Editorial

Was lange währt,...

Was können Zitationsvergleiche ... nicht unbedingt?



Endlich hatte Kurzblick die Daten unter Dach und Fach. "Geh´ damit ins Journal of Ecology – das ist ein gutes Journal, und da passt Deine Story auch gut rein", riet ihm Milde, sein Chef.

Doch Kurzblick hatte Zweifel. Sicher, J Ecol war ein altehrwürdiges Journal, 1913 von der British Ecological Society gegründet – aber Kurzblick fand es immer schon ein bisschen angestaubt. Die moderne Ökologie, die zunehmend auch molekulare Methoden und mathematische Modelle zur Lösung ihrer Fragen einsetzte, zog erst langsam darin ein. Und genau das hatte Kurzblick in seiner Arbeit doch getan.

Nein, da gab es inzwischen jüngere, frischere Zeitschriften, die gezielt diese neuen Strömungen der Ökologie aufsaugten. Molecular Ecology zum Beispiel, Kurzblicks Lieblingszeitschrift.

Als er dann noch einige Tage später feststellte, dass Mol Ecol mit einem Impact Faktor von 3,1 knapp vor J Ecol mit 2,8 lag, war für Kurzblick die Sache endgültig klar. Milde sagte nur: "Wenn Du willst – okay, versuch´s." Und drei Monate später erschien der Artikel in Mol Ecol.

Als Kurzblick mit Milde einen Sekt darauf trank, fragte ihn dieser plötzlich: "Warum wolltest Du eigentlich das Manuskript damals zu Mol Ecol schicken?"

"Mol Ecol gefällt mir besser als J Ecol", antwortete dieser. "Und hat außerdem den besseren Impact Faktor."

"Und was heißt das Deiner Meinung nach?", fragte Milde weiter.

"Na, dass mehr Leute die Artikel in Mol Ecol zitieren – und damit wohl auch lesen."

"Komisch", entgegnete Milde, "vor ein paar Tagen habe ich mir genau diese Sache mal genauer angeschaut – und festgestellt, dass das wahrscheinlich gar nicht stimmt."

"Wie, nicht stimmt?," fragte Kurzblick plötzlich nervös.

"Der Impact Faktor gibt doch nur an wie oft Artikel der beiden Vorjahre innerhalb eines Kalenderjahres zitiert wurden", sagte Milde. "Das sagt aber nicht, wie oft ein Artikel im Laufe der Zeit insgesamt zitiert wird. Die so genannte "cited halflife" von Mol Ecol aber..."

"Was ist denn das?", fragte Kurzblick.

"Ein Maß dafür, über wie viele Jahre hinweg die Artikel einer Zeitschrift im Schnitt zitiert werden. Genauer gesagt bezeichnet die "cited halfline" die Anzahl der zurück liegenden Jahre, aus denen 50% aller im betreffenden Jahr zitierten Arbeiten einer Zeitschrift stammen."

"Und?", fragte Kurzblick, inzwischen noch nervöser.

"J Ecol ist da viel besser", fuhr Milde fort. " J Ecol hat eine cited halflife von über zehn Jahren, Mol Ecol nur von etwa dreieinhalb. Das heißt, ein Artikel im J Ecol wird im Schnitt über einen dreimal längeren Zeitraum hinweg zitiert als einer in Mol Ecol. Und da beide mit ihren Impact Faktoren ziemlich dicht beieinander liegen, dürften Artikel im J Ecol insgesamt doch häufiger zitiert werden."

Kurzblick machte ein Gesicht, als hätte man ihm gerade eine Nacktschnecke in den Mund geschoben.

"Ich habe sogar mal stichprobenartig jeweils zwanzig 94er-Artikel aus beiden Zeit-schriften verglichen", legte Milde nach. "Und tatsächlich wurden die J Ecol-Artikel bis heute im Mittel doppelt so oft zitiert wie diejenigen aus Mol Ecol."

Jetzt machte Kurzblick ein Gesicht, als hätte er die Nacktschnecke runtergeschluckt.

Doch Milde klopfte ihm auf die Schulter und sagte: "Mach Dir nichts draus. Dein Artikel ist gut, sehr gut sogar – und gute Artikel werden heutzutage viel gelesen, egal wo sie stehen. Und zitiert auch."




Letzte Änderungen: 08.09.2004