf den Plätzen 4 und 26.

Und auch mit Klaus-Michael Debatin, der Nummer drei der Liste, verbindet Krammer ein inniges Forscherverhältnis. Zahlreiche Artikel veröffentlichten sie in den letzten Jahren gemeinsam, was zum Teil daher rührt, dass Debatin zwar seit 1997 die Kinderklinik der Uni Ulm leitet, aber bis heute noch kommissarischer Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Molekulare Onkologie/Pädiatrie am DKFZ ist. Debatins großes Thema: Wie werden Krebszellen Apoptose-resistent - immerhin ein Hauptgrund für die Resistenz mancher Tumoren gegen Chemotherapeutika.

Überhaupt ist Apoptose das Thema, mit dem sich innerhalb der deutschen und Schweizer Krebsforschung am meisten Zitierungen einstreichen ließen. Zu den bereits Genannten kommen zum Beispiel noch Debatins Mitarbeiterinnen Simone Fulda auf Platz 7 sowie Claudia Friesen auf Platz 14. Und Michael Weller, Leiter der Molekularen Neuroonkologie an der Neurologischen Klinik der Uni Tübingen, auf Platz 9 publizierte auch so manchen Artikel mit Peter Krammer über Apoptose von Zellen des Zentralnervensystems. Damit landeten acht Apoptose-Forscherinnen und -Forscher unter den ersten 15.

Doch lassen sich noch weitere Top-Themen der Krebsforschung in Deutschland und der Schweiz herauspräparieren. Etwa die Angiogenese, die Entstehung und Wachstumssteuerung von Blutgefäßen, sowie ihrer Hemmung. Deren deutscher Protagonist, Werner Risau vom Bad Nauheimer MPI für physiologische und klinische Forschung, verstarb Ende 1998 im Alter von nur knapp 45 Jahren. Dennoch sammelten seine Publikationen genügend Zitierungen, um ihn auf Platz 5 unserer Liste rücken zu lassen. Sein 97er Nature-Review über Mechanismen der Angiogenese ist gar heute der weithin am häufigsten zitierte Krebs-relevante Review.

Dabei war Risau eigentlich kein ausgesprochener Krebsforscher, interessierte sich vielmehr in Zusammenhang mit Gefäßbiologie auch für entwicklungsbiologische Fragen sowie für die Blut-Hirn-Schranke. Gerade in seinen letzten Jahren ist er jedoch in enger Kooperation mit dem Sechsten der Top 50, Axel Ullrich vom Martinsrieder MPI für Biochemie, auf das Aushungern" von Tumoren durch Hemmung des Einwachsens neuer Blutgefäße gekommen. Seine meistzitierten Paper des Bewertungszeitraums resultierten aus dieser Kooperation.

Axel Ullrich selbst dagegen ist der klassische Fall des Grundlagenforschers mit Krebs-Relevanz. Sein zweites großes Thema: Rezeptoren und Proteinkinasen in Signalwegen - und darunter vor allem solche, die bei der Zellentartung sowie bei Diabetes durcheinander geraten. Jüngster Lohn der Mühen: der Krebspreis 1998 und der RobertKoch-Preis 2001.


Zwei unter Vorbehalt

Weitere Themen und Schwerpunkte, die sich hinter den Namen der Top 50 verbergen sind etwa Onkogene. Beispiele hierfür sind unter anderem der Würzburger Ulf Rapp (31.) und die Baslerin Nancy Hynes (44.). Oder Leukämien und Lymphome. Hier sind neben weiteren etwa der Kölner Volker Diehl (19.) oder der Würzburger Pathologe Hans Konrad Müller-Hermelink (22.) zu nennen.

Überhaupt fällt auf, dass ganze neun Forscher der Top 50 an pathologischen Instituten arbeiten. Darunter auch Otmar Wiestler (33.) und Andreas von Deimling (35.) aus der Neuropathologie der Uni Bonn, wo immerhin ein Hirntumor-Referenzzentrum angesiedelt ist.

Zwei Namen der Liste müssen indes unter Vorbehalt erscheinen: die der Klinikleiter in Tübingen und Freiburg, Lothar Kanz (27.) und Roland Mertelsmann (40.).

Bekanntlich fanden sich in einigen ihrer Publikationen schwere wissenschaftliche Mängel. Sosehr indes die deutsche Krebsforschung unter diesen Affären leidet, so ist dies doch eine andere Geschichte. Und die wurde und wird im Laborjournal an anderer Stelle erzählt.


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Letzte Änderungen: 08.09.2004