G-Proteine

von Ralf Neumann (Laborjournal-Ausgabe 12, 1994)


Editorial
Eigentlich sollte es langsam jeder wissen: Der diesjährige Nobelpreis für Medizin geht an die zwei Amerikaner Martin Rodbell und Alfred Gilman für die Entdeckung der G-Proteine und deren Bedeutungfür die Signalübertragung in Zellen.


Modell: Adrenalin-Signaltransduktion

Was die Wissenschaftler zwischen 1970 und 1980 Stück für Stück über die G-Protein-vermittelte Signalverarbeitung zusammentrugen, hören sich Biologiestudenten heute in einer halben Stunde Grundvorlesung an - meist am Beispiel des Adrenalins: Bindet dieses Hormon von außen an seinen spezifischen Rezeptor in der Zellmembran, macht der Rezeptor einem G-Protein Beine. Dieses besteht aus drei Untereinheiten Alpha, Beta und Gamma und ist auf der Innenseite der Membran lokalisiert. Die a-Untereinheit enthält ein gebundenes GDP Auf den Rezeptor-Ruck hin tauscht zuerst die oc-Untereinheit das GDP gegen ein GTP aus. Daher auch der Name G-Protein. Dabei löst sich die u.-Untereinheit mit dem gebundenen GTP vom Rest ab, schwimmt zur Adenylatcyclase und bindet an sie. Die Cyclase wandelt dann ATP in CAMP um. cAMP-Moleküle schwärmen nun in das Zellinnere aus und setzen eine enzymatische Lawine in Gang, die letztlich den Adrenalin-Befehl ausführt. Nach einer bestimmten Zeit jedoch spaltet die u,-Untereinheit das gebundene GTP zu GDP, verläßt den Effektor und kehrt wieder heim in die Arme seiner Geschwister Beta und Gamma. Der Grundzustand ist wiederhergestellt und das Signal gelöscht - es sei denn, ein neues Adrenalin bindet an den Rezeptor.
Editorial

G-Proteine achten aufgesunde Balance

G-Proteine vermitteln aber nicht nur das Adrenalinsignal. Jeder Zelltyp besitzt auf seiner Oberfläche genau die Rezeptoren, die er für seine Aufgabe im Organismus braucht. Insgesamt nehmen so Hunderte von Rezeptoren Hormone und Neurotransmitter, Duftmoleküle und Sexuallockstoffe war. Etwa achtzig Prozent dieser Rezeptoren sind an G-Proteine gekoppelt, die auf immer die~;elbe Weise eine Handvoll verschiedener Eft ektoren aktivieren. Somit erscheinen in d--r unübersichtlichen Vielzahl von Signalen und Effekten die G-Proteine als universelles, abstimmendes Prinzip: Sie leiten das jeweilige Signal in das Zellinnere und verstärken es, zugleich dosieren sie den Effekt und schalten ihn wieder ab. G-Proteine achten folglich auf eine gesunde Balance zwischen Reizmenge und Effektstärke. Gerät diese empfindliche Balance aufgrund eines defekten G-Proteins durcheinander, sind oft ernsthafte Krankheiten die Folge. Cho era, Keuchhusten und einige Krebsarten sind die bekanntesten Beispiele.

Was aber trugen die Nobelpreisträger zu der G-Protein-Geschichte bei? Martin Rodbell fand 1970, daß das Hormon Glucagon ohne die Anwesenheit von GTP nicht wirken konnte und postulierte einen GTP-abhängigen Zwischenschritt bei der Hormonwirkung. Damit begann die Suche nach einem Protein, das für diesen Zwischenschritt verantwortlich ist - die Suche nach dem G-Protein. Es dauerte bis 1980, ehe endlich Alfred Gilman mit seinen Mitarbeitern ein solches G-Protein aus eineinhalb Kilo Kaninchenleber reinigen und beschreiben konnte. Etwa zur gleichen Zeit studierten Mark Bitensky und Lehrbuchautor Lubert Stryer ein anscheinend völhg verschiedenes Phänomen: Unabhängig voneinander fanden beide in den Stäbchenzellen der Retina ein G-Protein - heute bekannt als Transducin.

G-Proteinforschung in Freiburg

In Freiburg hat gerade Frank Sembowski im Labor von Wolfgang Michalke am Institut für Biologie 111 mit seinen Studien über G-Proteine begonnen. Er arbeitet mit dem einzelligen Pilz Phycomyces, in dem ein Blaulichtreiz eine Reihe verschiedener Effekte auslöst. Bestrahlt er Membranfragmente des Pilzes mit Blaulicht, kann er gleichzeitig eine erhöhte Bindung von GTP an die Membranen messen. Ein Indiz für ein G-Protein in der Signalkette vonphycomyces? "Ja", antwortet er, "aber nur ein Indiz. Tatsache ist, daß man in Pilzen und Pflanzen zwar ähnliche G-Proteine wie in Tieren gefunden hat, aber niemand bisher eine Beteiligung an der Signaltransduktion eindeutig zeigen konnte. Vielleicht machen ja Pflanzen und Pilze mit G-Proteinen ganz was anderes."

Vor einem halben Jahr beendete der Sehphysiologe Klaus-Peter Hofmann seine G-Proteinforschung am Freiburger Institut für Biophysik und Strahlenbiologie. Er nahm einen Ruf an die Humboldt-Universität in Berlin an. in seiner Freiburger Zeit untersuchte er das schon erwähnte G-Protein der Stäbchenzellen - das Transducin. Dabei konnte seine Gruppe das molekulare Geschehen zwischen dem Photorezeptor Rhodopsin, dem Transducin und dem Effektor - in diesem Fall eine Phosphodiesterase - bis in den Millisekundenbereich auflösen. Mit diesen Aufzeichnungen war es ihnen möglich, Aussagen über Kinetik, Dynamik und Funktionsmechanismus des Transducins zu machen. Jetzt hofft Klaus-Peter Hofmann, in Berlin noch ein paar Millisekunden schinden zu können.


Letzte Änderungen: 19.10.2004