Editorial

Special Live Cell Imaging

Fluorophoren den Spiegel vorhalten:
Bessere Bilder durch beschichtete Deckgläser
von Mario Rembold, Laborjournal 09/2019


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Besser sehen mit Nanospiegeln: Aufnahmen von ringförmigen Kernporenkomplexen mit normaler (li.) und mit Nanospiegel-verstärkter (re.) dSTORM-Mikroskopie. Hier war das Präparat zwar „tot“, die Spiegel-Technik funktioniert jedoch auch bei der Lebendzell-Mikroskopie (Näheres siehe Text). Foto: AG Heinze / Light Sci. Appl. 7: 99

Ein Würzburger Forscherteam verwendet verspiegelte Flächen für die Fluoreszenzmikroskopie. Zuletzt konnten sie auf diese Weise dSTORM und FRET verbessern.

Seit den 1990er Jahren reizt die Fluoreszenzmikroskopie die Grenzen des optisch Machbaren immer weiter aus. Trickreiche Verfahren lösen heute Strukturen weit unterhalb von 200 Nanometern auf; die Beugungsgrenze der klassischen Lichtmikroskopie spielt hier also keine Rolle mehr. Stattdessen wird es umso wichtiger, schwache Lichtsignale einzufangen, um die Fluoreszenz einzelner Moleküle vom Hintergrund zu unterscheiden.

Eigentlich ein banaler Trick

Werkzeuge für die Fluoreszenzmikroskopie entwickelt auch das Team um Katrin Heinze am Rudolf-Virchow-Zentrum der Uni Würzburg. „Wir möchten räumliche und zeitliche Auflösung verbessern und den Kontrast im Bild erhöhen“, fasst Gruppenleiterin Heinze die Mission zusammen. Ein Trick, auf den die Würzburger seit einigen Jahren immer wieder zurückgreifen, scheint auf den ersten Blick banal: Sie bedampfen Deckgläschen mit einer nanometerdicken reflektierenden Metallschicht und stellen so dünne hochpräzise Spiegel her. Zum Mikroskopieren wird die Probe dann auf dieser Spiegeloberfläche platziert. Somit fängt das Mikroskop nicht nur die Photonen ein, die ein Fluorophor direkt in Richtung Objektiv abstrahlt, sondern auch Licht, das in entgegengesetzter Richtung abgegeben und vom Deckgläschen zurückgespiegelt wird. Der Spiegel erhöht also zunächst einmal die Lichtmenge, die im Detektor ankommt.

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Ein paar Nanometer Silber oder Gold auf ein handelsübliches Deckglas dampfen, und schon werden die Bilder so mancher Probe deutlich brillanter. Foto: Platypus Technologies
Nahfeld versus Weitfeld

Doch in der Größenordnung, in der Heinze und ihre Kollegen experimentieren, ist die Physik anders als in unserem makroskopischen Alltag. „Wir unterscheiden zwischen Weitfeldeffekten und Nahfeldeffekten“, erklärt Heinze. Weitfeldeffekte betreffen sozusagen den Teil der Welt, den wir noch intuitiv mit unseren Sinnen erfahren können. „Da spielt sich auch die beugungslimitierte Lichtmikroskopie ab.“ Das Nahfeld hingegen betrifft nur die unmittelbare Nähe um die Emissionsquelle. „Die Nahfeldeffekte sind für uns deshalb so interessant, weil sie nicht der klassischen Beugungsgrenze unterliegen“, erläutert Heinze und ergänzt, dass man hier von sogenannten evaneszenten Feldern spricht. „Diese Felder klingen exponentiell ab und existieren für die Fluoreszenzmikroskopie nur in einem sehr schmalen Abstand zur Photonenquelle oder einer Grenzfläche wie unseren Spiegeln.“

Mehr Signal, weniger Rauschen

So gibt ein angeregtes Fluorophor Licht einer bestimmten Farbe ab. Wird dieses Licht von einer Spiegelfläche zurückgeworfen, kommt es zu Interfe­renzerscheinungen: An einigen Orten addieren sich Lichtintensitäten auf, woanders löschen sich Berge und Täler der Wellen gegenseitig aus. Hannah Heil, Doktorandin in der Heinze-AG, erklärt, inwiefern die Interferenz über einem Nanospiegel nützlich ist: „Wir fangen in Regionen der konstruktiven Interferenz mehr Licht ein, während der destruktive Teil das Hintergrundrauschen unterdrückt.“ Bei richtigem Design des Experiments könne man so gezielt dort das Licht verstärken, wo man auch etwas sehen will.


Erstautorin Hannah Heil mit ihrer Gruppe (oben, 2. v. re.; unten in der Mitte AG-Leiterin Katrin Heinze). Foto: Uni Würzburg, AG Heinze

Zufälliges Blinken

Für ihre Promotion hat Heil nach Wegen gesucht, die Fluoreszenzausbeute der sogenannten dSTORM zu optimieren. „Ich hatte das Glück, hier in Würzburg auch mit Markus Sauer zusammenarbeiten zu können, der dSTORM mit­entwickelt hat“, freut sich Heil über die Erfahrungen aus dem Projekt. dSTORM steht für Direct Stochastic Optical Reconstruction Microscopy. Dabei kommen spezielle Fluorophore zum Einsatz, die im Anregungslicht nicht permanent leuchten, sondern unabhängig voneinander nach dem Zufallsprinzip kurz aufblinken. So lassen sich einzelne Moleküle lokalisieren. Aus vielen Einzelbildern mit nur jeweils wenigen leuchtenden Punkten kann man schließlich alle ermittelten Molekülpositionen wie auf einer Landkarte zusammenfassen. Das errechnete Bild gibt Abstände auf etwa 20 Nanometer genau wieder.

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Erstautorin Hannah Heilbei der Arbeit (li.) Foto: Uni Würzburg, AG Heinze

Um die Fluoreszenzausbeute mit dSTORM zu verbessern, hatte Heil mit einer 50 Nanometer dicken Silberschicht gearbeitet und wurde dabei neben Heinze und Sauer von sieben weiteren Kollegen unterstützt. Die Würzburger Forscher hatten den Nuclear Pore Complex (NPC) kreissymmetrisch mit acht Fluorophoren markiert. Der Proteinkomplex verrät sich auf den dSTORM-Bildern also durch acht leuchtende Punkte, die einen Ring bilden, sofern man senkrecht auf die Kernpore schaut. Mit den verspiegelten Deckgläsern konnten die Forscher nun die Auflösung um das Anderthalbfache verbessern und kamen dabei mit nur 50 Prozent der Laserleistung zum Anregen der Fluorophore aus. Diese Ergebnisse konnte das Team im Dezember vergangenen Jahres veröffentlichen (Light Sci. Appl. 7: 99).

Spiegel auch für lebende Zellen geeignet

Für ihre Experimente hatten Heil und Kollegen isolierte Kernmembranen flach auf der verspiegelten Trägermatrix aufgebracht. Eine zehn Nanometer dicke transparente Schicht aus Siliziumnitrit diente als Abstandhalter, um zu geringe Distanzen zu vermeiden, in denen sich die Signale durch Interferenz auslöschen. Bis zu einem Abstand von maximal 120 Nanometern von der Spiegelfläche wirken sich die Nahfeldeffekte aus, die die Bildqualität verbessern. Um lebende Zellen zu beobachten, sei dSTORM aber nur bedingt geeignet, räumt Heil ein und verweist auf die Tatsache, dass von einer einzelnen Bildebene einer Probe ja über viele Sekunden bis Minuten hinweg Einzelbilder aufgezeichnet werden müssen. „Die Methode kommt also nur für Proteine in Frage, die nicht sehr mobil sind.“

Gold statt Silber

Grundsätzlich aber ist der Einsatz solcher Spiegel nicht auf dSTORM beschränkt. Erst wenige Monate zuvor gab es aus der Arbeitsgruppe um Katrin Heinze eine Publikation zur FRET-Mikroskopie an lebenden HEK-Zellen. Hier waren es goldbeschichtete Deckgläschen, mit denen die Optik-Tüftler bessere Ergebnisse erzielten (ACS Photonics 5(6): 2225-33). Für die verbesserte FRET-Effizienz ist aber nicht das reflektierte Licht oder die Interferenz ausschlaggebend, sondern ein anderer elektromagnetischer Effekt.

Doch zunächst zum Grundprinzip: FRET steht für „Förster-Resonanz-Energietransfer“; dabei kommt das relevante Fluoreszenzsignal durch das Zusammenwirken zweier geeigneter Moleküle zustande. Das eine Molekül fängt anregendes Licht ein. Anstatt nun selbst zu fluoreszieren, überträgt es seine Energie als Donor strahlungslos auf ein Akzeptor-Molekül in unmittelbarer Nähe, welches anschließend leuchtet. Das angeregte Donor-Molekül gibt also selbst keine Photonen an den Akzeptor weiter, sondern lediglich die Ladungen der Moleküle wirken aufeinander ein. „Wir sprechen von einer Dipol-Dipol-Wechselwirkung“, so Heinze.

Molekülabstände messen

Da der Energietransfer nur stattfinden kann, wenn Donor und Akzeptor wenige Nanometer voneinander entfernt sind, lassen sich mittels FRET kleinste Entfernungen vermessen. Heinze spricht von einem „Nano-Lineal“. Indem man den Donor und Akzeptor an zwei unterschiedliche Proteine fusioniert, kann man nachweisen, wo in der Zelle sich diese Moleküle annähern und es beispielsweise zu einer Ligand-Rezeptor-Bindung kommt. Alternativ lassen sich auch Konformationsänderungen eines einzelnen Moleküls messen. Letzteres hat Heinzes Team zusammen mit der Arbeitsgruppe um Carsten Hoffmann vom Universitätsklinikum Jena für erwähnte Publikation getan und einen muskarinischen Acetylcholin-Rezeptor mit Donor und Akzeptor versehen. Bindet ein passender Ligand, ändert das Membranprotein seine Konformation, wodurch beide FRET-Partner näher zusammenrücken.

Warum genau der Spiegel hier zu einer Verbesserung der FRET-Effizienz führt, war zunächst ein Rätsel, erinnert sich Heinze. Über Computersimulationen verifizierten die Forscher dann, dass die spiegelnde Goldschicht mehr Möglichkeiten zum Energietransfer bietet. „Für den Energietransfer müssen die Dipole von Donor und Akzeptor nämlich parallel ausgerichtet sein“, erläutert Heinze. Doch die Optimierung der FRET-Sonde erfolge bei biologischen Experimenten eben maßgeblich nach physiologischen Gesichtspunkten, nicht nach photonischen. „Die optimale Ausrichtung wird also im Regelfall nicht erreicht“, bringt es Heinze auf den Punkt.

Physiologie bleibt unbeeinflusst

„Doch die Fluorophore können ihren Partner gewissermaßen zusätzlich im Spiegel sehen“, fährt Heinze fort. Und manchmal biete die Ausrichtung über das Spiegelbild eine günstigere Konstellation. Weil die Goldschicht solche Spiegelbilder und damit alternative Ausrichtungen für den Energietransfer anbietet, ist die FRET-Effizienz erhöht. „Das ist die stark vereinfachte Erklärung“, hält Heinze an dieser Stelle fest und betont, dass der eigentliche experimentelle Nachweis dieses Effekts erst 2016 von französischen und spanischen Biophysikern erbracht worden ist (Nano Lett. 16: 6222-30).

Technisch sei es nicht schwer, Deckgläschen selbst mit sogenannten metalldielektrischen Schichten zu bedampfen, um eigene Spiegel herzustellen. „Allerdings hat nicht jeder eine Beschichtungsanlage im Labor, deshalb kontaktieren uns andere Forscher manchmal für Kollaborationen“, berichtet Heinze. „Der große Vorteil ist, dass Sie Ihr Fluoreszenzmikroskop nicht großartig verändern müssen; außerdem nehmen Sie keine Veränderungen auf Kosten der Physiologie vor.“ Man benötigt also keine neuen Fusionsproteine und Genkonstrukte und muss auch keine neuen Zelllinien etablieren.

Die positiven Effekte sind jedoch nur auf eine dünne Schicht nahe der Spiegelfläche beschränkt und seien nur schwer auf dreidimensionale Systeme übertragbar. „Da arbeiten wir gerade dran und möchten unsere Methode auch mit anderen Technologien kombinieren“, gibt Heinze einen Ausblick.

Last Changed: 10.09.2019