Ketogene Diät

von Melanie Erzler (Laborjournal-Ausgabe 10, 2017)


Editorial
Stichwort

Auf einen gesunden Lebensstil zu achten, gehört heute zum guten Ton: Ständig gibt es neue Trends, wie körperliche und geistige Fitness optimiert werden können. Neben Cross-Fit, Kardiotraining und Yoga spielt die Ernährung dabei wohl die größte Rolle. Verschiedenste Ernährungsphilosophien stehen zur Wahl: ob Mediterran, Low-Carb, Paleo oder Atkins – jede Diätempfehlung scheint den Weg zu einem besseren Leben zu ebnen.

In den letzten Jahren hat dabei vor allem eine kohlenhydratreduzierte, fettreiche Ernährung viel Zuspruch bekommen. Sie soll körperlich und geistig fitter machen, den Muskelaufbau unterstützen und Entzündungswerte senken.

Editorial
Länger gesund und fit

Die wohl extremste Ausprägung fettbasierter Ernährung findet sich in der ketogenen Diät, bei der die tägliche Kalorienzufuhr sich zu fast 90 Prozent auf Fette stützt. Ein derart niedriger Kohlenhydratanteil ist nötig, um eine Umstellung des Metabolismus zu erreichen, auf der die positiven Effekte dieser Ernährungsweise beruhen. Denn mangelt es dem Körper an Glukose, stellt er seine Energiegewinnung auf den Fettsäureabbau um. In der Leber werden eingelagerte Fette mittels Ketose in Ketonkörper metabolisiert. Diese werden anschließend in Gehirn und Muskeln transportiert und dort in den Energieträger Acetyl-CoA aufgespalten.

Ketose geschieht normalerweise in Hungerzuständen, um zu garantieren, dass der Körper weiterhin mit Energie versorgt wird, sie kann aber auch durch Training hervorgerufen werden. Um diesen metabolischen Zustand unter Nahrungszufuhr zu erreichen, dürfen so gut wie keine Kohlenhydrate und wenig Proteine zugeführt werden – was extreme Einschränkungen mit sich bringt.

Dass die ketogene Diät zahlreiche positive Effekte haben kann, zeigten vor Kurzem zwei Maus-Studien, in denen auch die molekularen Auswirkungen der Ketose untersucht wurden (Roberts et al., Cell Metab. 26: 539-46; Newman et al., Cell Metab. 26: 547-57). In beiden Studien verlängerte eine ketogene Ernährung sowohl die gesunde Lebensspanne als auch die Lebensdauer der Mäuse.

In der Studie von Newman et al. war dabei nur die mittlere Lebensdauer verlängert, während bei Roberts und ihren Kollegen die ketogen ernährten Mäuse durchschnittlich um 13 Prozent länger lebten. Dies entspricht laut den Wissenschaftlern einer um etwa sieben bis zehn Jahre verlängerten Lebenszeit beim Menschen. Alternde Mäuse wiesen in beiden Studien bessere Gedächtnisleistungen auf. Roberts et al. konnten außerdem zeigen, dass ketogen ernährte Mäuse stärker waren und die motorischen Funktionen länger erhalten blieben. Mäuse unter ketogener Ernährung hatten zudem eine niedrigere Tumorinzidenz und bessere Herzparameter.

Effekte wie beim Fasten

Da eine so fettreiche Ernährung unkontrolliert schnell zu Übergewicht führt, bedienten sich die beiden Forschergruppen verschiedener Strategien, um einer zu starken Gewichtszunahme vorzubeugen. Newman und Co. wechselten wöchentlich zwischen einer ketogenen und einer normalen, eher kohlenhydrathaltigen Nahrung. Wichtig war ihnen dabei, dass der Proteingehalt ausgeglichen blieb, um darauf zurückzuführende Effekte auszuschließen.

Roberts et al. hingegen fütterten konstant ketogen, dafür schränkten sie aber die Kalorienzahl streng ein. Beide Forschergruppen untersuchten zusätzlich Kontrollgruppen, die ebenfalls kohlenhydratarm und fettreich, aber nicht ketogen ernährt wurden, oder die eine normale Nahrung bekamen.

Newman und seine Kollegen fanden bei ersteren beiden Gruppen ein dem Fasten ähnliches Genexpressionsmuster, das eine ernie­drigte Insulin-, Protein- und Fettsynthese widerspiegelt. Einzigartig für die ketogene Diät war, dass Zielgene von PPARα hochreguliert wurden, welches in die Fettsäureoxidation involviert ist.

Roberts und Co. zeigten außerdem, dass Protein- und vor allem Histonacetylierungen gesteigert waren – unter anderem beim Tumorsuppressor p53. In beiden Studien fand sich zudem ein gewebespezifisch verändertes Signal­ling von mTORC1, das auch bei anderen Ernährungsinterventionen, die zu einem längeren Leben geführt hatten, moduliert wird.

Die Wissenschaftler nehmen an, dass die beobachteten Effekte auf die entstehenden Ketonkörper zurückzuführen sind, beispielsweise β-Hydroxybutyrat (BHB). Neben seiner vordergründigen Funktion als Energielieferant ist BHB in verschiedene Signalwege involviert, beispielsweise als Inhibitor des NLRP3-Inflammasoms und von Histondeacetylasen (HDAC) sowie als Ligand von G-Protein-Rezeptoren.

Die ketogene Ernährung scheint nach diesen Erkenntnissen also einige gesundheitliche Vorteile zu bringen. Therapeutische Anwendung findet sie bereits als Alternativbehandlung bei pharmakoresistenter Epilepsie im Kindesalter, da sie dort die Anfallshäufigkeit senkt.

Angenehmere Alternativen

Bei Krebserkrankungen und Multipler Sklerose wird ebenfalls ein positiver Effekt diskutiert. Als dauerhafte Ernährungsform ist die ketogene Diät allerdings wenig geeignet. Gesundheitliche Gefahren können durch Gefäßablagerungen, erhöhte Harnsäureproduktion und Vitaminmangel entstehen.

Umso wichtiger ist es, die molekularen Mechanismen zu verstehen. So könnten die Signalwege, in die die Ketonkörper involviert sind, vielleicht einmal durch weniger einschränkende Maßnahmen beeinflusst werden. Die Anwendungsgebiete liegen dabei aber primär nicht in der Lifestyle-Industrie – die Forscherteams denken hier vor allem an die Behandlung altersassoziierter Erkrankungen.


Letzte Änderungen: 11.10.2017