Editorial

Unbekanntes Fernost

Was können Zitationsvergleiche ... nicht unbedingt?



Eigentlich war Chen Yang ziemlich zufrieden. Mächtig hatte die chinesische Wissenschaft in den letzten Jahren gegenüber den anderen Forschungsnationen aufgeholt. Es war ja auch viel hineingesteckt worden – gerade in die Biomedizin: Neue, modernste Forschungszentren wurden errichtet, ambitionierte Großprojekte erfolgreich durchgezogen, und auch in der Genomforschung belegte China inzwischen einen Spitzenplatz.

Im westlichen Ausland wurde dies inzwischen durchaus gewürdigt: Viele neue Kooperationen wurden vereinbart, und chinesische Wissenschaftler wurden zunehmend zu internationalen Kongressen eingeladen wie auch in die Editorial Boards amerikanischer und europäischer Forschungszeitschriften berufen. Letzteres mit der Folge, dass darin auch immer mehr "chinesische" Paper erschienen.

Es lief also durchaus rund. Dennoch gab es ein Thema, bei dem Chen Yang immer wieder sauer aufstoßen musste: die Zitierraten chinesischer Forscher sowie die Impact Faktoren chinesischer Zeitschriften. Man sollte meinen, zumindest die chinesischen Artikel in den internationalen Zeitschriften müssten angemessen zitiert werden. Aber nein, im Zweifelsfall fanden die Europäer und Amerikaner immer einen der "Ihren", den sie alternativ in ihre Referenzlisten aufnehmen konnten. Chen Yang hatte dazu bereits einen Leserbrief mit konkreten Beispielen in Nature veröffentlicht, aber er wusste, dass sich dagegen kaum etwas machen ließ. Schließlich konnte er niemandem vorschreiben, wen er zu zitieren habe.

Mehr noch aber ärgerte ihn der Umgang mit den chinesischen Zeitschriften. Davon gab es nämlich inzwischen richtig viele, und viele einheimische Forscher veröffentlichten absolute Top-Ergebnisse darin. Was durchaus gewollt war, denn der Aufschwung der chinesischen Forschung sollte auch an der Qualität ihrer Journals ablesbar sein. Und mittelfristig wollte man natürlich auch einige chinesische Zeitschriften unter den internationalen Top-Journals installieren.

Sicher, die Sprache war ein Problem. Doch dies versuchte man dadurch zu umschiffen, indem man die wichtigsten Zeitschriften auch in einer "English Edition" präsentierte. Was darauf aber passierte, brachte Chen Yang an die Decke: Nicht nur, dass das amerikanische ISI, welches die Impact Faktoren und Zitierzahlen erfasste, trotzdem viele chinesische Zeitschriften gar nicht erst aufnahm – nein, bei den wenigen "Auserwählten" führte es fast durchgehend die chinesische und die englische Version als zwei verschiedene Zeitschriften. Wodurch das ISI deren Impact Faktoren natürlich nach unten verfälschte.



Besonders krass erwischte es etwa das Chinese Journal of Geophysics. Aus historischen Gründen heißt die chinesische Version bis heute Diqiu Wuli Xuebao. Zudem wurde es vor der heute gültigen Umbenennung als Acta Geophysica Sinica geführt. Das ISI registrierte dies nicht – mit dem Resultat, dass es im letzten Jahr dem Chinese Journal of Geophysics nur 13 Zitierungen zusprach. Chen Yang ließ das nachprüfen, und seine Leute spürten insgesamt über 2000 Zitierungen auf – die meisten natürlich in anderen chinesischen Journals.

Den übrigen chinesischen Journals erging es ähnlich, wie Yang und seine Leute herausfanden. Und in den nächsten Monaten sollte das nächste forschungspublizistische Prestigeobjekt starten: das Chinese Journal of Biomedicine. Natürlich wieder mit chinesischer und englischer Ausgabe. Yang hatte die Briefe an das ISI, Nature und Science schon in der Schublade...




Letzte Änderungen: 08.09.2004