Editorial

Wirkstoffsuche

Publikationsanalyse 2007-2010: Pharmakologie
von Lara Winckler, Laborjournal 06/2013


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Kliniker und Experimentelle sind gleichauf, stärkste Stadt ist Frankfurt, dicht gefolgt von Zürich, Stuttgart, Bonn und Berlin.

Pharmakologen untersuchen die Wechselwirkung von Stoffen und Lebewesen, genauer gesagt den Einfluss von chemischen Agentien, natürlichen wie synthetischen, auf biologische Systeme. Das erfordert neben dem Fachwissen über potenzielle Arzneimittel auch fundierte Kenntnisse in Zell- und Molekularbiologie, Genetik, Biochemie, Physiologie usw., um zu verstehen, wie bestimmte Substanzen wirken und warum es individuelle Unterschiede in der Wirkung gibt.

Daher gilt es zum einen, die Pharmakologen von all den Biochemikern, Physiologen und Molekularbiologen und Genetikern abzugrenzen, denen es nicht in erster Linie um die Substanzen geht. Zum anderen fächern sich die Pharmakologen heute in diverse Unterdisziplinen auf, zu denen die Neuro-, Verhaltens- und kardiovaskulären Pharmakologen ebenso wie die Pharmakoepidemiologen gehören sowie die Umwelt- und Theoretischen Pharmakologen, die eine klare Abgrenzung weiter erschweren. Nicht zu vergessen die klinische Pharmakologie, die die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Patient schlägt. Und dann sind da noch die Pharmazeuten, die ebenfalls die Wirkung von Arzneimitteln untersuchen, sie entwickeln und herstellen und schließlich an die Apotheken abgeben.

In der Forschung gibt es keine scharfe Grenze zwischen pharmakologischen und pharmazeutischen Projekten und Methoden, und auch die Fachzeitschriften, in welchen die beiden Disziplinen veröffentlichen, sind dieselben. Grund genug für Thomson Reuters, die beiden in Web of Science als „Pharmacology & Pharmacy“ zusammenzuführen.

Kliniker und Exoten

Ein Blick auf die weltweit bis heute meistzitierten Autoren von Pharmakologie-Artikeln offenbart zweierlei: 1. Die Liste wird von Japanern sowie einigen Chinesen und US-Amerikanern angeführt, und 2. stehen unter den deutschsprachigen Autoren Psychiater und Neurologen am weitesten vorne. Diese jedoch grenzen wir aus diesem Vergleich aus, da sie sich für die zu therapierende Erkrankung interessieren und weniger für die therapierende Substanz – eine nicht immer einfache Unterscheidung. Der erste „echte“ Pharmakologe, Ernst Mutschler, ehemaliger Direktor der Frankfurter Pharmakologie, steht in jener „All-Stars-Liste“ auf Platz 230, gefolgt von drei Klinischen Pharmakologen aus Stuttgart, Frankfurt und Greifswald: Michel Eichelbaum (22.) auf Platz 300, Gerd Geisslinger (10.) auf 380 und Heyo Kroemer (17.) auf 450. Und ganz am Ende der weltweiten Top 500 findet sich der Berliner Pharmazeut Rainer Müller (31.).

Ein ähnliches Bild zeigt die Liste der Pharmakologen mit Adresse im deutschsprachigen Raum, deren Artikel aus den Jahren 2007-2010 bis heute die meistzitierten sind. Rund die Hälfte der Top 50 sind Kliniker – nicht weiter verwunderlich, finden doch Veröffentlichungen über die Wirkung von Medikamenten stets eine größere Aufmerksamkeit als solche über ihre Suche. Knapp ein Fünftel arbeiten in Pharmazeutik-Gruppen oder -Instituten.

Daneben gibt es einige „Ausreißer“, die sich nur schwer zuordnen lassen. Einer von ihnen steht gleich an erster Stelle: Veit Hornung veröffentlicht kaum in pharmakologischen Journals und hat auf den ersten Blick auch keine pharmakologischen Projekte – weshalb seine meistzitierten Artikel auch nicht in der Liste der Top 10-Artikel erscheinen. Der Humanmediziner hat die angeborene Immunität zum Forschungsthema erwählt und untersucht seit seiner Doktorarbeit bei dem Münchner Klinischen Pharmakologen Stefan Endres (11.), wie das Immunsystem „Selbst“ von „Fremd“ unterscheidet. Was uns schließlich bewog, ihn doch unter die Top 50-Pharmakologen aufzunehmen, war, dass Hornung mit Hilfe dieser Erkenntnisse Impfstoffe und Medikamente, insbesondere Adjuvantien, entwickeln will. Dies zusammen mit Gunther Hartmann (2.), Direktor der Bonner Klinischen Chemie und Pharmakologie, in einer noch zu gründenden Firma.

Auch Jennifer Keisers (28.) Projekte könnten etwas exotisch anmuten. Sie leitet die ­Helminth Drug Development Unit an der Medizinischen Parasitologie und Infektionsbiologie am Schweizer Tropeninstitut (STI) in Basel und entwickelt Medikamente gegen parasitische Würmer.

Und auch die Informatik hat mittlerweile in der Medikamentenentwicklung Einzug gehalten, in diesem Vergleich vor allem unter den zehn bis heute meistzitierten Artikeln der Jahre 2007-2010 sichtbar. Gerhard Klebe (26.) beschreibt in seinem Artikel (3.), wie der PDB2PQR-Webserver hilft, biomolekulare Strukturen zu berechnen. Ein Anfang. Mittlerweile gibt es bereits Professuren für Medikamentenentwicklung am Computer (siehe LJ 4/2013, S. 18-20), und es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die ersten Pharmakoinformatiker zu den Top 50-Pharmakologen gehören.



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Letzte Änderungen: 11.06.2013