Editorial

Salmonellen

von Mario Rembold (Laborjournal-Ausgabe 04, 2011)


Salmonellen füttern Darmzellen

Salmonellen (rot) füttern Darmzellen
über einen Needle Complex solange mit
Proteinen, bis sie ihnen Zutritt gewähren.

Bauchkrämpfe, Durchfall, Erbrechen und Fieber sind die typischen Symptome einer Salmonelleninfektion. Die mit Escherichia verwandten Enterobakterien bewohnen den Darm zahlreicher warmblütiger Tiere wie Schweine, Rinder und Vögel, kommen aber auch bei diversen Reptilien vor. Obwohl die Taxonomen nur von zwei Arten – Salmonella enterica und Salmonella bongori – ausgehen, lassen sich etwa 2.500 verschiedene Serotypen, sogenannte Serovare, unterscheiden. Salmonellen verfügen über eine zweite Membran, die größtenteils aus Polysacchariden besteht und Serovar-spezifische Antigeneigenschaften in Abhängigkeit der dort platzierten Lipopolysaccharide und Proteine mitbringt.

Man geht davon aus, dass bestimmte Antigenmerkmale Anpassungen an spezifische Wirte begünstigen. Es zeigt sich nämlich, dass nicht alle Salmonellentypen bei einem bestimmten Wirt Krankheiten auslösen. So kann etwa Geflügel oder Nutzvieh Salmonellen im Darm beherbergen und permanent mit dem Kot ausscheiden, ohne Krankheitssymptome zu zeigen. Für den Menschen jedoch sind praktisch alle Salmonellen­serovare pathogen. Gelangen sie in den menschlichen Darm, dringen sie in die Zellen des Darmepithels ein, wo sie für die Immunabwehr erst einmal schwer zugänglich sind.


Molekulare Injektionsnadel

Für das Jahr 2008 meldete das Robert Koch-Institut (RKI) mehr als 40.000 Erkrankungen durch Salmonellen in Deutschland. Die meisten Infektionen verlaufen glimpflich und müssen, solange Wasser- und Elekrolytverluste ausgeglichen werden können, nicht medikamentös behandelt werden. Weit gefährlicher hingegen sind Infektionen durch Salmonellen­serovare, die Typhus auslösen. Die Infektion bleibt dann nicht auf den Darmtrakt beschränkt, sondern verläuft systemisch und kann lebensbedrohlich werden. Typhoidale Salmonellen sind auf den Menschen als Wirt spezialisiert und übertragen sich nur von Mensch zu Mensch.

Doch wie gelangen die Salmonellen in die Darmzellen? Sie verfügen wie auch einige andere Bakterien über einen sogenannten „Needle Complex“. Dabei handelt es sich um eine hohle nadelförmige Proteinstruktur, die in der inneren und äußeren Membran der Bakterien verankert ist und nach außen ragt. Salmonellen verwenden diesen Nadelkomplex, um der Wirtszelle Proteine zu injizieren, die dort zelluläre Funktionen manipulieren, bis die Wirtszelle das Bakterium schließlich aufnimmt.

Thomas Marlovits, Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) und Institut für Molekulare Pathologie (IMP) Wien und seine Arbeitsgruppe haben die 3D-Struktur des Nadelkomplexes ermittelt (Science 2011, 331(6021):1192-5). Die Proteine, aus denen sich der Nadelkomplex zusammensetzt, waren bereits bekannt. Marlovits und sein Team konnten nun für die Ringstrukturen im Bereich der inneren und äußeren Membran mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie die exakte Anzahl und Anordnung der beteiligten Proteine samt der genauen Symmetrieverhältnisse aufdecken.

Während man sich in der klassischen Elektronenmikroskopie geeigneter Färbemethoden bedient, um eine messbare Elektronendichte herzustellen, analysiert die Gruppe um Marlovits die Proteine in einem annähernd natürlichen Zustand. „Wir betrachten unsere Proteine in einem hydratisierten und nativen Zustand“, so Marlovits über die methodischen Besonderheiten. Nachteil sei die hohe Sensibilität der Präparate gegenüber der harten Elektronenstrahlung. Die Arbeit bei niedrigen Temperaturen im Bereich von minus 186° C vermindere diesen Effekt zwar, dennoch sei die einzelne Aufnahme für sich genommen erstmal ohne besondere Aussagekraft. „Der Kontrast ist sehr schlecht, so als bewege ich mich in einer Nebelsuppe, in der ich die Konturen nur schwer ausmachen kann.“ Die beeindruckende Auflösung im Nanometerbereich ergibt sich erst durch den Einsatz von Computertechnik. „Indem ich sehr viele Bilder gleichen Typs übereinanderlege und daraus ein Durchschnittsbild errechne, kann ich das Signal-Rauschverhältnis verbessern“, erklärt der Forscher.

Mehr als 37.000 Einzelbilder waren für das detaillierte Modell des Nadelkomplexes notwendig. Dieses ist so genau, dass sich sogar Mutationen voraussagen ließen, die den Injektionsapparat in einem Kontrollexperiment unbrauchbar machten. Das Verständnis der genauen räumlichen Struktur solcher „molekularen Maschinen“, wie Marlovits funktionelle Proteinkomplexe dieser Größenordnung bezeichnet, könnte sich auch für die Entwicklung künftiger Medikamente als nützlich erweisen.


Einsatz in der Krebstherapie?

Dass man sich für Medikamente gegen Salmonellen interessiert, leuchtet ein. Doch dass man Salmonellen selbst als Medikament nutzen könnte, scheint auf den ersten Blick absurd. Die Braunschweiger Arbeitsgruppe um Siegfried Weiß will den schlechten Ruf dieser Prokaryoten ein wenig aufpolieren. Sie arbeiten mit einem abgeschwächten Salmonellenserovar, dass sie Mäusen mit Dickdarmtumoren intravenös verabreicht haben. Die Konzentration der Bakterien in Organen wie Milz und Leber sank im Experiment schnell wieder ab, stieg aber in den Tumoren an und führte dort zu Nekrosen. Wirkungen dieser Art auf tumoröses Gewebe sind auch für einige andere Bakterien beschrieben. Weiß und seine Kollegen fanden im Rahmen ihrer Versuche heraus, dass der Befall der Tumoren durch die Salmonellen offenbar durch die Expression von Zytokinen, insbesondere TNF-α, als Reaktion auf die im Blut vorhandenen Bakterien begünstigt wird. Ob sich die Salmonellen künftig tatsächlich als Soldaten im Kampf gegen den Krebs rekrutieren lassen, muss sich allerdings noch zeigen.



Letzte Änderungen: 29.04.2011