Editorial

Beiträge zur Biochemie seltsamer Lebewesen (3)

Feuerspeiende Drachen

von Siegfried Bär, Zeichnung: Frieder Wiech (Laborjournal-Ausgabe 04, 2005)


Nicht nur die Werwölfe, auch die Drachen haben eine Vorliebe für junge Fräuleins; bei letzteren sollten sie allerdings adelig sein. Unser Autor weiß noch viel mehr über die feuerspeienden Ungeheuer zu berichten, so hat er herausgefunden, wie sie Feuer speien und warum sie grün sind.

Feuerspeiende Drachen leben in Höhlen, sind groß, haben Flügel, vier Beine und mehrere Hälse und Köpfe. Sie ernähren sich vom Fleisch schöner Prinzessinnen und Ihr natürlicher Feind ist der Ritter, der sie entweder mit der Lanze tot sticht oder ihnen mit dem Schwert den Hals abschlägt (dem Drachen, nicht den Prinzessinnen).

Das ist in zwei Sätzen das, was man über Drachen weiß. Man kann vielleicht noch hinzufügen, daß Drachen heutzutage selten sind. Mir ist bisher nur einer begegnet, meine Zimmerwirtin in Tübingen. Sie stellte jedoch eine Sonderform dar: Sie war nicht grün, zumindest mir nicht.

Das Volk gibt sich mit mit diesen Erkenntnissen zufrieden. Wir aber sind Forscher. Wir stellen Fragen und die brennen uns dann Löcher ins Gemüt: Warum sind Drachen grün? Wie bringen sie es fertig, Feuer zu speien? Wie passen vier Beine zu zwei Flügeln?


Vier Beine, zwei Flügel. Tatsächlich?

Fangen wir mit der letzten Frage an. Vier Beine passen nicht zu zwei Flügeln. Jedenfalls nicht bei Wirbeltieren und der Drache ist ein Wirbeltier. Alle Wirbeltiere haben vier Gliedmaßenanlagen und wenn sich das vordere Beinpaar zu Flügeln entwickelt, bleiben nur zwei für die Beine. Hühner haben daher zwei Beine und nicht vier und alle Mühen der Hähnchenschenkel--Industrie, dies zu ändern, waren vergebens.

Was für Hühner gilt, gilt auch für Drachen: Auch die haben nur zwei Beine. Wie aber kommt es dann, dass Drachen auf fast allen Abbildungen als vierfüßige, zweiflüglige Wesen dargestellt werden?

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Nein: eine optische Täuschung!

Nach Riha et al., 2005, entstand der Eindruck der Vierfüßigkeit als optische Täuschung. Sie nimmt an, daß in einer Höhle für gewöhnlich zwei Drachen leben, ein Männchen und ein Weibchen. Stellen Sie sich nun vor, es wurde den Drachen eine Jungfrau geopfert. Die wurde selbstverständlich am Eingang der Höhle niedergelegt, denn hinein traute sich niemand. Nehmen Sie weiter an, dass die Höhle so eng bzw. die Drachen so dick waren, dass sie hintereinander zum Eingang stürzten, um an das begehrte Mahl zu kommen. Beim Opfer angekommen bleibt der erste Drache stehen, den Leib noch im Höhleneingang, und beginnt zu speisen. Der zweite versucht sich vorbeizudrängeln und weil das nicht geht (Höhle zu eng) rückt er dem anderen so nahe wie möglich auf die grüne Haut, streckt den Kopf auf seinem langen Hals heraus und versucht, einen saftigen Bissen der Prinzessin zu erhaschen.

Für den außen stehenden Beobachter, zumal wenn der aufgeregt ist (und wer wäre das nicht vor einer Drachenhöhle?), sieht es dann aus, als ob es sich um einen Drachen handelt - aber um einen mit zwei Köpfen und vier Beinen. Das Gehirn des Beobachters rechnet noch das Flügelpaar dazu, das die Drachen in der engen Höhle nicht ausbreiten können, und schon sind wir beim vertrauten aber falschen Bild der vierfüßigen Drachen mit mehreren Hälsen und Köpfen.

Oder liegt's doch am Sexualleben?

Es gibt noch eine Möglichkeit, wie die Illusion der vierbeinigen geflügelten Drachen entstanden sein könnte. Die hängt mit dem Sexualleben der Drachen zusammen. Falls dieses am Eingang der Höhle stattfindet und Drachen ähnliche Sexualtechniken praktizieren wie Gockel und Huhn, kann leicht der Eindruck entstehen, es handele sich um ein Wesen mit vier Füßen und zwei Flügeln. Aus moralischen Gründen kann ich hier nicht ins Detail gehen. Ich appelliere an Ihre Vorstellungskraft: Das Drachenweibchen vor der Höhle, in der Erregung mit den Flügeln flatternd, das Männchen dahinter in der engen Höhle...

Kommen wir zum Feuerspeien. Die Tatsache selber ist unbestritten, zu oft wird sie erwähnt, und eine optische Täuschung ist unwahrscheinlich. Fragen wir also, was brennt und wie wird es entzündet? Was der Drache in Brand setzt und durch das Maul ausbläst, muß ein Gemisch von brennbarem Gas und Luft sein.

Die Luft kommt aus den Lungen. Aber woher kommt das Gas?

Woher kommt das brennbare Gas?

Wirbeltiere können in ihren Körperinnereien brennbare Gase zu erzeugen. Selbst Menschen können das - wovon Sie der Verzehr einer Portion gekochter Bohnen überzeugen dürfte. Im Kuhmagen dagegen entstehen große Mengen Methan durch anärobe Gärung aus Zellulose (Gras). Die Gase gehen in beiden Fällen allerdings in die falsche Richtung ab. Zudem braucht ein feuerspeiendes Wesen ein Vorratsorgan für brennbares Gas, zum Beispiel eine Blase. Ist das Gas leichter als Luft, erhöht die Blase zudem die Flugfähigkeit des Drachen und erklärt damit die im Vergleich zum Drachenkörper kleinen Flügel.

Bei Methan ist das tatsächlich der Fall (Dichte 0,7168 g/Liter bei 0 °C und 760 Torr gegenüber Luft 1,29 g/Liter).

Feuerspeiende Drachen müssten also über eine Gasblase verfügen. Von welchem Teil des Verdauungstraktes diese abzweigt, kann man nur vermuten. Vielleicht vom Blinddarm. Er dient bei grasfressenden Nicht-Wiederkäuern als Gärkammer. Von der Blase müsste eine Ableitung hinten im Rachen in die Mundhöhle münden, damit das Methan genügend Zeit hat, sich mit der Lungenluft zu mischen (Langosch, D., persönliche Mitteilung).

Harte Zähne geben Funken

Entzündet wird das Gas, indem der Drache die Zähne aufeinanderschlägt. Sind diese hart genug, springen Funken und das Methan-Luftgemisch explodiert entweder oder brennt nur ab - je nach Methananteil. Das Löschen der Flamme ist noch einfacher: Der Drache stellt durch verschließen des Gasblasenausgangs die Methanzufuhr ab.


Caroline oder Edelgard?

Ob solch eine Blase bei Drachen existiert, ist unbekannt. Drachentöter interessieren sich nicht für Anatomie, sie schlagen den Drachenkopf ab, nehmen die Prinzessin oder was davon übrig ist, und lassen den Rest verfaulen. Die Fragen nach Gasblase und Gärkammer müsste eine wissenschaftliche Expedition klären. Als Lockvogel müsste die eine Prinzessin mitführen. Vielleicht Caroline von Monaco? Falls diese ablehnt, weil sie ihren Gatten zu einem Gerichtstermin begleiten muß, könnte sich unsere schöne Wissenschaftsministerin für die Wissenschaft opfern.


Fressen Drachen wirklich Gras?

"Drachen fressen Gras?", wird sich der aufmerksame Leser gefragt haben. "Wurde nicht anfangs erwähnt, dass sie sich von Prinzessinen ernähren, also Fleischfresser sind?"

Drachen sind in der Tat Fleischfresser, aber wie Katzen weiden sie gelegentlich Gras. Teils um ihr Gedärm zu reinigen, vor allem aber um - wie die Kuh - Methan zu erzeugen, das sie zum Fliegen und Feuerspucken brauchen.


Selbst die Körperfärbung ist erklärbar

Doch eben weil der Drache kein Pflanzenfresser ist, bereitet ihm das Gras Stoffwechselprobleme. Weniger die Zellulose - die setzt er zu Methan um und speichert es in der Gasblase - sondern das Chlorophyll. Dieses kann der Drachendarm wohl nicht verwerten. Es fällt also in großen Mengen an, ähnlich wie Bilirubin beim Leberkranken. Irgendwohin muß das Tier aber mit dem grünen Frabstoff. Also lagert es das überschüssige Chlorophyll in die Haut ein. Daher sind Leberkranke gelb und Drachen grün.


Literatur zum Thema:

Riha, H. et al. (2005): The problem of dragon fourfootedness: A possible solution. The Indian Journal of esoteric animals 666, 22-31.



Letzte Änderungen: 22.09.2005