Editorial

C-reaktives Protein

von Petra Stöcker (Laborjournal-Ausgabe 5, 2005)


Das Arbeitsleben eines klinischen Diagnostikers besteht oftmals aus Routineuntersuchungen an frisch gezapften Patientenseren. Dazu gehört auch, bei Verdacht auf eine schwerere Infektion die Menge des C-reaktiven Proteins (CRP) zu bestimmen. Wohl ungeachtet der Tatsache, dass er damit einem prominenten Kandidaten bei Diskussionen rund um die Arteriosklerose auf den Zahn fühlt.

Der Steckbrief des Protein-Promis klingt eher unauffällig. 1930 von William Tillet und Thomas Francis am Rockefeller Institut aus der Taufe gehoben, verdankt es seinen Namen der Fähigkeit, in Anwesenheit von Calciumionen mit dem C-Polysaccharid von Streptococcus pneumoniae zu präzipitieren. Zusammen mit Fibrinogen, Ferritin, Präalbumin und anderen reiht es sich ein in die bunte Mischung so genannter "Akut-Phase-Proteine", deren Blutwerte als Reaktion auf eine Gewebsverletzung, Infektion oder einen anderen entzündlichen Reiz innerhalb weniger Stunden ansteigen. Dabei rauscht der CRP-Wert mit einer bis zu 1000-fachen Erhöhung allerdings seinen Kollegen deutlich davon, die sich häufig nur verdreifachen.


Ideal wegen hohem Turnover

Die Leber sorgt für die CRP-Produktion und -Ausschüttung und pendelt beim Erwachsenen einen Normalwert von bis zu 10 mg/l im Blut ein. Genauer betrachtet enthüllt das Protein fünf identische, nichtglykosilierte Polypeptideinheiten mit einem Molekulargewicht von je 21 kDa, die zu einem Ring zusammengelagert sind (Pentraxin). Es bindet spezifisch Phosphocholin, die hydrophile Komponente von Phosphatidcholinen der Zellmembran. CRP heftet sich auf diese Weise entweder als Teil der Immunabwehr an Fremdantigene, oder bei akuter Entzündung an körpereigene Zellen. Dies ruft nachfolgend das Komplementsystem und Makrophagen zur Erregerabwehr und Entzündungsvermittlung auf den Plan.

Dank der relativ kurzen Plasmahalbwertszeit von etwa 24 Stunden machen sich Veränderungen im krankhaften Geschehen somit direkt in der CRP-Konzentration bemerkbar. Für die Verlaufsbeobachtung von entzündlichen und infektiösen Erkrankungen also wie geschaffen.

Warum aber diskutiert man plötzlich heiß über eine mögliche Beteiligung von CRP am arteriosklerotischen Prozess? Arterienverkalkung heißt´s im Volksmund, wörtlich übersetzt "bindegewebige Verhärtung der Schlagadern". Egal welcher Name, gemeint ist damit immer die Ablagerung von Blutfetten, Thromben, Bindegewebe und Kalk in den Blutgefäßen. Das Ende vom Lied ist dann bei einer hochgradigen Einengung eine schwere Herzerkrankung oder gar ein Infarkt.


Fett fressen bis zum Platzen

An dessen Anfang steht zunächst die Schädigung der Endothelzellschicht der Arterieninnenwand, verursacht zum Beispiel durch eine bakterielle Infektion, Typ-2-Diabetes oder Übergewicht. Monozyten haften sich an die Schadstellen, differenzieren dort zu ortsständigen Makrophagen, welche dann oxidierte, cholesterinhaltige Lipoproteine geringer Dichte (Low Density Lipoprotein, LDL) ungebremst futtern. Die daraus entstandenen, fetthaltigen "Schaumzellen" platzen regelrecht und begünstigen dadurch die vermehrte Einwanderung hungriger Makrophagen. Die folgende Produktion von Wachstumsfaktoren und Zytokinen bringt dann den entzündlichen Prozess in Fahrt. Durch allmählichen Gewebeumbau der Arterienwand entsteht schließlich eine bindegewebsartige Kappe mit Lipidkern, ein so genannter arteriosklerotischer Plaque.


Lockruf für Monozyten

Wie bei jeder Art von Gewebeschädigung wird auch hier über Botenzytokine wie IL-6 die Akut-Phase-Reaktion in der Leber angekurbelt. CRP lagert sich am Plaque ab und reagiert mit aktivierten Fragmenten des Komplementsystems, die wiederum die lokale Entzündung verstärken. CRP lockt rezeptorvermittelt Monozyten aus dem Blut an (Chemotaxie), fördert die Bildung von Blutgerinnsel durch Stimulation von Gewebefaktor (Tissue Factor, TF) und ermöglicht Makrophagen die Aufnahme von oxidiertem LDL. All dies sind Schlüsselrollen in der Artherogenese.

Einer der ersten, die eine Verbindung zwischen dem Entzündungsmarker CRP, Arteriosklerose und den folgenden Herzerkrankungen hergestellt hat, war im Jahre 1997 der Kardiologe Paul Ridker vom Center for Cardiovascular Disease Prevention in Brigham. Jetzt berichten er und Steve Nissen vom Department of Cardiovascular Medicine Cleveland in einer aktuellen Ausgabe des New England Journal of Medicine unabhängig voneinander über Beobachtungen an insgesamt knapp 4200 akut herzkranken Patienten (N Engl J Med. 352, S. 20 und 29). Nach Einnahme von cholesterinsenkenden Statinen erholten sich manche Patienten schneller als andere, trotz etwa gleich niedriger LDL-Werte. Ridker sieht damit seine früheren Ergebnisse bestätigt, Nissen stellt im weiteren einen Zusammenhang zwischen niedrigeren CRP-Werten und schrumpfenden Lipid-Plaques her. Demnach wäre es genauso wichtig, die Cholesterin-, wie auch die CRP-Werte zu senken.


Mehr CRP, größere Plaques

Wie sooft bleibt auch diese Studie nicht ohne Kritik. David Siscovick, Vize-Direktor der Cardiovascular Health Research Unit der Universität Washington bemerkt, dass diese Ergebnisse wohl den Statinen eine zusätzliche Wirkung zuschreiben – ob sie direkt CRP über statistische Effekte hinaus beeinflussen können, bleibe offen. Möglich ist auch, dass sie in den Entzündungsvorgang eingreifen und dadurch kardiovaskuläre Folgeschäden vermindern.

Egal ob nun Risikoindikator oder -faktor, bei Infektionen ist in jedem Fall auf einen deutlich erhöhten CRP-Wert im Serum nach wie vor Verlass.



Letzte Änderungen: 09.06.2005